Kampf gegen Leukämie

Innovationen im Bereich der Immuntherapie eröffnen neue Behandlungsoptionen.
Illustration: Jennifer van de Sandt
Illustration: Jennifer van de Sandt
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle gehört zu den prominentesten Opfern der Erkrankung. Er starb 2016 mit nur 54 Jahren an Leukämie, genauer gesagt an AML, akuter myeloischer Leukämie, die unbehandelt nach wenigen Wochen zum Tod führen kann. „Blutkrebs“ ist eine Diagnose, die der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge in Deutschland jährlich etwa 13.700 Menschen trifft. Doch inzwischen sind die Heilungschancen dank neuer Therapien deutlich gestiegen –  vorausgesetzt eben, die Krankheit wird rechtzeitig erkannt.


Blutzellen entwickeln sich durch Teilung und Reifung aus Stammzellen im Knochenmark. Bei einer Leukämie kommt es dabei zu Mutationen, sodass unreife weiße Blutkörperchen entstehen, die sich unkontrolliert vermehren und dadurch die normale Blutbildung verhindern. Schlagen Chemotherapie und Medikamente nicht genügend an, liegt die Hoffnung meist auf der Stammzelltransplantation, bei der gesunde Stammzellen per Infusion übertragen werden. Spender sind schwer zu finden, auch weil die Gewebemerkmale von Patient und Spender fast völlig übereinstimmen müssen. Gesucht wird eine Art „genetischer Zwilling“. Nach Angaben der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) stieg die Spendenbereitschaft kurz nach dem Tod von Westerwelle stark an und ist jetzt zu Corona-Zeiten wieder rückläufig.


Risikolos verläuft eine Stammzellentherapie leider nicht. Zunächst soll eine starke Strahlen- und Chemotherapie kranke Zellen vernichten. Dabei werden auch gesunde Immunzellen zerstört, sodass für die Patienten anschließend jede Infektion lebensbedrohlich werden kann. Eine weitere Gefahr liegt darin, dass der Körper die neuen Zellen nicht akzeptiert. Nach einer gelungenen Transplantation, bei der auch Immunzellen des Spenders übertragen wurden, beginnen die neuen Zellen dann schon nach wenigen Wochen, gesunde Blutzellen zu bilden.


Hoffnungsvoll stimmen die Entwicklungen in der Immuntherapie. Menschliche Immunzellen sind mit sogenannten T-Zell-Rezeptoren ausgestattet, die auf Antigene reagieren, auf Strukturen, die nur an fremden Zellen wahrnehmbar sind. Haben sie solche Eindringlinge entdeckt, mobilisieren sie die Abwehr, um diese Zellen zu zerstören. Körpereigenes Gewebe greifen sie normalerweise nicht an. Krebszellen besitzen zwar ebenfalls Antigene, können diese aber so gut tarnen, dass sie dem Radar der T-Zellen entgehen und sich ungestört vermehren. Neu ist die Möglichkeit, Immunzellen außerhalb des Körpers – „im Reagenzglas“ – für die Abwehr von Krebszellen fit zu machen. Bei der CAR (chimeric antigen receptor) -T-Zelltherapie werden T-Zellen des Patienten auf diese Weise genetisch behandelt und dann wieder eingesetzt, um Krebszellen im Körper des Patienten zu zerstören. Leider besteht auch hier die Gefahr von Nebenwirkungen wie etwa einem „Zytokinsturm“, einer lebensbedrohlichen Entzündungsreaktion.


In der EU sind seit 2018 Medikamente zugelassen, die CAR-T-Zellen gegen spezielle Arten von Leukämie einsetzen. Für Patienten mit AML sind solche Therapien allerdings noch in der Entwicklung.

Nächster Artikel
Medizin
Februar 2024
Illustration: Sascha Duevel
Redaktion

Mehr Wissen

Die Digitalisierung eröffnet neue Wege in Sachen Diagnostik und Umgang mit Seltenen Erkrankungen.

Medizin
Oktober 2023
Hristo Boyadzhiev, Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie, Palliativmediziner
Beitrag

Ins Leben zurückkehren

Brustkrebs ist für die betroffenen Frauen oft ein Schock – welche Hilfe sie in der Kasseler Habichtswald Reha-Klinik finden, erklärt Chefarzt Hristo Boyadzhiev.