Ich hätte so gern…

...einen Hund. Warum, das weiß unsere Kolumnistin ganz genau. Und nun?

Lena Bulczak
Lena Bulczak
Lena Bulczak Redaktion

Es ist vermutlich meine erste Erinnerung. Etwa drei Jahre war ich alt, noch klein genug, um auf einem Hunderücken zu reiten. Da lehrte mich meine Lieblingshündin Ilka, eine kleine Münsterländerin, etwas ganz besonderes: nämlich bedingungsloses Vertrauen. Wenn unsere Blicke sich trafen, da wusste ich: Sie war hier, sie war jetzt, und die Gefühle, die sie zeigte, waren echt. Die Welt der Erwachsenen habe ich, ehrlich gesagt, bis heute nicht so richtig verstanden. Nicht nur, dass sie bisweilen das eine sagen und das andere tun, sie halten auch oft mit ihren wahren Gefühlen hinter dem Berg. Aus Scham? Oder Anstand? Warum auch immer – es dürfte motiviert sein durch etwas, das die Welt der Vierbeiner nicht kennt. Tatsächlich ist ein Hundeleben in meiner Vorstellung ein recht angenehmes schamfreies Leben. Sie zu empfinden würde voraussetzen, so der aktuelle Stand der Wissenschaft, dass die Vierbeiner komplexe moralische oder ethische Normen reflektieren und dazu einen eigenen Standpunkt einnehmen könnten. Tun sie aber nicht. Was nicht heißt, dass Hunde keine Gefühle kennen würden. Im Gegenteil: Wut, Angst, Freude, Traurigkeit, Überraschung und Ekel können sie sogar auch in den Gesichtsausdrücken der Menschen lesen, um dann liebevoll darauf zu reagieren. Vielleicht gilt der Hund auch deshalb als gern gesehener, treuester Begleiter des Menschen, ein Garant für unerschütterliche Freundschaft. Nie würde er sich abwenden, wenn sein Besitzer mal schlechte Laune hat oder gereizt ist. Im Gegenteil: Hunde verringern Stress und stärken das Immunsystem. Blutdruck und Cholesterinwerte von Hundebesitzern sind niedriger als bei Menschen ohne Hund, kurz: Ein Hund ist einfach gut fürs Herz. Es heißt, wenn Eltern sich scheiden lassen, ist eines der schönsten Geschenke, die sie ihrem Kind machen können, ein Haustier. Dann kann ein Hund sogar eine präventive, quasi familientherapeutische Rolle einnehmen. Ein Wesen, das jederzeit zuhört, Trost und Geborgenheit spendet, zu schönen Unternehmungen einlädt und einfach das Beste aus jedem Moment macht. Hunde gelten deswegen auch als Heiler von Einsamkeitsgefühlen und Depressionen. Denn wer im Strom ihrer bedingungslosen Liebe mitschwimmt, fühlt sich einfach insgesamt glücklicher.

Aber braucht es für den Entschluss denn erst eine Scheidung oder Krankheit? Kann das nicht etwa jedes Kind gebrauchen? Oder gar jeder Mensch? Ich denke an meine Tochter. Sie ist in etwa so alt, wie ich war, als ich meine Liebe zu den Hunden entdeckte. Wir haben keinen Hund, noch nicht mal ein Haustier. Ja, warum denn eigentlich nicht? Nun ja, wir leben in der Stadt. Das heißt, Gassi gehen bei Regen und Eiseskälte, Haare von der Couch klauben, lange Ausflüge in den Wald einplanen – ein Hund ist eben auch eine Menge Arbeit. Ich habe schon so gefühlt viel zu wenig Zeit für alles, was mir wichtig ist. Die Vierbeiner sollten am Tag nicht länger als fünf Stunden allein sein und brauchen etwa zwei Stunden Aufmerksamkeit jeden Tag. Es wäre ein weiteres Familienmitglied, das noch dazu nicht größer und selbständiger wird. So traurig es ist, noch kann ich mir das nicht vorstellen. Aber es gibt ja glückliche Fügungen. So teile ich mein Büro mit einem kleinen Border-Collie-Mischling. Sein Besitzer kannte auch all die Argumente, die mich heute zurückhalten. Er ist in einer anderen Lebensphase, die Kinder sind groß, zu Beginn der Corona-Pandemie war plötzlich viel Zeit. Und so kam die Hündin in sein Leben, mit der er jetzt das Älterwerden genießt. Vitalität, Bewegung und ein Andocken an die Einheitsgefühle, von denen die Mystiker sprechen, ist das, was er aus den stundenlangen Spaziergängen zieht, die die beiden unternehmen. Wo sich einfach alle Sinne öffnen und die Freude des Hundes auch die eigene Freude ist und umgekehrt. Auch für mich ein Traum. Für später. Irgendwann. Ganz sicher. 

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