Bevor es zu spät ist

Je früher eine Krebserkrankung erkannt wird, desto besser sind die Chancen auf Heilung. Neben klassischen Untersuchungsmethoden hilft heute innovative Diagnostik, Tumore aufzuspüren.

illustration: Josephine Warfelmann
illustration: Josephine Warfelmann
Jost Burger Redaktion

Eines der tückischsten Merkmale von Krebserkrankungen ist, dass sie im Anfangsstadium oft keine für die Betroffenen wahrnehmbare Symptome zeigen. Doch je früher ein bösartiger Tumor oder seine Vorformen entdeckt werden, desto besser sind die Chancen auf eine schonende und erfolgsversprechende Behandlung. Zumal über die Zeit die Gefahr steigt, dass der Krebs Metastasen bildet, also auch andere Stellen des Körpers befällt. Deshalb kommt der Früherkennung von Krebserkrankungen so eine große Bedeutung zu.

Hierbei kommt eine große Bandbreite an Methoden zum Einsatz. Sie reichen von der manuellen Abtastung und der visuellen Untersuchung über bildgebende Verfahren wie CT oder MRT, der Untersuchung von Gewebeproben bis hin zu Untersuchungen auf Biomarker, die sich im Blut oder in Körperausscheidungen finden. Auch die Testung auf bestimmte Genmutationen gehört mittlerweile zum eingesetzten Instrumentarium.

Risiko von Fehldiagnosen

Grundsätzlich gilt: Noch gibt es keine Methode, die eine bestimmte Krebsart mit hundertprozentiger Sicherheit aufspüren kann. Immer besteht die Gefahr, dass ein Krebs oder seine Vorform nicht erkannt wird (falsch negatives Ergebnis) oder aber eine Diagnose zunächst zu Unrecht gestellt wird (falsch positives Ergebnis). Zudem gibt es auch den Fall der Überdiagnose. Er ist zum Beispiel dann gegeben, wenn ein Tumor bei Menschen in höherem Alter entdeckt und behandelt wird, der die Betroffenen in den wenigen verbleibenden Jahren wenig oder gar nicht eingeschränkt hätte. Die Folgen eines falsch negativen Ergebnisses liegen auf der Hand; die Folgen einer falsch positiven Diagnose können bis zur endgültigen Abklärung zu erheblichen psychischen Belastungen führen. Im Fall einer Überdiagnose leiden die Betroffenen unter den Folgen einer Behandlung, die gar nicht nötig gewesen wäre.

Früherkennungsprogramme und -methoden müssen sich deshalb immer der Frage nach der Effektivität und des persönlichen Erkrankungsrisikos stellen. Zudem gilt, dass ein Anfangsverdacht immer durch weitere Untersuchungen abgeklärt werden muss. Für die häufigsten Krebsarten haben sich dabei Früherkennungsmethoden durchgesetzt, die zum Teil in breitangelegten Screening-Verfahren umgesetzt werden.

Die klassischen Untersuchungen zur Früherkennung

Frauen ab 30 Jahren steht von Kassenseite einmal pro Jahr eine Tastuntersuchung der Brust zu. Frauen zwischen 50 und 69 werden alle zwei Jahre im Rahmen des Brustkrebs-Screenings zur Mammographie, also der Röntgenuntersuchung der Brust, eingeladen. Auch diese Kosten übernehmen die Kassen. Bei der Mutation bestimmter Gene – allen voran der sogenannten BRCA1- und BRCA2-Gene – besteht unter anderem ein erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Die Untersuchung auf die Mutation wird von den Kassen nur bei einer familiären Häufung dieser Erkrankungen übernommen.

