»Auf ein Tier lässt man sich dauerhaft ein«

Zu Freunden des Menschen wurden sie vor vielen tausend Jahren: Hund und Katze. Die einen als Bewacher von Haus und Hof, die anderen als Beschützer der Getreidevorräte vor Mäusen. Heute sind sie die beliebtesten Haustiere in Deutschland.
Illustration: Heidi Gruber
Mirko Heinemannn Redaktion

Geschätzt werden Hunde und Katzen als Partner bei Sport und Spiel, sie bewahren ihre Menschen vor Langeweile, Einsamkeit und Bewegungsmangel und sind geschätzte Familienmitglieder. Anspruchslos sind sie aber nicht. Für ein glückliches und gesundes Haustier muss man schon einiges tun. Ein Gespräch mit dem Tiermediziner Professor Jürgen Zentek.

 

Herr Professor Zentek, hat sich die Bedeutung von Haustieren durch die Corona-Pandemie verändert?
Ich glaube schon. In der Zeit, als die Kontakte zu anderen Menschen eingeschränkt wurden, waren die Haustiere an der Seite ihrer Halter. Die ohnehin sehr enge Bindung zwischen Mensch und Tier wurde noch einmal gefestigt. Auf der anderen Seite kommt der Gesundheitsaspekt dazu. Hundebesitzer müssen mit ihrem Tier regelmäßig vor die Tür und bekamen so die nötige Bewegung. Dies galt auch in der Zeit der höchsten Beschränkungen. Besitzer von Katzen und Kleintieren haben zu Hause Abwechslung, wenn sie sich mit ihrem Tier beschäftigen. Den einen oder anderen mag sein Tier vor Depressionen bewahrt haben. Somit leistete das Tier seinen Beitrag dafür, dass sein Besitzer gesund blieb.  

 

Für die Gesundheit des Tieres spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle. In letzter Zeit sind viele neue Trends entstanden, was Tiernahrung angeht. Gibt es eine Faustregel, wann eine Ernährung als artgerecht gilt?
Nein. Artgerecht ist ein weit dehnbarer Begriff. Allgemein gesprochen sollte man dafür sorgen, dass das Tier seine Nährstoffe, die es braucht, bekommt. Und dies entsprechend seines Bedarfs. Dazu gehört, dass man vermeidet, das Tier zu überfüttern. Übergewicht ist ein wichtiges Thema – nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Tieren.

 

Worauf kommt es bei der Fütterung von Hund und Katze an?
Da gibt es große Unterschiede. Katze ist nicht gleich Katze, und Hund ist nicht gleich Hund. Neben Rasse und Geschlecht ist etwa von Bedeutung, ob das Tier kastriert worden ist. Wenn man sich mit der Ernährung von Hunden beschäftigt, sollte man sich darüber informieren, zu welchem Zweck die Rasse einst gezüchtet worden ist. Habe ich einen Jagdhund oder einen Hütehund? Habe ich einen Gebrauchshund oder einen Gesellschafts- oder Schoßhund? Daraus resultieren ganz unterschiedliche Anforderungen an die Ernährung. Dazu kommen Alter, Aktivität, individuelle Veranlagungen. Der Energiebedarf kann sogar von Individuum zu Individuum enorm schwanken.

 

In bestimmten Kreisen angesagt ist derzeit die Fütterung mit rohem Fleisch, auch „barfen” genannt. Primär für Haushunde entwickelt, gibt es das inzwischen auch für Katzen. Ist barfen gut oder schlecht?
Grundsätzlich würde ich sagen: Barfen – das kann man machen, wenn man darauf achtet, dass die Tiere ausreichend Nährstoffe bekommen. Man muss sich aber einer Sache bewusst sein: Es besteht ein erhöhtes Risiko, dass das Tier zum Ausscheider von Zoonose-
erregern wird – etwa von Salmonellen, Enterobakterien oder anderen Erregern, die potenziell auch Menschen infizieren können. Dies stellt somit weniger eine Gefährdung für die Tiere selbst als vielmehr für die sie umgebenden Personen dar. Außerdem ist auch eine direkte Infektion des Menschen beim Umgang mit rohen Futtermitteln möglich. Die mir vorliegenden Untersuchungen beziehen sich dabei allerdings auf den Hund. Daher kann ich zur Katze keine Aussagen treffen.  


