Gute Bakterien? Wollen wir!

In unserem Darm herrscht ein reges Eigenleben, das Auswirkungen auf unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und sogar auf unsere kognitiven Fähigkeiten hat. 

Illustration: Stephanie Hofmann
Illustration: Stephanie Hofmann
Julia Thiem Redaktion

Im Jahr 2014 hat die damalige Medizinstudentin Giulia Enders mit ihrem Buch „Darm mit Charme“ eines unserer wichtigsten Organe salonfähig gemacht. Damals teilte sie erste wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie wichtig der Darm für unsere Gesundheit, allen voran unser Immunsystem, ist. Seitdem hat sich die Forschung rund um die Darmgesundheit rasant entwickelt und mittlerweile wissen wir, dass uns immer mehr der „guten“ Bakterien in unserer Darmflora verloren gehen. Das ist gefährlich, weil für Darmbakterien gilt: Je geringer die Anzahl der Mikroorganismen in unserem Darm, desto anfälliger werden wir für Krankheiten. Viele Volksleiden und Autoimmunerkrankungen werden mit einer schwindenden Anzahl an Darmbakterien in Zusammenhang gebracht, darunter Übergewicht, Herz- und Gefäßerkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Chron oder Colitis ulcerosa, Rheuma, Allergien oder Alzheimer. Eine australische Übersichtstudie aus dem vergangenen Jahr legt beispielsweise nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen Darmerkrankungen und dem Entstehen von Alzheimer geben könnte. 


Einfluss auf die Gefühlswelt
 

Mit der Darmgesundheit hängen allerdings auch unsere Emotionen zusammen. Nicht umsonst benutzen wir Ausdrücke wie „Schmetterlinge im Bauch“ oder „Liebe geht durch den Magen“. Grund hierfür ist die sogenannte Darm-Hirn-Achse. Beide Organe sind über den Vagusnerv eng miteinander verbunden. Der wiederum ist der Hauptnerv des sogenannten Parasympathikus und für Ruhe, Erholung und Verdauung zuständig. Die Forschung ist mittlerweile so weit, dass sie einen Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und der Ausprägung depressiver Symptome herstellen konnte. Und eine ganz neue Studie von Forschern der kanadischen University of British Columbia legt die Vermutung nahe, dass die bakterielle Zusammensetzung der Darmflora von Säuglingen Einfluss auf die Entwicklung ihrer kognitiven Fähigkeiten hat. Von chinesischen Forschern wurden zudem gerade erste Studienergebnisse vorab veröffentlicht, die zeigen, dass Menschen, bei denen sich die Fusicatenibacter-Bakterien besonders wohlfühlen, eine höhere Intelligenz und ein größeres Hirnvolumen haben. Das könnte mit den wertvollen kurzkettigen Fettsäuen zusammenhängen, die diese Bakterien produzieren und damit die kognitiven Fähigkeiten stärken.


Bakterienvielfalt erhalten


Es ist also aus vielerlei Gründen ratsam, auf seine Darmgesundheit zu achten – und zwar nicht erst, wenn dieses so wichtige Organ mit Erkrankungen wie Reizdarm auf unseren modernen Lebenswandel reagiert. Denn Faktoren wie Stress, ungesunde Ernährung oder auch die vermehrte Einnahme von Antibiotika sorgen dafür, dass die Bakterienvielfalt im Darm abnimmt. Wer hingegen viele pflanzliche Lebensmittel und Vollkornprodukte in seinen Speiseplan integriert, macht das eigene Mikrobiom glücklich. Denn die Bakterien bevorzugen Lebensmittel mit einem hohen Ballaststoffgehalt. Auch fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut oder das fernöstliche Kimchi fördern die Darmgesundheit, weil während der Fermentationsprozesse Laktobazillen entstehen. Und auch kurzfristiges Fasten, das belegen mittlerweile einige Studien, hat einen positiven Einfluss auf das Darmmikrobiom. Gerade an Weihnachten darf’s also neben den Schokoladeschlachten auch mal ein Vollkornschnittchen sein!
 

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