Illustration: Josephine Warfelmann
Illustration: Josephine Warfelmann

Um Darmkrebs oder seine Vorformen zu erkennen, wird eine Darmspiegelung (Koloskopie) vorgenommen. Dabei wird in den zuvor entleerten Darm unter leichter Narkose über ein Endoskop eine Optik eingebracht, die den Dickdarm auf Veränderungen, zum Beispiel Polypen, oder bereits bestehende Tumoren untersucht. Über das Endoskop können Polypen entfernt oder verdächtige Gewebeproben zur weiteren Untersuchung entnommen werden. Eine Koloskopie steht Männern ab 50 Jahren, Frauen ab 55 Jahren zu. Ist der erste Befund unauffällig, ist eine weitere Untersuchung in der Regel erst zehn Jahre später nötig – mehr als zwei Vorsorgeuntersuchungen bezahlen die gesetzlichen Kassen auch nicht; wer sich erst im Alter von 65 oder später untersuchen lässt, hat nur Anspruch auf eine Koloskopie. Einmal im Jahr besteht zudem Anspruch auf einen Stuhlbluttest. Hierbei wird der Stuhl auf verstecktes Blut untersucht, das von Vorformen oder bestehenden Darmtumoren stammen kann. Findet sich Blut im Stuhl, muss eine Darmspiegelung zur weiteren Abklärung erfolgen.

Gebärmutterhalskrebs und Prostata

Gebärmutterhalskrebs wird fast immer durch die sogenannten Humanen Papilloma-Viren (HPV) verursacht. Sie werden beim Geschlechtsverkehr übertragen. Seit 2020 besteht ein Screening-Programm, zu dem Frauen zwischen 20 und 34 Jahren von den Krankenkassen einmal im Jahr eingeladen werden. Mit einem sogenannten PAP-Test wird dabei das Gewebe auf Zellveränderungen untersucht. Ab 35 können sich Frauen zusätzlich alle drei Jahre auf eine Infektion mit HPV-Viren untersuchen lassen.

Ab 45 Jahren steht Männern einmal im Jahr eine Tastuntersuchung der Prostata zu. Ergibt sich der Verdacht auf eine Erkrankung, wird eine Gewebeprobe zur weiteren Untersuchung entnommen. Im Zusammenhang mit Prostatakrebs fällt häufig der PSA-Wert. PSA ist ein Protein, das fast ausschließlich von der Prostata erzeugt und ins Blut abgegeben wird. Tumorzellen in der Prostata können zu erhöhtem Ausstoß führen. Jedoch sind erhöhte PSA-Werte an sich noch kein hinreichender Hinweis auf Krebs, weswegen die vorsorgliche Untersuchung des Wertes nicht von der Kasse übernommen wird.

Männern und Frauen ab 35 Jahren steht alle zwei Jahre eine Untersuchung auf Hautkrebs zu. Dabei untersucht die Ärztin oder der Arzt die gesamte Hautoberfläche auf Veränderungen der Haut, die auf ein sogenanntes Melanom hinweisen. Bei einem Verdacht kann die betreffende Stelle vorsorglich bei lokaler Betäubung entfernt werden, oder es wird eine Gewebeprobe zur weiteren Abklärung entnommen.

Neue Bluttests machen Hoffnung

Aufsehen erregten in jüngster Zeit innovative Tests, die Blutproben auf Hinweise auf ein breites Spektrum von Krebserkrankungen hin untersuchen. So sollen auch Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs oder Lungenkrebs frühzeitig erkannt werden, die bislang in der Regel sehr spät diagnostiziert werden. Der in den USA entwickelte Galleri-Test sucht beispielsweise im Blut nach Spuren der DNA von bösartigen Tumoren. Schlägt er an, müssen weiterführende Untersuchungen erfolgen. Der Galleri-Test ist allerdings in Deutschland noch nicht zugelassen – im Gegensatz zu einem hierzulande entwickelten Test, der bestimmte Zellen des Immunsystems auf Spuren von Proteinen untersucht, die Krebszellen ganz unterschiedlicher Art produzieren. Studien konnten zeigen, dass er Verdachtsfälle für viele verschiedene Krebsarten zuverlässiger aufspürt als der DNA-Test.

Die innovativen Bluttests können eine neue Ära der Krebsfrüherkennung einleiten. Was zählt, ist die Kombination mit zusätzlichen Untersuchungen, um eine eindeutige Diagnose frühzeitig stellen zu können – und so die Chancen auf eine Heilung zu erhöhen.

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