Was bedeutet BARF?
Für die Abkürzung gibt es verschiedene Erklärungen, die alle Ähnliches meinen: die Fütterung mit rohem Fleisch. Die einen übersetzen BARF mit „Born-Again Raw Feeders“ (wiedergeborene Rohfütterer), andere mit „Bones And Raw Foods“ (Knochen und rohes Futter). Eine andere Zuschreibung lautet „Biologically Appropriate Raw Food“ (Biologisch artgerechtes, rohes Futter).

 

Ein anderer Trend ist die fleischlose Ernährung. Ist es in Ordnung, wenn ich meinen Hund oder meine Katze vegetarisch oder gar vegan ernähre?
Bei Katzen ist nach überwiegender Meinung der Experten eine vegetarische oder vegane Ernährung nicht zu empfehlen. Die Katze benötigt bestimmte Stoffe, die nur in tierischen Produkten enthalten sind. Dazu gehört die Aminosäure Taurin, die in Pflanzen nicht vorkommt. Und Vitamin A. In Pflanzen gibt es stattdessen Beta-Carotin, eine Vorstufe zum Vitamin A. Der Hund kann es umwandeln, aber die Katze nicht. Das dritte Beispiel wäre die Arachidonsäure. Auch sie gibt es nur in tierischer Nahrung.

 

Warum ist Taurin für Katzen wichtig?
Taurin wird für wichtige Körperfunktionen benötigt. Die meisten Säugetiere stellen Taurin in ihrer Leber selbst her. Auch die Katze, sie allerdings nur sehr langsam. Zugleich verliert sie Taurin über die Galle, die Nahrungsfette umwandelt. Dabei wird ein großer Teil des Taurins über den Darm ausgeschieden. Deswegen ist es wichtig, dass Katzen ausreichend Taurin über die Nahrung aufnehmen.


Kann man diese Stoffe nicht in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zufüttern?
Doch, schon. Man kann Taurin kaufen, auch Arachidonsäure lässt sich synthetisiert kaufen. Wenn man unbedingt meint, die Katze müsse fleischlos leben, bekommt man es mit den entsprechenden Proteinträgern wahrscheinlich hin. Ob das aber ein Äquivalent ist und ob es im Sinne des Tieres ist, darf bezweifelt werden. Dazu kommt, dass Katzen extrem kritisch beim Fressen sind. Und ob man es schafft, seiner Katze vegetarische Nahrung schmackhaft zu machen, das steht dann auf einem ganz anderen Blatt. Die mir bekannten Ernährungsexperten jedenfalls empfehlen allesamt, die Katze am besten mit tierischen Produkten zu füttern.

 

Wie sieht es bei Hunden aus?
Es gibt Menschen, die ihren Hund erfolgreich vegetarisch oder sogar vegan füttern. Es gibt aber bislang keine solide Studie, welche die langfristigen Folgen dieser Ernährungsweise untersucht hätte. Achten muss man hier darauf, die Nährstoffversorgung wie auch die quantitative Verwertung, also die Verdaulichkeit, sicherzustellen. Ich würde sagen, dass aufgrund seiner Flexibilität der Hund vegetarisch ernährt werden kann. Das Erkrankungsrisiko steigt aber an, wenn man den Hund völlig frei von tierischen Produkten füttert. Stellt man den Hund vor die freie Wahl, dann ist die Akzeptanz für pflanzliche Nahrung bei Hunden sehr gering. Wölfe nehmen in der Regel kaum pflanzliche Nahrung zu sich.

 

Woran bemerke ich, dass ich meinen Hund oder meine Katze nicht optimal ernähre?
Das Problem ist, dass sich Ernährungsfehler in der Regel erst langfristig auswirken. Auch in Blutproben sind sie meist nur schwer zu erkennen. Ich erinnere mich an einen Hund mit Calciummangel. Er hatte Knochenfrakturen, weil er über Monate falsch gefüttert worden war –unwissentlich. Das ist traurig und im übrigen auch tierschutzwidrig. Wenn man sich unsicher fühlt, sollte man sich beraten lassen. Inzwischen gibt es viele Tierärzte, die sich auf die Ernährungsberatung spezialisiert haben.

