Wege durch den Wandel

Mit der rein weiblich besetzten Gruppenausstellung Memories of Now geht die Modern-Culture-Plattform art perspectives in die zweite Runde. Ziel ist es, Frauen in der Kunstwelt zu fördern und Alternativen zum klassischen Galerie-Modell zu etablieren
1. Sonic Fossils ( Detailansicht), Autolenkrad, Muscheln, Mercedesstern, Glasschüssel, Prägedruck in Aluminiumbleche, (Münzen, Schlüssel Gitter, Gürtel, Uhren, Schmuck), Tatiana Echeverri Fernandez, 2019, Photos © Artist
Lorena Juan Redaktion

Auch 2020 sind Frauen in Galerien, Auktionshäusern, Museen und Sammlungen deutlich unterrepräsentiert. Trotz der durchaus präsenten gesellschaftlichen Debatte um Diversity verbessern sich ihre Chancen in der Kunstwelt nur langsam. Die Gründe hierfür sind komplex, die Diskussionen um Vielfalt und Gleichberechtigung in der Kunstszene aktueller denn je.

Wer echten Wandel fördern will, muss einen nachhaltigen Perspektivwechsel ermöglichen und das Thema „Women in Art“ in die Mitte des Diskurses um spannende und progressive Gegenwartskunst tragen. Dies ist die Idee der Initiative art perspectives, die nach einer erfolgreichen Gruppenausstellung und Event-Reihe zum Berliner Gallery Weekend 2019 nun in die zweite Runde geht.

Die Pop-Up-Ausstellung Memories of Now (09. – 13.09.2020, Am Tacheles) versammelt acht internationale Künstlerinnen in einer facettenreichen Reflexion über kollektive und persönliche Erinnerungen, die das art-perspectives-Leitthema „Vielfalt“ mit substanziellen künstlerischen Positionen weiterführt: Wenn unsere eigene persönliche Geschichte den Bezugspunkt für die Begegnung mit anderen bildet, dabei immer zu einem gewissen Grad fiktionalisiert ist, welche Rolle spielen dann kollektive Codes in Form institutionalisierter Erinnerungen? Ist es letztlich eine Machtfrage, welche Geschichten auf welche Weise erzählt werden? Und welchen Anteil kann Kunst dabei haben, die Diversität von Erinnerung zu bewahren?

Jede Künstlerin wählt einen ganz eigenen Ansatz, um diesen Fragen nachzuspüren. Dabei war es uns wichtig, nicht nur eine möglichst große Vielfalt an Biografien, sondern auch ein breites Feld künstlerischer Medien abzubilden: Malerei, Skulptur, Videokunst, Performance, Sound, Textilarbeiten und Installation. So reflektiert die deutsche Künstlerin Marion Fink über das kollektive Imaginäre von Erfolg und Jugendkultur in westlichen Gesellschaften, die Werke der in Litauen geborenen Malerin Egle. Otto hinterfragen traditionelle Geschlechterstereotypen, die US-Amerikanerin Nasheeka Nedsreal erforscht in ihren Performances Traditionen und Aberglaube, die ihre Vorfahren bei ihrer Entführung über den Atlantik folgten, und die Berliner Videokünstlerin Antje Engelmann macht sich anhand von autobiographischem Filmmaterial zum Gegenstand ihrer Untersuchung von Erinnerung und Selbstkonstruktion. Ebenfalls vertreten sind Tatiana Echeverri Fernandez (Performance und Skulptur / Costa Rica), Elisa Duca (Performance / Italien) und Neda Saeedi (Konzeptkunst, Installation / Iran), sowie art perspectives 2019 Alumna Beatriz Morales (Mexiko) mit einer Textilkunst-Installation. Susanna Kim alias IAMKIMKONG rundet die Ausstellung mit einer eigens konzipierten Soundinstallation ab.

In der Beschäftigung mit der Vergangenheit möchte Memories of Now auch unser Verständnis von Gegenwart und Zukunft hinterfragen, worauf auch der scheinbare Widerspruch des Ausstellungstitels hinweist. Das „Jetzt“ ist keine Zeiteinheit, die isoliert zu betrachten ist, sondern steht natürlich immer in Wechselwirkung mit Vergangenheit und Zukunft. Bilder, Begegnungen und Ereignisse tauchen vor unserem autobiografischen Auge auf und der Blick zurück bietet im selben Moment die Basis für den Blick nach vorne. Die Gegenwart ist dabei mehr als der schlichte Übergang von Vergangenheit in Zukunft, sondern vielmehr ein komplexer und vernetzter Möglichkeitsraum. Einer, der uns zum Handeln animieren sollte, statt in Angststarre oder Melancholie zu verfallen angesichts der enormen gesellschaftlichen Umbrüche, die wir nicht erst seit der Corona-Pandemie erleben.

Sowohl in der Ausstellung Memories of Now, in Form des Magazins Die KUNST als auch des diesjährigen Rahmenprogramms, unter anderem mit dem iranischen Musikerinnen-Trio „East Meets West“, das traditionelle persische mit klassischer abendländischer Musik verbindet, sowie der schwedischen Poetin und Autorin Cia Rinne, möchte art perspectives das Konzept einer Modern-Culture-Plattform weiter etablieren. Im Mittelpunkt steht der Netzwerkgedanke. Unser Anspruch ist, weit über die bloße Präsentation von Kunst hinauszugehen und dabei vielfältige Möglichkeiten des Austausches zu schaffen – zwischen KünstlerInnen, Kunstinteressierten und etablierten sowie angehenden SammlerInnen.

art perspectives ist eine Initiative des Berliner in|pact media Verlags und wurde 2019 von Mitgründerin Sara Karayusuf-Isfahani ins Leben gerufen.

 

 

Artist Editorial
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Biografien: Lorena Juan
Fotografie: Sara Karayusuf-Isfahani, Chiara Bonetti
hair & Make-up: Helena Narra @liganord using Augustinus Bader & Nars
Styling: Charlotte Gindreau

 

Informationen zu Werken, Künstlerinnen und Besichtigungsterminen: art@inpactmedia.com

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