Glück beim Schopf packen

Über Glück philosophierten schon die Denker der Antike. Heute ist Glücksforschung eine Domäne von Psychologie, Soziologie und Neurologie. Prominente Beispiele zeigen, wie man Glück und Wohlbefinden aktiv stärken kann. 

Illustration: Daria Domnikova
Illustration: Daria Domnikova
Andrea Hessler Redaktion

Glücklich, fit und geistig rege bleiben bis ins hohe Alter – ein Wunschtraum für viele Menschen. Charlie Munger schaffte es. Er war der zweite Mann hinter Warren Buffett bei der Investmentfirma Berkshire Hathaway, mit der die beiden Milliarden verdienten. Als Charlie kürzlich im Alter von 99 Jahren verstarb, trauerten Familie, Freunde, Investoren und alle, die ihn gekannt hatten. Er war ein wissbegieriger Philantrop, spendete Millionen an Bildungseinrichtungen, entwickelte das Prinzip des Value Investing weiter, genoss das Leben in vollen Zügen und bereicherte jenes von zahlreichen Menschen. Warren Buffet sagte, dass er bei jedem ihrer Gespräche etwas von Charlie gelernt habe. Damit entspricht das Leben Mungers ziemlich genau den Glücksvorstellungen der Positiven Psychologie. Er lebte seine Stärken, führte gute Beziehungen, setzte sich Ziele und erreichte sie auch. Und er war ein überzeugter Anhänger des lebenslangen Lernens, da dies nach seiner Meinung die Persönlichkeit wachsen lasse.

Nur wenige Menschen können eine so beeindruckende Erfolgsgeschichte des eigenen Lebens schreiben wie Munger. Doch auch Normalsterbliche im Alter der Best Ager und älter sind überwiegend glücklicher als jüngere Menschen, wie regelmäßige Befragungen beweisen. Eine Studie der Universität von Michigan etwa hat gezeigt, dass Menschen sich im Alter 60 Plus als glücklicher einschätzten als jüngere. Hauptursache hierfür sei, so die Glücksforscher:innen, dass ältere Menschen mehr emotionale Ressourcen hätten und ihnen bewusst sei, dass es im Leben immer mal wieder Höhen und Tiefen gebe. Tatsache ist, dass viele Best Ager und Ruheständler längst nicht mehr dem Klischee der Kaffeefahrt- und Sanitätshaus-Senior:innen entsprechen. Das Motto heißt vielmehr „60 ist das neue 40!“ Das Bewusstsein hat die Ansprüche der Silver Surfer an ihre persönliche Lebensgestaltung verändert. Auch wenn sie in ihren Vorlieben und Gewohnheiten eine heterogene Gruppe bilden, ist die Alterskohorte 50 Plus für die Marketingabteilungen der Konsumgüterindustrie eine interessante Zielgruppe. Sie sind anspruchsvoll, wollen in erster Linie Qualität, sind modisch orientiert, reisefreudig und bereit, überdurchschnittlich viel Geld auszugeben. Sie wollen sich gerne beraten lassen, kaufen aber zunehmend im Internet ein. Auch bei Finanzdienstleistern sind Best Ager und ältere Ruheständler eine begehrte Zielgruppe. Die Gründe hierfür zeigt die Generationenstudie 2023 der Consorsbank auf. Sie basiert auf deren 1,3 Millionen Wertpapierdepots, welche anonym ausgewertet wurden. Eines der Ergebnisse ist, dass die Älteren oft wohlhabend sind und die größte Gruppe der Inhaber von Wertpapierdepots bilden. Das Vermögen wird nicht verbraucht, sondern zur eigenen Absicherung und zugunsten von Kindern und Enkeln gezielt vermehrt. Zudem sind Senior:innen risikofreudiger als jüngere Anleger. Während letztere bevorzugt in ETFs – börsengehandelte Indexfonds – investieren, haben Senior:innen häufig Einzelaktien im Depot.

