Zum Auftakt der diesjährigen Hannover Messe stellte VDI-Direktor Ralph Appel im April eine neue Studie zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Produktionsstandort Deutschland vor. Zentrales Ergebnis: Der Einsatz von Digitalisierungstechnologien wirkt sich positiv auf die Rückverlagerung von Produktionskapazitäten nach Deutschland aus und bewegt Unternehmen dazu, wieder vermehrt hierzulande zu investieren. Diese für die deutsche Wirtschaft erfreuliche Entwicklung spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider: So stieg die Nachfrage nach Ingenieuren im ersten Quartal 2017 ungebremst weiter auf 74.120 – ein Plus von 12,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.
Das IW beleuchtet aber auch die Schattenseite dieser positiven Entwicklung: „Der Fachkräftemangel, der lange nur für Berufe im mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Bereich ausgerufen wurde, erfasst inzwischen immer mehr Branchen“, konstatiert das Institut in seiner Studie „Fachkräfteengpässe in Unternehmen – Regionale Fachkräftesituation und Mobilität“. Ingenieure, Pflegekräfte und Lehrer fehlten schon länger, doch mittlerweile herrsche in einigen Regionen Deutschlands auch Mangel an Fachkräften in der öffentlichen Verwaltung, Softwareentwickler und Speditionskaufleute.
„Sowohl im Inland als auch im Ausland stehen noch zahlreiche Fachkräfte zur Verfügung“, betont Mandy Pastohr, die den Fachbereich Unternehmensentwicklung und Fachkräftesicherung im RKW Kompetenzzentrum leitet, wo Experten mit und für mittelständische Unternehmen an Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft arbeiten – unter anderem bei der Fachkräftesicherung. „Unternehmer“, so Pastohr, „sollten ihren Fokus weit öffnen, um den Bewerberkreis möglichst lückenlos auszuschöpfen.“ Wer in einer Stellenanzeige viele unterschiedliche Zielgruppen anspreche, erweitere damit die Auswahlmöglichkeiten und erhöhe die Chancen, den Wunschkandidaten zu finden. Auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit bringt deutschen Unternehmen beim Recruiting Vorteile: „Vor allem in den Grenzregionen macht sich das bemerkbar“, sagt Pastohr. „Wer wiederum Arbeitnehmer aus ganz anderen Ecken Europas ins Unternehmen holt, sollte gegebenenfalls kulturelle Unterschiede berücksichtigen.“ Diese machten sich eher in ländlichen Räumen bemerkbar, während etwa der Wechsel von Madrid nach Berlin in der Regel leichter von der Hand gehe.
Unternehmen, die Fachkräfte gewinnen wollen, müssen umgekehrt aber auch für Arbeitnehmer attraktiv sein. „Und da geht es nicht bloß ums Gehalt“, betont Pastohr. „Wichtige Faktoren sind Entwicklungsperspektiven, Anerkennung, das fachliche Spektrum im Job und das Betriebsklima.“ Wer wie viel Selbstständigkeit oder klare Vorgaben haben möchte, hängt von den einzelnen Mitarbeitern ab. „So legen Jüngere meist stärkeren Wert auf Entscheidungsfreiräume und die Work-Life-Balance“, weiß Pastohr. In der Leitungsebene seien diesbezüglich neue Qualitäten gefragt. Von oben nach unten delegieren war gestern: „Heute sollten Chefs ihre Mitarbeiter fragen, wie sie geführt werden möchten.“