»Es ist noch ein weiter Weg«

Ein gutes Beispiel sein, die Komfortzone verlassen und wenn nötig etwas Druck ausüben – so setzt sich Doris Albiez bei Dell für die Gleichbehandlung der Geschlechter ein.
Doris_Albiez
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Interview: Julia Thiem Redaktion

Frau Albiez, Vielfalt, Frauenquote, Equal Pay: Wo stehen wir aktuell in der Debatte?

 

Immer noch ganz am Anfang. Ich wünschte, wir wären weiter. Allerdings wird viel über diese Themen gesprochen. Und ein Diskurs ist bereits eine gute Sache. Er reicht aber bei weitem nicht. Ich schaue deshalb persönlich, dass wir genügend Frauen einstellen und davon ausreichend auf unserer Key-Talent-Liste landen. Damit Vielfalt und Gleichberechtigung in einem Unternehmen funktionieren, muss man mit gutem Beispiel voran gehen und die Menschen immer wieder anschubsen.

 

Was heißt anschubsen?

 

Bei uns gab es in den letzten Monaten einige neue Stellen zu besetzen und am Anfang bekam ich nur Lebensläufe männlicher Bewerber. Ich forderte mehr CVs von weiblichen Kandidaten und erhielt die Rückmeldung, dass dies schwierig sei und wir ja bereits eine gut gefüllte Pipeline hätten. Also weigerte ich mich solange neue CVs freizuzeichnen, bis etwa vier Wochen später tatsächlich richtig gute Lebensläufe von vielversprechenden Frauen auf meinem Tisch landeten. 

 

Sind weibliche Führungskräfte sensibler für diese Themen?

 

Ich bin davon überzeugt, dass der Vorteil von Vielfalt auch von Männern erkannt wird. Es geht vielmehr darum, die eigene Komfortzone öfter zu verlassen. Das gilt für die teilweise einseitige Personalsuche ebenso wie für die Führungsriegen, die in rein männlicher Besetzung erst einmal harmonischer erscheinen. Die Kommunikation ist innerhalb eines Geschlechts oft einfacher.  

 

Weil Frauen anders kommunizieren?

 

Das ist mir erst kürzlich wieder auf einer Konferenz deutlich geworden. Unter den etwa 60 Teilnehmern waren genau fünf Frauen und ihr Redeanteil betrug in den zwei Tagen vielleicht fünf Minuten. Im Dialog mit den Frauen hieß die Erklärung unisono, dass es ihnen unangenehm war, sich in dieser durch männliche Redner dominierten Veranstaltung einzubringen.

 

Sind Sie in Ihrer Karriere schon an die berühmte gläserne Decke gestoßen?

 

Mehrfach. Das waren die Momente, in denen ich ehrlich zu mir selbst sein musste: Ist ein Durchkommen möglich? Wenn es das nicht war, habe ich mich anderweitig orientiert. Ich glaube sogar, dass ist ein großer Vorteil der heutigen Zeit, des öffentlichen Diskurses und der Frauenquote: Talentierte junge Frauen sind in einer starken Position, um an gute Jobs zu kommen. Und bei Widerständen fällt es ihnen nicht schwer, sich neu zu orientieren. 

 

Stichwort Frauenquote: Was halten Sie davon?

 

Da bin ich sehr ambivalent. Wenn ich mir überlege, ob ich eine Quotenfrau sein möchte, heißt die Antwort definitiv nein. Andererseits habe ich immer auch die Chance, im Job zu beweisen, dass ich es eben nicht bin und die Stelle verdiene. Ich glaube aber, dass es ganz ohne Quote wohl nicht gehen wird. 

 

Glauben Sie, dass die Schere zwischen den Geschlechtern geschlossen werden kann?

 

Sie muss geschlossen werden. Allerdings ist es noch ein weiter Weg bis dahin. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn das Schulsystem hier noch besser vorbereiten würde. Mehr Motivation für IT und Technik täte jungen Mädchen gut. 

 

Doris Albiez; Vice President und General Manager Germany bei Dell

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