Forschung mit Herzblut

Schon immer machten sich die Menschen Gedanken über die Funktion von Herz und Kreislauf. Die Geschichte der Kardiologie ist auch eine Geschichte des medizinischen Fortschritts – eine Geschichte, die noch lange nicht auserzählt ist.

Illustration: Maria-Isabel Werner
Illustration: Maria-Isabel Werner
Jost Burger Redaktion

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören weltweit zu den größten gesundheitlichen Herausforderungen, sie gelten als moderne Volkskrankheiten, verursacht durch einen ungünstigen Lebenswandel. Untersuchungen an ägyptischen Mumien haben allerdings gezeigt, dass Menschen schon vor 3500 Jahren an Arteriosklerose litten, ihre Arterien also durch Ablagerungen verstopft waren, die unter anderem zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können. Vielleicht bekamen die Betroffenen von ihrem Arzt den Rat, weniger Hirsebier zu trinken und ab und zu mal einen Spaziergang um die Pyramide zu machen. Denn die Forschung geht davon aus, dass tendenziell eher wohlhabende Ägypter mumifiziert wurden – und die pflegten schon damals womöglich einen Lebensstil, der Gefäßverkalkungen beförderte. Zwar können auch nichtbeeinflussbare Faktoren Herz-Kreislauf-Erkrankungen Vorschub leisten, etwa Fettstoffwechselerkrankungen oder durch Viren hervorgerufene Entzündungen des Herzmuskels. Doch dass äußere Faktoren wie Rauchen, Übergewicht oder mangelnde Bewegung zu entscheidenden Risikofaktoren gehören, bestreitet niemand. Experten fordern deshalb immer wieder vermehrte Anstrengungen in der Prävention – und mehr Gelder für die weitere Erforschung von Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
 

Vom Seelensitz zum Blutkreislauf
 

Dabei ist die Kardiologie auf Grund ihrer großen Bandbreite bereits eines der am intensivsten beforschten Bereiche der Medizin, und das nicht erst seit gestern. Schon immer machten sich Menschen Gedanken über die Funktion des Herzens und der Gefäße, beschrieben Diagnose- und Therapieansätze und setzten dabei auch auf den technischen Fortschritt – in unseren Tagen etwa die Digitalisierung. Was hätte Aristoteles wohl zu einer modernen Kardiologiestation gesagt? Er war der Ansicht, das Herz sei der Sitz der Seele und beeinflusse durch seine Kontraktionen unsere Emotionen. Galen dagegen, einer der berühmtesten Ärzte der Antike, der um 200 nach Christus in Rom starb, war die Funktion des Herzens bei der Blutverteilung und der Sauerstoffversorgung zwar klar – seiner Ansicht nach „verbrauchte“ sich das Blut aber im Körper.

Dass das Blut in einem geschlossenen Kreislaufsystem zirkuliert und Venen und Arterien miteinander verbunden sind, erkannte erst der englische Arzt und Anatom William Harvey (1578 – 1657). Seine „Anatomische Abhandlung über die Bewegung des Herzens und des Blutes in Tieren“, erstmals im Jahr 1628 veröffentlicht, gilt als Meilenstein in der Geschichte der Medizin und der Kardiologie. Ebenfalls im 17. Jahrhundert wurden erste Instrumente zur Messung des Blutdrucks entwickelt, die eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung der Kardiologie darstellten. Das 18. Jahrhundert sah die Auskultation, also das Abhören von Herzgeräuschen mithilfe eines Stethoskops, als diagnostisches Verfahren. Die Blutdruckmessung mittels einer Manschette wurde um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert entwickelt.

 

