Alzheimer-Demenz vorbeugen

Wenn erst einmal sogenannte Amyloid-Ablagerungen im Gehirn entstanden sind, lässt sich möglicherweise die Alzheimer-Erkrankung nicht mehr rückgängig machen.
Prof. Dr. Oliver Peters, Oberarzt, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité
Charité Beitrag

Das heißt, obwohl es gelingt, krankhafte Eiweiße aus dem Gehirn zu entfernen, lässt sich die Demenz nicht stoppen. Das ist das Ergebnis jüngster klinischer Studien, weshalb nun vermehrt auf Prävention gesetzt wird.

 

Herr Prof. Peters, nach vielen Jahren der Forschung weiß die Medizin mittlerweile eine Menge über Alzheimer. Wie weit ist man heute bei Behandlungsansätzen?
Wir wissen, dass die Alzheimer-Demenz von Eiweißablagerungen im Gehirn begleitet wird. Diese sogenannten Amyloid-Plaques sind vermutlich beteiligt am Absterben von Nervenzellen im Gehirn. Die Amyloid-Plaques lassen sich mittels einer Positronen-Emissions-Tomographie, einem nuklearmedizinischen Verfahren, nachweisen. Ein möglicher Behandlungsansatz ist, die krankhaften Eiweißablagerungen zu entfernen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass das in symptomatischen Stadien der Alzheimer-Erkrankung, wenn bereits eine Demenz vorliegt, wenig Nutzen hat – das Fortschreiten der Erkrankung ließ sich dadurch nicht aufhalten.

 

Wie geht die Forschung mit dieser Erkenntnis um?
Die logische Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist die Prävention. Es darf also, wenn möglich, gar nicht erst zu einem übermäßigen Absterben von Nervenzellen im Gehirn kommen. Denn Funktionen, die einmal verloren sind, können nicht wiedererlangt werden. Ich ziehe hier gerne Parallelen zur Hypercholesterinämie, der in den Industrienationen weit verbreiteten Fettstoffwechselstörung, zum Vergleich heran. Auch erhöhte Fette im Blut werden von den Patienten nicht bemerkt, sie sind nur durch Laborbestimmungen messbar. In der Folge der Hypercholestrinämie können jedoch schwere Herz-Kreislauferkrankungen auftreten. Auch hier versucht man, die Risikofaktoren zu beseitigen, also durch ein frühes Eingreifen – etwa durch Medikamente oder einen Wandel im Lebensstil – die Cholesterinwerte wieder zu senken und so ebenfalls das Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko zu reduzieren.

 

Mit der Alzheimer-Prävention soll also ähnlich wie bei erhöhten Blutfettwerten in den Protein-Stoffwechsel eingegriffen werden?
Ganz genau – und das möglichst früh. Etwas konkreter ausgedrückt, soll in der Alzheimer-Prävention das Vorläuferprotein so blockiert werden, dass Amyloid in verminderter Menge entstehen kann. Dafür kommen sogenannte Sekretase-Hemmer zum Einsatz, die ein an der Entstehung von Amyloid beteiligtes Enzym ausschalten. Die Hoffnung ist, dass auf diese Weise nicht nur insgesamt weniger Plaques entstehen, sondern dass die Sekretase-Hemmer ebenfalls auf dem Weg dahin eine nachhaltige Wirkung haben. Denn derzeit muss man davon ausgehen, dass auch die Vorläufer der Amyloid-Plaques negative Auswirkungen auf das Gehirn haben.

 

Wie vielversprechend ist dieser präventive Ansatz?
Das sollen aktuell zwei sehr ähnliche klinische Studien zeigen, die nun starten und fünf Jahre laufen. Beide haben zum Ziel, aufzuzeigen, ob sich die Entstehung von Alzheimer bei Menschen verhindern lässt, die noch nicht erkrankt sind, jedoch aufgrund ihrer Gene ein erhöhtes Risiko haben. Der Unterschied zwischen beiden Studien beruht auf den genetischen Voraussetzungen der Teilnehmer.

 

Was hat es mit dem genetischen Risiko auf sich?
Wir wissen heute, dass Menschen, die das sogenannte APOE4-Gen tragen, ein deutlich höheres Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken. Deshalb konzentriert sich die klinische Forschung derzeit hauptsächlich auf Menschen mit diesem biologischen Merkmal. Genau diese Träger des APOE4-Gens werden derzeit auch primär für die Studie ausgewählt.

 

Das heißt, wenn in meiner Familie vermehrt Fälle von Demenz aufgetreten sind, bin ich ein guter Kandidat für die klinische Präventionsstudie?
Ob Sie als Kandidat tatsächlich in Frage kommen, zeigt erst die genetische Untersuchung und Bestimmung des Risikogens. Zudem gibt es für die Studienteilnahme eine Alterseinschränkung. Wir suchen gezielt nach Patienten zwischen dem 60. und 75. Lebensjahr.

 

Warum genau diese Alterspanne?
Das liegt am Studiendesign, den Annahmen im Hinblick darauf, aufgrund des Risikos an Alzheimerdemenz zu erkranken, und den darauf basierenden Fallzahlberechnungen. Es heißt aber nicht, dass Alzheimer-Prävention in einer anderen Lebensphase keinen Sinn macht. Im Gegenteil: Je früher man in diese bislang unheilbare Erkrankung eingreifen und vorbeugen kann, desto besser. Wir dürfen nicht vergessen, dass Alzheimer durch einen langsamen, schleichenden Verlauf gekennzeichnet ist. Es kommt nicht schlagartig zu einer Verschlechterung. Um also möglichst viele Funktionen des Gehirns möglichst lange zu erhalten, ist eine frühe Prävention ein guter und sinnvoller Ansatz.

 

Weil Sie die Parallelen zu Blutfetten gezogen haben: Kann ich einer Alzheimererkrankung dann auch mit einem gesünderen Lebensstil entgegenwirken?
Hier gibt es interessante Langzeitstudien, die zeigen, dass sich die Co-Faktoren für eine Alzheimererkrankung optimieren lassen, Sie aber mit einem gesünderen Lebensstil Ihr Risiko nicht auf Null bringen können.

 

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