Auf Abwehr trainiert

Neue Ansätze in der Krebstherapie machen sich das körpereigene Immunsystem zunutze – indem es dabei unterstützt wird, Krebszellen zu erkennen und zu bekämpfen.

Illustration: Olga Aleksandrova
Illustration: Olga Aleksandrova
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Kann das Immunsystem so trainiert werden, dass es Krebszellen zerstört und körpereigenes Gewebe dabei weitgehend schont? Ja, das ist möglich, vorausgesetzt, das Immunsystem erkennt den Krebs. Tumorzellen entstehen aus körpereigenem Gewebe und weisen zum Teil ähnliche Merkmale auf wie dieses. Gleichzeitig besitzen sie Antigene, bestimmte Proteine auf der Zelloberfläche, über die Körperzellen nicht verfügen. Im Prinzip sind die Abwehrzellen dazu fähig, Antigene zu erkennen und als „fremd“ eingestufte Zellen zu zerstören. Allerdings können Krebszellen das Immunsystem auch täuschen, zum Beispiel indem sie keine erkennbaren Antigene tragen oder Signale aussenden, die die Aktivität der Abwehrzellen stoppen. Spezielle Medikamente, die „Immun-Checkpoint-Inhibitoren“, können als Antikörper die Blockierung der Immunzellen lösen. Sie lockern damit eine Bremse, die im gesunden Körper überschießende Reaktionen des Immunsystems verhindert. 

Weniger Nebenwirkungen

Zugelassene Checkpoint-Inhibitoren gibt es unter anderem für Lungenkrebs, Blasenkrebs, Nierenzellkrebs, Darmkrebs, Magenkrebs, Speiseröhrenkrebs und das Hodgkin-Lymphom. Sie haben meist eher milde Nebenwirkungen. Reagiert das Immunsystem jedoch aufgrund der medikamentös gelockerten Bremse zu stark, kann es zu Fieber, Ausschlägen oder Entzündungen des Darms und der Nieren kommen. Patienten und Patientinnen müssen die Therapie manchmal sogar abbrechen. Seit 2017 sind CAR-T-Zell-Therapien zugelassen. Hier wird die Oberfläche von T-Abwehrzellen des Patienten oder der Patientin mit einem im Labor entwickelten Antigenrezeptor (CAR) versehen, durch den sie Tumorzellen an ihrer spezifischen Oberfläche erkennen können. Die CAR-T-Zellen werden vermehrt und nach einer vorbereitenden Chemotherapie über eine Infusion verabreicht. Erfolge zeigten sich vor allem bei fortgeschrittenen Lymphomen und bei Blutkrebs. 

Hoffnung mRNA-Impfstoffe

Eine Immuntherapie, auf die Forschende große Hoffnung setzen, ist die Impfung mit Messenger Ribonucleic Acid (mRNA)-Impfstoffen. Zuerst werden hierfür die zu Krebszellen mutierten Körperzellen untersucht, bis die Erbinformationen bekannt sind, die dem Körper den Bauplan für die Antigene, die spezifischen Eiweiße an der Oberfläche der Krebszellen liefern können. Diese Gene werden in Boten-RNA verpackt und über den Impfstoff verabreicht. Der Körper baut darauf hin die Krebsantigene nach. In dieser Form kann das Immunsystem sie jetzt erkennen und lernt über den Umweg, die Eiweiße an der Oberfläche der Tumorzellen ebenfalls wahrzunehmen und zu bekämpfen. Etliche Anbieter von Corona-Vakzinen arbeiten an der Entwicklung von Impfstoffen gegen verschiedene Krebsarten, die in wenigen Jahren vielleicht schon eingesetzt werden können. Für die Impfungen spricht, dass sie das Körpergewebe schonen und auch sonst weniger Nebenwirkungen haben als Strahlen- oder Chemotherapie. Außerdem erkennt die Immunabwehr anschließend sogar Krebszellen, die sich nach einer Operation oder Folgebehandlungen noch im Körper befinden oder neu bilden. Das Risiko der Metastasenbildung verringert sich und somit das Risiko, dass die Krebserkrankung zurückkehrt. 
 

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