 

Tierschutzgesetz § 2 (Auszug)
„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (und) muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.”

 

Zur verhaltensgerechten Unterbringung von Tieren gehört auch eine passende Umgebung. Können Hund und Katze in der Stadt eigentlich artgerecht gehalten werden?
Tja, das ist die Gretchenfrage, die man besonders in Großstädten wie Berlin immer wieder zu hören bekommt. Woran bemisst sich das Glück eines Hundes? Dem Hund geht es gut, wenn er gesund ist und sich wohl fühlt, auch eine positive Emotionalität kann man dazu zählen. Er soll eine starke Bindung zu seinem Halter oder seiner Halterin haben und sich entsprechend seines Charakters verhalten. Klar ist: Man muss sich intensiv mit ihm beschäftigen. Und er braucht genügend Auslauf, was in der Stadt vielleicht ein bisschen mehr Aufwand bedeutet als auf dem Land. Dann, glaube ich, ist die Stadt kein Hinderungsgrund für einen Hund, glücklich zu werden.

 

Kann man eine Dogge in einer 30-Quadratmeter-Wohnung halten?
Warum nicht? Die Größe der Wohnung spielt nicht die entscheidende Rolle, sondern eher der Aufwand, den der Halter oder die Halterin bereit ist zu leisten. Es macht Sinn sich vor der Anschaffung zu überlegen, wie viel Zeit für Aktivitäten mit dem Hund man einplanen kann. Dann kann man überlegen, welcher Hund dazu passt. Manche Hunde sind nach einem Spaziergang zufrieden, andere laufen fünf Stunden neben dem Fahrrad her und wollen immer noch mehr.

 

Gilt das auch für die Katze, die ausschließlich in der Wohnung gehalten wird?
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Es ist sicherlich der Wohnsituation geschuldet. Wenn ich ein Wohnumfeld schaffe, in dem die Katze Abwechslung hat, sich beschäftigen kann und wo sie von ihrem Halter zumindest spielerisch gefordert wird, sollte das kein Problem darstellen. Dies kann aber natürlich nicht völlig ersetzen, was Katzen naturgemäß tun: durch die Umgebung wandern, auf Beute spähen, ansitzen – das sind die Dinge, die Abwechslung in das Leben der Katze bringen. Zu der körperlichen Aktivität kommt dann auch die geistige Herausforderung, die das Tier gesund hält. Halter von Haustieren müssen dann geeignete Ersatzmaßnahmen ergreifen.

 

Das bedeutet einen nicht unerheblichen Aufwand...
Deshalb müssen sich Tierhalter bewusst machen, dass sie ihr Haustier beschäftigen müssen, damit es ein glückliches Leben hat. Das bringt Befriedigung für das Tier und für den Menschen. Aber es ist der Mensch, der sich entscheiden muss, ob er es wirklich will. Man kann das dann eben nicht einfach wieder abstellen. Auf ein Tier lässt man sich dauerhaft ein. Das gilt im übrigen nicht nur für Hunde und Katzen, sondern für alle Tiere.

 

Professor Dr. Jürgen Zentek
ist Tierarzt und Geschäftsführender Direktor am Institut für Tierernährung der Freien Universität Berlin

 

 

Katzen & Hunde:
die beliebtesten Haustiere

In deutschen Haushalten leben schätzungsweise 14,7 Millionen Katzen und zehn Millionen Hunde. Damit sind sie die beliebtesten Haustiere der Deutschen. Es folgen mit 5,2 Millionen die Kleintiere, darunter etwa eine Million Meerschweinchen. Vier Millionen Ziervögel bevölkern die heimischen Wohnstuben. Dort stehen 1,6 Millionen Aquarien, und in den Gärten außerdem noch 1,2 Millionen Gartenteiche mit Zierfischen. Die Zahl der Terrarien wird auf 1,2 Millionen beziffert. Insgesamt leben 34,4 Millionen Haustiere in deutschen Haushalten.

(Zahlen für 2019 laut Industrieverband Heimtierbedarf und Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe)