Leben mit Krebs

Ich bin 51 Jahre und habe Darmkrebs. Ich weiß jetzt, dass es erblich ist und was es bedeutet. Ich weiß auch, dass es meine Kinder nicht geerbt haben.

Prof. Dr. med. Dipl.-Chem. Elke Holinski- Feder ist Geschäftsführerin und Fachärztin  für Humangenetik im MGZ – Medizinisch Genetisches Zentrum München.
Prof. Dr. med. Dipl.-Chem. Elke Holinski- Feder ist Geschäftsführerin und Fachärztin für Humangenetik im MGZ – Medizinisch Genetisches Zentrum München.
MGZ – Medizinisch Genetisches Zentrum München Beitrag

In manchen Familien treten mehr Krebserkrankungen auf als in anderen, manchmal auch schon im relativ jungen Erwachsenenalter. In der medizinischen Betreuung wird das leider noch viel zu selten thematisiert, erfreulicherweise aber doch immer häufiger — denn Krebs kann erblich sein.

Aber was spricht für eine erbliche Tumorerkrankung, was kann man tun und an wen kann man sich wenden? Ein erster Hinweis ist die Familienanamnese, ist z. B. in der Familie eine Krebserkrankung vor dem 50. Lebensjahr aufgetreten oder sind mehrere Familienmitglieder nach dem 50. Lebensjahr an Krebs erkrankt, kann das ein Hinweis sein. Ein Facharzt für erbliche Erkrankungen, der Facharzt für Humangenetik, geht mit Patienten die Familiengeschichte durch, schätzt das Risiko ein und veranlasst ggf. eine genetische Diagnostik. Ein sog. genetisches Beratungsgespräch ist also ein Gespräch zur informierten Entscheidung: Besteht eine Risikoerhöhung, brauche ich eine intensivierte Früherkennung, ist eine genetische Diagnostik sinnvoll? Dieses Gespräch können erkrankte Personen aus der Familie aber auch Gesunde in Anspruch nehmen.

Insgesamt sind aktuell über 100 Gene bekannt, in denen genetische Veränderungen mit einem erhöhten Tumorrisiko assoziiert sind. Die Gene BRCA1 und BRCA2, die bei Frauen mit einer Risikoerhöhung für Brust- und Eierstockkarzinome einhergehen, sind durch Angelina Jolie und ihren BRCA1-Gendefekt bekannt geworden. Grundsätzlich gibt es aber bei praktisch jeder Krebserkrankung, z. B. Darmkrebs immer auch einen Anteil von Patienten, die die Anlage zu dieser Erkrankung geerbt haben. 

Die Häufigkeit von Anlageträgern für eine Risikoerhöhung von Tumorerkrankungen ist mit ca. 2-3 % in der Allgemeinbevölkerung anzugeben. Das klingt viel, es muss jedoch berücksichtigt werden, dass je nach betroffenem Gen nur 20 % der Anlageträger, bei manchen Genen aber auch 80 % der Anlageträger im Laufe des Lebens eine Krebserkrankung entwickeln. 

Will man das wissen? Die genetische Prädisposition liegt ja unabhängig davon vor, ob man darum weiß oder nicht. Menschen, die dieses Wissen beunruhigen würde, fragen in der Regel nicht danach, diejenigen, die aber fragen, sollen eine Antwort bekommen. Wenn der Verdacht auf eine erbliche Krebserkrankung besteht, kann diese Diagnose durch eine genetische Analyse gesichert werden. Man weiß dann für welche Krebserkrankungen was für Risiken bestehen, ab welchem Alter die Krebserkrankungen auftreten können, welche Vorsorge- bzw. Früherkennungsuntersuchungen in Abhängigkeit vom Alter sinnvoll sind und welche speziell auf den Gendefekt ausgerichteten Therapien zur Verfügung stehen. Es ist daher sinnvoll die betroffenen Familien zu identifizieren, genetische Analysen zu veranlassen, um Risikopersonen zu erkennen und ihnen eine intensivierte Früherkennung zukommen zu lassen. Andererseits kann man durch die genetische Analyse auch diejenigen entlasten, die den Gendefekt nicht geerbt haben, somit keine Risikoerhöhung haben, keine intensivierten Vorsorge- bzw. Früherkennungsuntersuchungen benötigen und den Gendefekt, weil sie ihn ja selber nicht haben, auch nicht an die Nachkommen vererben können.  Früh erkannte Tumorerkrankungen haben in der Regel therapeutisch eine gute Prognose. Durch Früherkennung können vor allem auch bei jüngeren Menschen, die in vielerlei Hinsicht mitten im Leben stehen, fortgeschrittene Tumorerkrankungen verhindert und Leben gerettet werden.

www.mgz-muenchen.de
 

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