Illustration: Maria-Isabel Werner
Illustration: Maria-Isabel Werner

Rasante Entwicklung


Im 20. Jahrhundert wurde der Fortschritt immer rasanter. 1903 erfand der Holländer Willem Einthoven die Technik des EKG. 1929 schob sich der Deutsche Werner Forßmann einen Katheter durch seine Armvene in den rechten Vorhof. Zusammen mit anderen schuf er damit die Grundlage für den diagnostischen und später therapeutischen Einsatz von Kathetern. Mit ihrer Hilfe werden heutzutage zum Beispiel künstliche Herzklappen eingebracht. Die Einführung der Echokardiographie in den 1950ern ermöglichte erstmals die bildliche Darstellung des Herzens und seiner Funktionen. In den 1960er Jahren wurde die Koronarangiographie entwickelt. Sie erlaubt es, Verengungen und Verschlüsse der Herzkranzgefäße zu diagnostizieren und gezielt zu behandeln. 1958 wurde der erste Herzschrittmacher, 1961 die erste künstliche Herzklappe implantiert. 1967 erfolgten sowohl erstmals die Verlegung eines Bypasses wie auch die Transplantation eines Herzens. In den 1970er Jahren folgte die Einführung der Ballondilatation, bei der mit Hilfe eines Ballons verengte Herzkranzgefäße geweitet werden können. Stents werden seit Ende der 1980er Jahre eingesetzt. Medikamente wie Betablocker, ACE-Hemmer und Statine (Cholesterinsenker) wurden zwischen den 1960er und den späten 1980er Jahren entwickelt. Mit einem Kunstherz überbrücken Ärzte im Deutschen Herzzentrum Berlin 1990 zum ersten Mal erfolgreich die Wartezeit auf ein Transplantat.

»Telemonitoring ist einer der bedeutendsten Trends in der Digitalisierung der Kardiologie.«

Herzmedikamente schließlich retten jährlich Millionen von Menschen das Leben. So entwickelte der britische Pharmakologe James Black 1964 den ersten Betablocker. Betablocker senken die Ruheherzfrequenz und damit den Blutdruck und werden zur Therapie gegen Bluthochdruck und koronare Herzkrankheit eingesetzt. Die Entdeckung der Wirkmechanismen von Betablockern gilt als eine der größten Leistungen der Medizin im 20. Jahrhundert. Seit den 1980er Jahren kommen bei Bluthochdruck und Herzinsuffizienz auch ACE-Hemmer zum Einsatz, ebenso wie Statine, die den Cholesterinpegel im Blut senken und so die Gefahr von Gefäßverkalkungen verringern. Betablocker, ACE-Hemmer und Statine gehören weltweit zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten.
 

Trend zur Digitalisierung



In den letzten Jahren hat die Digitalisierung auch in der Kardiologie Einzug gehalten. Moderne bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) oder die Computertomographie (CT) erlauben es, das Herz und seine Funktionen sehr detailliert darzustellen. Mit der 3D-Bildgebung können Ärztinnen und Ärzte das Herz aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und genauere Diagnosen stellen. Roboter werden zur Unterstützung von diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen eingesetzt, wie etwa bei der Durchführung einer Katheterablation von Herzrhythmusstörungen, also einer gezielten Verödung von Erregungsleitungen im Herzen. Der Roboter ermöglicht eine höhere Präzision und Genauigkeit bei der Platzierung des Katheters. Dabei führt der Roboter den Eingriff nicht selbst aus – vielmehr handelt es sich um extrem präzis arbeitende elektro-mechanische Instrumente, die von den Operierenden gesteuert werden.

Telemonitoring ist einer der bedeutendsten Trends in der Digitalisierung der Kardiologie. Hierbei werden Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz oder anderen Herzerkrankungen überwacht, auch wenn sie sich nicht in der Klinik befinden. Etwa mithilfe eines nur zentimeterlangen Implantats, das über dem Brustmuskel unter die Haut geschoben wird. Das Implantat zeichnet die Herzfunktion auf und sendet seine Daten nachts über eine kleine Sendestation, die neben dem Bett steht, an die behandelnde Klinik. Spezielle Software wertet die Daten aus. Erkennt sie ungewöhnliche Muster, meldet sie das an die Ärztin oder den Arzt. Diese nehmen dann Kontakt mit den Betroffenen auf. Solche Telemonitoringlösungen können zum Beispiel helfen, Schlaganfälle zu verhindern. Das Risiko für einen Schlaganfall steigt bei Menschen mit einer speziellen Form der Herzrhythmusstörung, dem Vorhofflimmern. Bei einem einmalig in der Klinik durchgeführten EKG wird es oft nicht entdeckt. Die Langzeitbeobachtung durch Telemonitoring löst dieses Problem. Auch mit Wearables, tragbaren Geräten wie Smartwatches oder Fitness-Trackern, können Herzfrequenz und andere Parameter überwacht werden. Einige dieser Geräte sind in der Lage, EKG-Aufzeichnungen zu erstellen und an Arzt oder Ärztin zu senden. KI-Technologien schließlich können dabei helfen, große Datenmengen schneller und genauer zu analysieren. In der Kardiologie können KI-Algorithmen dabei unterstützen, die Diagnose von Herzerkrankungen zu verbessern und die Wahl der Therapie zu optimieren, indem sie Daten aus bildgebenden Verfahren oder dem Telemonitoring auswerten.

