Graue Strähnen, Knitterfältchen und im Badezimmer steht auf jedem zweiten Tiegel „Repair“? Wer plötzlich verstärkt für Anzeichen des Alterns sensibilisiert ist, möchte meist erstmal heftig dagegen ankämpfen. Weniger Feiern, Beauty-OPs, Verjüngungsspritzen, Kräutertee, Supplements, mehr Schlaf und Sport stehen auf der Verzweiflungs-Agenda. Doch spätestens ab 65 ist die Sache klar. Der WHO zufolge zählen wir nun zu den „jungen Alten“, ein Zustand, der sich allerdings bis Mitte 70 locker halten lässt. Einfach nur „alt“ sind wir heute erst ab 80. Spoiler: Es geht beim Älterwerden nicht nur um den drohenden Verfall, sondern es gibt dazu noch ein paar Benefits, auf die wir uns freuen könnten. Zum Beispiel ist die Lebenszufriedenheit höher als in jüngeren Jahren, und zwar selbst dann, wenn die körperliche Leistungsfähigkeit nachlässt. Dieses „Altersparadoxon“ beweisen unter anderem die Nurses Health Study, die weltweit als bedeutendste Längsschnittstudie zu Gesundheitsthemen gilt, und die seit ihren Anfängen im Jahr 1976 auch die Lebenszufriedenheit untersucht, und die „Heidelberger Hundertjährigen-Studie“. Anders als Wissenschaftler:innen noch vor wenigen Jahren annahmen, kann sich auch das Gehirn stetig weiterentwickeln. Die kristalline Intƒelligenz, als Summe der Informationen und Fähigkeiten, die im Lauf des Lebens zusammengetragen, analysiert, geordnet und mit neuen Situationen abgeglichen werden, steigt mit jedem Jahr. Sie bestimmt den sozialen Erfolg eines Menschen maßgeblich mit und bringt ihm damit oft weitere Vorteile, finanziell, gesellschaftlich oder karrierebezogenen. “Altern ist Leben für Fortgeschrittene“, sagt der Mediziner und Comedian Eckhart von Hirschhausen. Mit einem positiven Altersbild vor Augen fällt es leichter, altersbedingten Schwachpunkten präventiv zu begegnen. Muskeln und Gelenke, Stoffwechsel, Kreislauf und Blutgefäße sowie die Psyche werden es uns danken.
Als zentrales Merkmal des biologischen Alterungsprozesses gelten „inflammatorische Prozesse“, leichte chronisch verlaufende Entzündungen im Gewebe, die nicht lokal oder auf ein Organ begrenzt sind und die zugleich als Risikofaktor für Krebserkrankungen oder Alzheimer gesehen werden. Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena fanden heraus, dass eine „reduzierte Ernährung“ Entzündungen dämpfen kann. Ursache für die entzündungsbedingte Alterung ist eine leichte Daueraktivität des Immunsystems. Die Immunzellen selbst sind dadurch so gefordert, dass sie auf Infektionen nicht mehr adäquat reagieren können. In Studien zeigte sich zunächst, dass Mäuse, die 30 Prozent weniger Futter bekamen, deutlich fitter als Art- und Altersgenossen waren, die sich satt fraßen. Die Mäuse konnten ihre Lebensspanne sogar um 10 bis 15 Prozent verlängern. Auch bei Menschen wurde unter Kalorienreduktion eine Verbesserung der Gesundheit beobachtet. Die kalorienreduzierte Diät habe anscheinend einen positiven Einfluss auf das Mikrobiom, sagt Wissenschaftler Francesco Neri. Wer jetzt am liebsten gleich reduzieren will, sollte sich vorher beraten lassen, damit trotz Diät die Nährstoffversorgung stimmt. Entsprechende Angebote gibt es über die Krankenkassen.