Exzellenz hat einen langen Atem

Zwei gegen den Lungenkrebs: Dr. Wolfgang Gesierich und Prof. Dr. Niels Reinmuth von der Asklepios Lungenklinik Gauting berichten über Durchbrüche in Diagnostik und Therapie.

Prof. Dr. Niels Reinmuth (links) und Dr. Wolfgang Gesierich (rechts)
Prof. Dr. Niels Reinmuth (links) und Dr. Wolfgang Gesierich (rechts)
ASKLEPIOS LUNGENKLINIK GAUTING Beitrag

Herr Dr. Gesierich, Herr Prof. Dr. Reinmuth: Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum erkranken hierzulande jährlich rund 57.000 Menschen an Lungenkrebs; bei Frauen ist er die dritthäufigste Krebsart, bei Männern die zweithäufigste – was sind die Ursachen?
W.G.: Die drei Hauptgründe für das Lungenkarzinom sind erstens Rauchen, zweitens Rauchen, drittens Rauchen. Gefährlich ist auch die Belastung durch Passivrauchen und Feinstaub in der Luft sowie Radon – ein radioaktives Gas, das aus natürlichem Uran im Boden entsteht und sich in Gebäuden ansammeln kann.

Gibt es Symptome, die nahelegen, sich auf Lungenkrebs untersuchen zu lassen?
W.G.: Das dramatischste Warnzeichen ist blutiger Husten, dem muss man unbedingt auf den Grund gehen. Aber auch Atemnot, chronischer Hustenreiz oder Schmerzen im Brustbereich können Hinweise sein.
N.R.: Fatalerweise sind sie typisch für ein sehr weit fortgeschrittenes Tumorstadium. Die Situation gefährdet die Patient:innen akut, und wenn wir nicht rasch handeln, werden sie in der Regel nur noch ein paar Monate leben.
W.G.: Lungenkrebs entwickelt sich oft über Jahre hinweg unbemerkt. Tumoren, die wir früh entdecken, sind meist Zufallsbefunde im Rahmen einer anderen Symptomatik und Diagnostik.

Wie unterscheiden sich Arten und Stadien von Lungenkrebs?
N.R.: Grundsätzlich wird unterschieden zwischen kleinzelligem und nicht-kleinzelligem Krebs, mit verschiedenen Unterformen. Doch mittlerweile wird immer deutlicher, dass noch viel mehr Varianten existieren – Lungenkrebs als homogene Erkrankung gibt es nicht. Was die Stadien angeht, differenziert man zwischen einem frühen, einem lokal fortgeschrittenen und einem metastasierenden Stadium.

Welche Möglichkeiten gibt es, um zu klären, welche Art von Lungenkrebs vorliegt?
W.G.: Die mit Abstand wichtigste Methode der Diagnostik ist die Bronchoskopie, die Lungenspiegelung. In diesem Bereich hat es in den vergangenen Jahren enorme technische Fortschritte gegeben. Die großen zentralen Atemwege wie Luftröhre und Hauptbronchien zu betrachten, ist noch die einfachste Übung – aber die Tumoren sitzen tief in der Lunge. Dafür stehen uns jetzt ultradünne, sehr bewegliche Bronchoskope mit einer Spitze von drei Millimetern zur Verfügung, mit denen wir in die feinsten Verästelungen des Bronchialbaums vordringen. Durch das Instrument geschobene Ultraschallsonden können auf der Suche nach dem Tumorherd noch entlegenere Bereiche abtasten. Zusätzliche Hilfen sind elektromagnetische Navigation und virtuelle Lungenspiegelung am PC zur Vorbereitung.

Welche Fortschritte in der Diagnostik erwarten Sie für die Zukunft?
W.G.: Unter anderem noch dünnere Bronchoskope, noch bessere Navigationsgeräte. Die Roboterchirurgie ist etabliert, aber jetzt gibt es auch Bronchoskopieroboter, die per Joystick gesteuert werden und die Bewegungen der Hand in feinste Bewegungen übersetzen. Es gibt auch die Idee, den Bronchialbaum zu verlassen und einen Tunnel durch das Lungengewebe zu schaffen zu Bereichen, die nicht durch einen großen Bronchus zugänglich sind. Allerdings steht auch die Frage der Finanzierung im Raum, denn diese Methoden sind teuer, und eine Rückvergütung gibt es bis jetzt nicht.