Aber Geld allein macht nicht glücklich, sagt ein geflügeltes Wort. Oder doch? Frühere Forschungen, vor allem aus den USA, kamen zu dem Ergebnis, dass es beim Geld eine Art „Grenznutzen“ gebe. Dieser besagt, dass ab einer bestimmten Anzahl oder Quantität eines bestimmten Gutes dessen Nutzen für den Inhaber abnimmt. Das gelte auch für Einkommen und Vermögen. Ab 70.000 bis 80.000 Euro oder Dollar Einkommen pro Jahr mache ein Mehrverdienst nicht glücklicher. Doch das stimmt nicht pauschal, wie das sozioökonomische Panel (SOEP, Studie „Leben in Deutschland“), des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin konstatiert. Rund 30.000 Menschen in 15.000 Haushalten nehmen regelmäßig an der Befragung teil. Im Jahr 2020 wurde erstmals mittels einer Zusatzstichprobe das Glück der Millionär:innen erforscht – überwiegend ältere, überdurchschnittlich gebildete Männer. Die Studie hat gezeigt, dass Millionär:innen in vielen Lebensbereichen wie Familie, Einkommen und Gesundheit deutlich zufriedener sind als der Bevölkerungsdurchschnitt. Doch letztlich stellt sich dieselbe Frage wie bei Henne und Ei: Was ist zuerst da? Macht Erfolg glücklich? Oder werden glückliche Menschen zwangsläufig erfolgreich? Und warum steigern einschneidende Erlebnisse wie Hochzeit und Geburt eines Kindes das Glücksempfinden nur zeitlich begrenzt? Spätestens nach einem Jahr verpufft der sogenannte Honeymoon-Effekt und die frisch Getrauten sind genau so glücklich oder unglücklich wie vor der Ehe, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Eine Trennung, die meist mit viel Streiterei und Stress in Verbindung gebracht wird, kann hingegen durchaus das Wohlbefinden steigern. Dies gilt auch für das eigene Heim. Die meisten Menschen wollen zuhause versorgt werden, was dank Pflegekasse, Pflegediensten und sozialen Einrichtungen, die Beratung, Begegnung und Austausch mit anderen Senior:innen bieten, auch für Hochbetagte lange Zeit möglich ist. 

Illustration: Daria Domnikova
Illustration: Daria Domnikova

Alte Menschen fühlen sich wohl trotz Zipperlein 

Wider Erwarten hat die Gesundheit keinen so starken Einfluss auf Glück und Zufriedenheit wie vermutet. Ältere Menschen sind so zufrieden, wie es ist. Viele akzeptieren ihre Zipperlein und begegnen dem Alterungsprozess mit Ernährung, Sport und sozialen Aktivitäten. Professor Tobias Esch, Leiter des Instituts für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung (IGVF) der Universität Witten/Herdecke, spricht dabei vom „Zufriedenheitsparadox“: Trotz körperlicher Beschwerden und chronischer Krankheiten seien ältere Menschen in der Regel glücklicher und zufriedener als Jugendliche oder junge Erwachsene. Dies resultiere aus den Belohnungs- und Motivationssystemen des Gehirns. Statt der Herausforderungen und Stressoren in jüngeren Jahren erlebten Senior:innen dank Gefühlen wie Akzeptanz, Zugehörigkeit und Ruhe ein dauerhaftes Wohlbefinden. Dabei helfen können Meditations- und Atemtechniken sowie Religiosität und Glaube.

Nicht nur für die Gesundheit und ein gutes finanzielles Polster wird aktiv durch Sport, Ernährung und den bewussten Umgang mit Geld vorgesorgt. Heute ist auch das äußere Erscheinungsbild ein wichtiger Teil des lebenslangen Wohlbefindens. In den meisten Senior:innenheimen zählen Hausfriseur und Podologe zum Standardprogramm. Wer noch jünger und fitter ist, versucht den jugendlichen Auftritt mittels Diät und Schönheitsoperationen möglichst lange zu erhalten. Es muss ja kein Extrem sein wie bei der Pop-Ikone Cher, die selbstironisch ihre zahlreichen Eingriffe mal kommentierte mit „Some Parts of me are fifty!“ Bei Best Agern zählen Face Lifts, Bauchstraffungen und Lidkorrekturen zu den beliebtesten Eingriffen. Auch minimalinvasive Korrekturen haben Konjunktur. Dazu erläutert Dr. med. Uwe von Fritschen, Chefarzt an der Helios-Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Handchirurgie in Berlin-Zehlendorf: „Behandlungen mit Botulinumtoxin, Hyaluron und Fillern werden mittlerweile quer durch alle Bevölkerungsschichten in Anspruch genommen, um ein ebenmäßiges und harmonisches Gesamtbild zu erzielen.“

»Botulinumtoxin, Hyaluron und Filler helfen für ein ebenmäßiges und  harmonisches Gesamtbild«

Dieses kann auch das Selbstbewusstsein von älteren Menschen aufmöbeln und die Suche nach einem Partner oder einer Partnerin erleichtern. Zahlreiche Online-Single-Börsen haben sich auf die ältere Klientel spezialisiert, doch auch die gängigen Partnerschaftsportale sprechen häufig gezielt ältere Zielgruppen an. Tipps für die erfolgreiche Suche geben soziale Organisationen wie die Malteser und viele Websites und Blogs. Wie bei den Glücksfaktoren Gesundheit, Sozialleben und Finanzpolster ist der Erfolg auch beim Wandel auf Freiersfüßen überwiegend eine Sache des eigenen Engagements. 

Nächster Artikel