Technik für die Pumpe

OP-Roboter, kabellose Herzschrittmacher, Herzgewebe aus dem 3D-Drucker: Innovative Medizintechnik hilft, herzkranke Menschen zu behandeln  – und sorgt immer öfter dafür, dass der Ernstfall gar nicht erst eintritt.

Illustration: Lara Paulussen
Illustration: Lara Paulussen
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Rund 75.000 Herzschrittmacher werden in Deutschland jedes Jahr implantiert. Wenn das Herz zu langsam schlägt oder bei lebensgefährlichen Asystolien, also wenn die elektrische und mechanische Herzreaktion aussetzt, sind Herzschrittmacher seit langem die Therapie der Wahl. Herkömmliche Systeme bestehen aus einem implantierten Aggregat, in etwa so groß wie eine Streichholzschachtel, das eine Batterie sowie die komplette Elektronik enthält. Feine Elektrodenkabel stellen die Verbindung zum Herzmuskel her. Doch so segensreich die Geräte sind, können nach der Implantation auch Komplikationen auftreten, etwa Wundheilungsstörungen, Infektionen, Blutergüsse oder Elektrodenbrüchen. Abhilfe versprechen Herzschrittmacher der neuen Generation: kleine, kabellos funktionierende Kapseln, die über einen Katheter minimalinvasiv direkt in die Herzkammer vorgeschoben werden. Mit winzigen Titanärmchen in der Herzwand befestigt, geben sie dort ihre Impulse ab. Nach dem Eingriff bleiben sie von außen unsichtbar. Die kabellosen Systeme ersparen Patientinnen und Patienten schon während der Operation Schmerzen und Risiken und erhöhen ihre Sicherheit auch danach beträchtlich. Seit Anfang 2022 gibt es dazu aussagekräftige Daten. Im Rahmen einer Studie wurden zwei Jahre lang mehr als 15.000 Patientinnen und Patienten begleitet. Im Ergebnis zeigte sich: Kabellose Schrittmacher schnitten statistisch besser ab als konventionelle Systeme. „Leadless Pacing“ war mit einer um 38 Prozent niedrigeren Reinterventionsrate sowie einer um 31 Prozent reduzierten Komplikationsrate assoziiert, erklärte Professorin Birgit Aßmus vom Universitätsklinikum Gießen bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim. Dennoch sind in Deutschland von den erwähnten rund 75.000 Herzschrittmachern, die jährlich neu implantiert werden, gerade einmal 500 kabellos, was auch an den augenblicklich noch vergleichsweise höheren Kosten liegen mag und daran, dass die Geräte nicht bei allen Herzrhythmusstörungen geeignet sind.


Home-Monitoring verbessert Überlebenschancen

Tendenziell werden Komponenten oder Implantate zur Behandlung von Herzerkrankungen immer kleiner. Gleichzeitig erfüllen sie immer vielfältigere Funktionen, zum Beispiel die Erfassung und Übertragung von Daten. Defibrillatoren etwa beenden durch Stromimpulse schwerwiegende Herzrhythmusstörungen und normalisieren einen zu schnellen Herzschlag. Moderne Geräte können inzwischen – ebenso wie spezielle Geräte zur kardialen Resynchronisation, die den Herzmuskel beim Zusammenziehen unterstützen – über kleinste Sensoren Daten zur Veränderung des Herzrhythmus oder anderer Werte regelmäßig per Datenfunk an die behandelnden Kardiolog:innen senden. Dieses sogenannte Home Monitoring erfasst und analysiert somit Daten, die wichtig sind, um sowohl implantats- als auch gesundheitsbezogene Ereignisse früh zu erkennen. Einer Studie zufolge konnte das Sterberisiko von Menschen mit einem implantierbaren Kardioverter-Defibrillator nach einem Jahr um 38 Prozent gesenkt werden, wenn der Gesundheitszustand der Patienten zusätzlich per Home Monitoring überwacht wurde. Gleichzeitig sank das Risiko, dass Erkrankte wegen einer sich verschlechternden Herzinsuffizienz in die Klinik eingewiesen werden mussten, um 36 Prozent. Auch Smartwatches oder Fitnessarmbänder können mit Hilfe entsprechender Apps mittlerweile Herzrhythmusstörungen und Vorhofflimmern erkennen und die Daten unmittelbar an die behandelnden Ärzt:innen weiterleiten, allerdings ohne dabei Konsultation und Diagnose zu ersetzen.

Illustration: Lara Paulussen
Illustration: Lara Paulussen

Roboter im OP

In den westlichen Industrienationen zählt die koronare Herzkrankheit zu den Volkskrankheiten. Ursache sind verengte Herzkranzgefäße. Folgen wie zum Beispiel Herzinfarkte gehören in Deutschland auch heute noch zu den häufigsten Todesursachen. Als Therapie hat sich der operative Einsatz von Gefäßstützen, also Stents, bewährt, um die verengten Herzkranzgefäße nachhaltig offenzuhalten. Sie werden mithilfe eines Katheters ins Gefäß gebracht. Allerdings ist der Eingriff für Patientinnen und Patienten auch mit Risiken verbunden. Dazu zählen zum Beispiel Reststenosen, also übersehene Verengungen des betroffenen Blutgefäßes, aber auch die Strahlenbelastung, denn die OP wird per Röntgengerät überwacht. Der Strahlenbelastung sind zudem auch die Ärzt:innen im OP ausgesetzt, was durch das Tragen schwerer Bleischürzen verhindert werden soll. Als erste Klinik in Deutschland hat das Universitätsklinikum Gießen nun für eine Stentoperation als Assistenz ein Robotersystem eingesetzt. In einer Studie dazu beurteilten die Mediziner:innen die Leistungen des Robotersystems in 97,5 Prozent der Fälle als gleichwertig oder sogar besser als das herkömmliche Verfahren. Und weil beim Einsatz eines Roboter-Assistenten die Operateur:innen weiter entfernt vom OP-Tisch stehen, reduzierte sich ihre Strahlenbelastung um 97 Prozent im Vergleich zum konventionellen Eingriff. Patient:innen wiederum profitierten vor allem davon, dass das Robotersystem eine genauere Positionierung der Stents erlaubte, was das Ergebnis des Eingriffs verbesserte und unter anderem das Risiko von Reststenosen verringert. Für die Zukunft könnten Robotersysteme helfen, noch komplexere Eingriffe routinemäßig durchzuführen, zum Beispiel bei Mehrgefäßerkrankungen.

Herz aus dem 3D-Drucker

Ein Zukunftsthema für die Medizintechnik ist die Herstellung von Organen aus Biotinten mit lebenden Zellen und mit Hilfe eines speziellen 3D-Druckers. An der Universität von Tel Aviv in Israel wurde vor gut zwei Jahren erstmals ein Miniaturherz auf diesem Wege hergestellt. Der Prototyp besteht aus spezifischen Zellen des Patienten oder der Patientin und weiteren biologischen Substanzen wie zum Beispiel Zucker und Proteinen, die zu „Bio-Ink“ für den 3D-Druck von Gewebemodellen verarbeitet werden können. Das kirschgroße Miniherz verfügte erstmals über Zellen und Blutgefäße, besaß aber noch keine Pumpfunktion. Da es aus körpereigenem Gewebe hergestellt wird, wäre das Risiko, dass es bei einer Transplantation abgestoßen wird, wahrscheinlich relativ gering, sollte das Verfahren einmal ausgereift sein und zum Einsatz kommen.

 

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