Bedingen die unterschiedlichen Krebsformen und -stadien auch unterschiedliche Therapien?
N.R.: Natürlich. Beispielsweise sind kleinzellige Tumoren meist  aggressiver als nicht-kleinzellige, entsprechend variieren die Vorgehensweisen in puncto Medikamente, Chemotherapie oder Immuntherapeutika. Darum müssen wir den Tumor erst genau analysieren, bevor wir einen Therapieplan erstellen können. Das wird gerade 2023 wichtiger, weil sich neue Therapiezulassungen abzeichnen, die unser Vorgehen ändern werden.

Welche Therapien meinen Sie damit?
N.R.: Eine Zulassung von Immuntherapien in einem frühen Tumorstadium. Immuntherapie bedeutet, sehr knapp ausgedrückt, das Immunsystem der Patient:innen so zu unterstützen, dass es Tumorzellen besser erkennt und zerstört.

Welchen Vorteil bietet die zu erwartende Zulassung?
N.R.: Im frühesten Lungenkrebsstadium findet man im besten Fall einen kleinen Tumorknoten. Wenn es keinerlei Hinweise auf Metastasen gibt, können wir diesen Knoten entfernen. Zudem gibt es die Optionen Strahlentherapie und systemische Therapie, das war bis jetzt ausschließlich eine Chemotherapie – mit der Immuntherapie haben wir dann einen zusätzlichen Pfeil im Köcher. Auch im lokal fortgeschrittenen Stadium, in der Regel dem dritten, kommt diese Kombination in Frage.

Welche Therapiemöglichkeiten stehen Ihnen sonst noch zur Verfügung?
N.R.: In unserer Klinik, der Asklepios Lungenklinik Gauting steht der maximal individuelle und best wirksamste Therapieansatz im Mittelpunkt. Die sogenannte zielgerichtete Therapie, das sind Medikamente, die sich spezifisch gegen eine Genveränderung im Tumor richten. Auch dort gibt es erhebliche Fortschritte, denn wir kennen immer mehr Genveränderungen, die sich angehen lassen. Die Medikamente können den Krebs zwar nicht heilen, aber sie können den Tumor kontrollieren und werden besser vertragen – sodass es heute Patient:innen mit einem Tumor im metastasierenden Stadium gibt, die mit dieser medikamentösen Dauertherapie ein normales Leben führen und noch jahrelang leben.

Wird es in Zukunft vielleicht sogar eine Behandlung geben, die Tumoren ganz ausmerzt?
N.R.: Darauf gibt es keine zuverlässige Antwort. Wir sehen allerdings, dass manche Patient:innen auf die Immuntherapie extrem lang und gut ansprechen. Teilweise so gut, dass wir keinen Tumor mehr finden. Aber wir wissen nicht, ob es sich um eine echte Heilung handelt oder ob wir bloß nichts sehen. Dafür sind diese Therapien noch zu wenig erforscht. Immerhin ist der Studienzeitraum, den wir auswerten können, auf bis zu sieben Jahren angewachsen. Früher hatten wir Daten aus zwei Jahren – dann waren die meisten Patient:innen bereits verstorben.

Welche Ziele kann eine Therapie je nach Tumorstadium und Allgemeinzustand der Patient:innen haben?
N.R.: Im frühen Stadium die Heilung. Im mittleren die Lebenszeitverlängerung und eine gewisse Heilungschance. Im letzten die Verbesserung der Lebensqualität – durch die Erfolge der vergangenen Jahre kommt hier die Verlängerung der Lebenszeit hinzu.

Welche Rolle spielen die Patient:innen bei der Therapiewahl?
N.R.: Die wichtigste. Sie entscheiden über das Ziel: ob maximale Möglichkeit der Lebenszeitverlängerung mit entsprechend stärkerem Therapieansatz oder eher Abhilfe bei den Symptomen, ohne eine lange Behandlung aushalten zu müssen. Während der Therapie müssen wir uns ständig hinterfragen, ob wir das erreichen, was die Patient:innen wollen, und gegebenenfalls die Behandlung anpassen.

Was zeichnet die Asklepios Lungenklinik Gauting besonders aus?
W.G.: Unser Alleinstellungsmerkmal ist das Gesamtkonzept, die Zentrumsbildung: Wir haben in allen Bereichen Spezialist:innen, die sich ausschließlich auf die Lunge konzentrieren – von Radiologie, Diagnostik, Bronchoskopie, Onkologie und Chirurgie bis zur Pathologie.
N.R.: Wir sind ein zertifiziertes Lungenkrebszentrum, eine der wenigen Lungenkrebs-Spezialkliniken in Deutschland, und messen uns an der internationalen Spitze. Durch klinische Studien sind wir an allen neuen Therapien beteiligt und kooperieren mit Universitäten, die in der Grundlagenforschung arbeiten. Wir sind exzellent, was Schnelligkeit und Präzision angeht.

www.asklepios.com/gauting

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