Gute Luft macht gute Stimmung

Natürliche Baustoffe und nachhaltige Materialien sorgen für Wohlgefühl und gesunde Raumluft in Innenräumen. Das ist gut so, denn wir halten uns ja meistens in Gebäuden auf.

Illustration: Sophia Hummler
Illustration: Sophia Hummler
Axel Novak Redaktion

Freunde des nachhaltigen Bauens kommen in Marokko auf ihre Kosten. Die Straße der Kasbahs im Süden des Landes führt an geschätzten 60.000 Kasbahs vorbei, prachtvollen Burgen, Höfen und Gebäuden, in denen einst ganze Familienstämme unter einem Dach lebten. Eine Besonderheit ist das Baumaterial: Die Kasbahs sind aus Lehm gebaut – und haben teilweise so Jahrhunderte überdauert. 

Lehm besteht aus Ton, Sand und feinem Schluff und kann mit Fasern aus Dung oder anderen Materialien so fest wie Beton werden. Eine ideale Grundlage für die Kasbah, die Schutz vor Wüstenhitze, aber auch vor Feinden bot. Lehm für den Bau von Kasbahs lässt sich heute aber kaum noch industriell herstellen, deshalb boomt in Marokko die Zementindustrie. In unseren Breiten hat es Lehm vor allem wegen der Witterungsbedingungen schwerer. 

Doch im Innenausbau ist Lehm ein hervorragendes Beispiel dafür, wie nachhaltige Baustoffe zu mehr Wohlbefinden und Gesundheit führen. „Lehm ist unglaublich gesund“, erklärte die Architektin Anna Heringer im Bayerischen Rundfunk. Sie gilt als eine Pionierin des nachhaltigen Bauens. „Man hat ein fantastisches Raumgefühl. Lehm kann Feuchtigkeit aufnehmen, wenn es zu viel ist, und abgeben, wenn es zu wenig ist.“ Außerdem sei Lehm ressourcenschonend, weil er nicht wie Zement unter hohem Energieaufwand gebrannt werden müsse. 

Wir verbringen einen Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen. Deshalb hängt unsere Gesundheit davon ab, dass diese Innenräume frei von Schadstoffen und Allergenen sind. Das Thema „ökologisches Bauen“ wird daher immer wichtiger, die Nachfrage nach natürlichen, schadstofffreien Baustoffen steigt.
 

WAS IST EIN „ÖKOLOGISCHER BAUSTOFF“?


Doch was ist eigentlich ein ökologischer Baustoff? Fachleute sind sich einig: Erstens müssen die Baustoffe aus natürlichen, nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Außerdem dürfen sie nicht mit umweltschädlichen und aggressiven Chemikalien bearbeitet werden, sondern manuell, mechanisch oder durch Auflösen in Wasser, Dampfdestillation oder Erhitzen. Auch sollte der Energieaufwand bei der Herstellung möglichst gering sein: Beton zum Beispiel verbraucht viel Energie bei der Herstellung und ist nicht gut recycelbar. Der Energieaufwand betrifft auch den Transport. So gilt Bambus in seinen Herkunftsländern als ökologischer Baustoff, nicht aber in Deutschland. Und schließlich geht es um die Recyclingfähigkeit oder Kompostierbarkeit des Materials. Aus abgerissenen Gebäuden sollen in Zukunft neue Baustoffe entstehen, statt dass Bauschutt auf Deponien landet. 

Wer beispielsweise mit Ziegeln baut, baut nachhaltig. Zwar ist das Brennen von Ziegeln sehr energieaufwändig, aber Ziegel bestehen aus dem natürlichen, mineralischen Material Ton oder Lehm, sind äußerst robust, langlebig und können über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte wiederverwendet werden.

Auch Lehm erfüllt die Kriterien der Nachhaltigkeit – und eignet sich hervorragend als Innenputz. Er ist diffusionsoffen, speichert Feuchtigkeit und sorgt für ein gutes Raumklima. Zudem sind Lehmputze gute Wärmespeicher und geben die aufgenommene Wärme gleichmäßig als Strahlungswärme wieder an die Raumluft ab. Das Material eignet sich sogar für hochmoderne modulare Lehmklimasysteme, die Gebäude heizen und kühlen. Ein weiterer Vorteil: Nicht zuletzt werden sie hierzulande nachhaltig produziert. 

Illustration von Sophia Hummler
Illustration von Sophia Hummler

Mineralische Putze gehören ebenfalls zu den natürlichen und schadstofffreien Baustoffen, da sie fast ausschließlich aus den natürlichen Inhaltsstoffen Kalkstein, Marmor, Quarz und Sand bestehen, wobei Kalk als mineralisches Bindemittel dient. Kalk ist einer der ältesten Baustoffe der Menschheit. Kalkputze sind diffusionsoffen und alkalisch, weshalb sie nur sehr geringe Mengen an organischen Bestandteilen enthalten. So können sich Mikroorganismen und Schimmelpilze nicht auf den Oberflächen ansiedeln.
 

HOLZ BIETET VIELE MÖGLICHKEITEN


Und natürlich ist Holz der nachhaltige Baustoff für Wand und Boden schlechthin: Holz wächst nach, kann recycelt werden und bindet CO2. Da Holz nur eine geringe Wärmeleitfähigkeit hat, bleibt die Wärme im Haus. Das Material ist zudem diffusionsoffen und reguliert so auf natürliche Weise den Feuchtigkeitsgehalt der Raumluft. Gleichzeitig ist Holz der ideale Baustoff auch für Möbel, Accessoires und andere Einrichtungsgegenstände, die von den nahezu unbegrenzten Einsatzmöglichkeiten des Naturmaterials profitieren.

Auch beim Dämmen sind Naturmaterialien möglich: Stroh fällt bei jeder Getreideernte auf den Feldern an und wird seit Jahrhunderten zum Dämmen verwendet. Es speichert Wärme sehr gut und bietet einen guten Schallschutz. Allerdings muss Stroh vor Witterungseinflüssen geschützt werden, da es Feuchtigkeit nicht gut verträgt. Ähnliches gilt für Flachs. Die kurzen Fasern der Pflanze werden als Platten verwendet oder als Fasern hinter Wände geblasen. Für die Herstellung von Flachs wird nur wenig Energie benötigt. Außerdem besitzt der Baustoff hervorragende feuchtigkeitsregulierende E igenschaften und wird deshalb gerne bei der Altbausanierung eingesetzt. Allerdings ist Flachs leicht brennbar, weshalb Flammschutzmittel zugesetzt werden müssen.

Dazu gibt es eine Vielzahl weiterer Materialien, die für gute Raumluft und schadstofffreie Innenräume sorgen: Stoffe oder Farben, Pigmente, Lacke, Kunststoffe, Metalle – wer seinen ökologischen Fußabdruck verbessern will, findet in den sogenannten Umweltproduktdeklarationen die notwendigen Informationen über den Lebensweg eines Produkts. Die Beschreibungen, nach dem englischen “Environmental Product Declaration” EPD genannt, sind geprüft und verbindlich.

Bei anderen Aspekten der Nachhaltigkeit, dem sozialen Miteinander, sind die Menschen in Marokko übrigens nicht weitergekommen. Viele Kasbahs sind verfallen. Das liegt weniger am Baumaterial als an Erbstreitigkeiten. Es findet sich niemand mehr, der den alten Stammsitz auf dem Land wieder instand setzt.

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