Digitaler Augenstress

Zu viel Bildschirmzeit fördert Kurzsichtigkeit bei Kindern

Illustration: Cristian Chiscari
Illustration: Cristian Chiscari
Ulrike Schupp Redaktion

Je weniger Zeit Kinder am Handy, am iPad oder vor anderen Bildschirmen verbringen, desto besser! Zusammen mit der Uni Witten/Herdecke hat die Deutsche        Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) eine neue Leitlinie entwickelt, in der sie vor schwerwiegenden Schäden durch übermäßigen Bildschirmkonsum warnt. Mögliche Folgen seien das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS), Probleme bei der motorischen und sprachlichen Entwicklung sowie Schlafstörungen. Wer abends im Bett noch blaues Monitorlicht und Videos konsumiere, kommt nicht wirklich zur Ruhe und ist am nächsten Tag müde und unkonzentriert. Vor allem aber verderben sich Kinder durch langes, meist regloses Starren auf Displays die Augen. Die ständige Nahsicht auf digitale Medien erhöht das Risiko für eine Myopie, für Kurzsichtigkeit, sagt der Freiburger Augenspezialist Professor Dr. med. Wolf Lagrèze. Sie fördert das Wachstum des Augapfels, das zu den Ursachen für die Erkrankung zählt, bei der Betroffene in Nähe gut, in der Ferne aber zunehmend schlechter sehen. Da vorm Bildschirm kaum geblinzelt wird, werden die Augen außerdem trocken und sind durch den fehlenden Tränenfilm anfälliger für Entzündungen. „Kinder sollten zwei Stunden pro Tag draußen spielen, das halbiert das Risiko für Kurzsichtigkeit, sie sollten den Mindestleseabstand von 30 Zentimetern zu Buch oder Tablet einhalten, jede halbe Stunde eine Pause einlegen und den Blick in die Ferne schweifen lassen“, empfiehlt Lagrèze. Tageslicht hemme nämlich das Längenwachstum des Augapfels und wende so Kurzsichtigkeit ab. Die verminderte Fernsicht lässt sich, wenn überhaupt, nur während der Wachstumsphase des Augapfels wieder verbessern. „Diese Entwicklung ist größtenteils mit 17 Jahren abgeschlossen“, sagt der Augenspezialist. „Bei Erwachsenen funktioniert das also nicht mehr.“ Die WHO geht davon aus, dass bis 2050 etwa die Hälfte der Weltbevölkerung an Myopie leiden wird. Da sie das Entstehen von gefährlichen Augenerkrankungen wie Netzhautablösung, Makuladegeneration oder Grüner Star begünstigt, muss die Erkrankung so früh wie möglich behandelt werden. Heilbar ist sie nicht. Um ihren Verlauf zu bremsen, kommen Brillen, Kontaktlinsen, oder in schweren Fällen auch eine Operation in Frage. Bei Kindern können Atropin-Augentropfen das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit verlangsamen. Handyzeit, Marathon-Gaming oder Videokonsum sorgen im Alltag vieler Familien allerdings für ständigen Streit. Die neue Leitlinie der DGKJ will hier Orientierung geben. Sie empfiehlt, 12- bis 16-jährige sollten maximal zwei Stunden am Tag mit elektronischen Medien verbringen, Hausaufgaben nicht mitgerechnet. Zwischen drei und sechs Jahren reichen 30 Minuten, um die digitalen Medien kennenzulernen, am besten behutsam begleitet von einer erwachsenen Person. Man könne zum Beispiel während der Bildschirmzeit eine Sand- oder Stoppuhr laufen lassen. Viele Kinder merken nicht, wie viel Zeit sie an den Geräten verbringen. Für Kleinkinder unter drei sollte der Bildschirm tabu sei und auch Eltern sollten in ihrer Gegenwart nicht ständig aufs Handy schauen. 

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