»Genetische Untersuchungen können helfen, das individuelle Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einzuschätzen.«

Letztlich gewinnt auch in der Herzmedizin die Personalisierung an Bedeutung. Genetische Untersuchungen etwa können helfen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einzuschätzen und den besten Therapieansatz zu finden. Die erwähnten, immer genauer werdenden bildgebenden Verfahren unterstützen dabei, den individuellen Status von Patientinnen und Patienten zu erfassen und zum Beispiel anfallende Operationen noch besser vorzubereiten und zu begleiten. Hoffnung setzt die Medizin zudem auch auf die Stammzellentherapie, bei der körpereigene Stammzellen verwendet werden, um geschädigtes Herzgewebe zu reparieren.

Von den alten Ägyptern zur modernen Medizin: Herz und Kreislauf werden Ärztinnen und Ärzte beschäftigen, solange es Menschen gibt. Und mit jedem Jahr wachsen die Möglichkeiten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu behandeln und zu heilen.

 

HÄUFIGE HERZ-KREISLAUF-ERKRANKUNGEN


KORONARE HERZKRANKHEIT (KHK)
Bei der KHK sind als Folge von Gefäßablagerungen die Herzkranzgefäße verengt, die das Herz selbst mit Blut und vor allem Sauerstoff versorgen. Der sich so ergebende Sauerstoffmangel kann den Herzmuskel schädigen und das Herz schwächen. Zudem können sich leichter Blutgerinnsel bilden, die eine Arterie ganz verschließen – es kommt zu einem Herzinfarkt.

BLUTHOCHDRUCK
Für Bluthochdruck sieht die Medizin mehrere, zusammenwirkende Faktoren, zu denen Übergewicht, Rauchen, mangelnde Bewegung, aber auch genetische Veranlagung gehören. Dauerhaft zu hoher Blutdruck führt zu einer Verhärtung und Verengung der Blutgefäße. Dadurch wird die Versorgung von Herz, Gehirn, Nieren und anderer Organe mit Sauerstoff schlechter. Bluthochdruck ist ein Risikofaktor für Herzinfarkte und Schlaganfälle.

HERZINSUFFIZIENZ
Eine Herzinsuffizienz bezeichnet eine Schwächung der Pumpfunktion des Herzens, das den Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgen kann. Die häufigsten Ursachen sind Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und die Folgen eines Herzinfarkts. Im Verlauf nimmt die Pumpleistung immer stärker ab, unbehandelt kann eine Herzinsuffizienz zum Tod führen. Zudem lagert sich durch verschiedene Kompensationsmechanismen vermehrt Flüssigkeit im Körper ab („Wasser in den Beinen“).

HERZRHYTHMUSSTÖRUNGEN
Bei Herzrhythmusstörungen ist der Ablauf der Herzmuskelerregung gestört. Das Herz schlägt zu langsam, zu schnell oder unregelmäßig. Die Störungen können Folge einer Vielzahl von Herzerkrankungen sein, darunter KHK oder Bluthochdruck, Risikofaktoren sind aber zum Beispiel auch Diabetes, ein hohes Alter, Drogen- oder
Alkoholmissbrauch. Gefürchtet ist das sogenannte Vorhofflimmern, das das Schlaganfallrisiko erhöht.

HERZKLAPPENERKRANKUNGEN
Bei einer Herzklappenerkrankung sind die Herzklappen, die als „Ventil“ zwischen den Vorhöfen und den Herzkammern liegen, entweder verengt oder sie schließen nicht mehr richtig. Dadurch wird der normale Blutfluss  im Herzen gestört, es kann zu einer Herzinsuffizienz kommen. Ursachen sind unter anderem altersbedingte Verkalkungen der Herzklappen.
 

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