Der demografische Wandel und der Mangel an Fachkräften sind seit vielen Jahren große Themen in den Personalabteilungen deutscher Unternehmen. Durch die Coronapandemie hat sich diese Entwicklung noch einmal verschärft. Zudem werden in den kommenden Jahren immer mehr Mitarbeiter der Boomer-Generation in Rente gehen. Weniger Arbeitskräfte rücken nach und die haben auch noch ganz andere Vorstellungen von ihrem Berufsleben. Längst buhlen Unternehmen um die geeigneten Kandidaten und müssen dabei immer öfter alte Zöpfe abschneiden.
Mit dem War of Talents wurde lange Zeit der Wettbewerb um die High Potentials beschrieben, jene Hochschulabsolventen, die sich mit den besten Abschlüssen ihrer Hochschulen und Universitäten von der Masse absetzen konnten. Ihnen waren Karriere und hohe Gehälter sicher. Sie konnten aus mehreren Angeboten renommierter Unternehmen auswählen und waren es gewohnt, dass man sie umwirbt.
Darauf waren auch die Personalverantwortlichen in den Unternehmen eingestellt. Doch was vor einigen Jahren nur für Spitzenkräfte galt, wird immer mehr zur Normalität, und zwar in allen Bereichen der Wirtschaft. Egal, ob Industrieunternehmen, Pflegeeinrichtungen, Gastronomie oder Handwerk. Unternehmen müssen sich heute aktiv um geeignete Mitarbeiter kümmern. Eine Stellenanzeige aufgeben, auf die sich praktisch niemand bewirbt, wird immer mehr zur Regel. Das hat zwar zu neuen Recruiting-Strategien und Maßnahmen wie professionellem Onboarding geführt, am Wettbewerb um die Fachkräfte hat sich dadurch aber nichts geändert.
Suche nach Sinn
Auch haben sich deren Anforderungen und Ansprüche fundamental verändert. Während für die Generation der Boomer noch Karriere und Geld die zentralen Triebfedern waren, haben die Millennials (geboren zwischen 1981 und 1995), bereits Aspekte wie Work-Life-Balance als wichtig erachtet. Mit der Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010), die nun in den Arbeitsmarkt dringt, kommen ganz neue Anforderungen hinzu. In den Unternehmen erfordern sie nicht selten einen Kulturwandel.
Grund genug, sich mit der neuen Arbeitnehmer-Generation etwas detaillierter zu beschäftigen. Das hat man sich auch beim Düsseldorfer Modehändler Peek & Cloppenburg gedacht und kurzerhand in Zusammenarbeit mit dem Zukunftsinstitut eine Studie erstellt, mit der das Unternehmen einen tieferen Einblick in die Vorstellungen und Wünsche der Generation Z bekommen wollte. Dafür wurden Menschen zwischen 15 und 25 Jahren befragt. Schon jetzt macht die Generation Z rund ein Drittel der Belegschaft des Modehändlers aus, in Zukunft werden es mehr werden, denn Peek & Cloppenburg möchte ein attraktiver Arbeitgeber für die junge Generation sein.
Das Ergebnis zeigt klar Prioritäten, aber auch Widersprüche, die nicht zuletzt auf die Erfahrungen in der Coronapandemie zurückzuführen sind. Sicherheit, Sinn und Selbstverwirklichung sind der Generation Z im Job besonders wichtig. Dabei steht der Anspruch, sich keine finanziellen Sorgen machen zu müssen, an erster Stelle. Fast gleichbedeutend sind die Wünsche nach einem selbstbestimmten Leben und sinnstiftenden Beruf. Die Befragten erwarten, dass ihre Arbeit einen Mehrwert für die Gesellschaft bietet. Igor Matic, Personalchef bei Peek & Cloppenburg, sieht deshalb die Arbeitgeber in der Verantwortung. Unternehmen, die ihr Handeln an Nachhaltigkeit und Fairness ausrichten, haben dann die Nase vorn. Auch Themen wie Diversität in der Belegschaft und im Management spielen eine wichtige Rolle. Dass die Generation Z in der Kantine vegane Angebote und Bioprodukte erwartet, ist dann schon fast eine Selbstverständlichkeit. All diese Ansprüche werden häufig unter dem Begriff „Purpose“ zusammengefasst und beschreiben damit auch ein Spannungsfeld, in dem sich Unternehmen bewegen müssen: Gewinne erwirtschaften und gleichzeitig Antworten auf die Fragen der Zeit finden.
Wunsch nach Partizipation
Bis zum Jahr 2030 wird sich die Anzahl der Generation Z im Berufsleben verdreifachen und insgesamt rund ein Viertel der Berufstätigen ausmachen. Es ist die erste Generation, die vollständig im Zeitalter moderner Technologien aufgewachsen ist und für die entsprechende Skills selbstverständlich sind. Deshalb werden Fähigkeiten wie Agilität, Kreativität und kritisches Denken viel stärker zum Tragen kommen. Das hat Auswirkungen auf die Vorstellung vom idealen Arbeitsplatz.
Unter anderem damit hat sich die Onlineplattform Zenjob in ihrer Studie „Future of Work“ beschäftigt und kommt zu überraschenden Ergebnissen. Der bevorzugte Arbeitgeber ist ein mittelständisches Unternehmen, es folgen Start-ups und – noch vor den Großkonzernen – die eigene Selbstständigkeit. Damit verändert sich der Wettbewerb um die besten Mitarbeiter und ermöglicht auch Betrieben an hochqualifizierte Bewerber zu kommen, die in den vergangenen Jahrzehnten eher das Nachsehen hatten. Vorausgesetzt, sie nehmen die Zeichen der Zeit wahr. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass für Mitarbeiter von morgen Haltung und Werte im Vordergrund stehen. Sie möchten, dass ihr Arbeitgeber diese vorlebt und ihnen Raum für das eigene Leben, die persönliche Entwicklung, aber auch die Partizipation an der Weiterentwicklung des Unternehmens ermöglicht“, sagt Frederik Fahning, Managing Director bei Zenjob.
Doch wie lassen sich diese Ansprüche in der Praxis umsetzen? Treiber einer neuen Entwicklung sind oftmals Start-ups und kleinere Unternehmen, während sich Themen wie Homeoffice eher bei größeren Unternehmen realisieren lassen. Inzwischen sind längst neue Ideen am Start, die traditionelle Vorstellungen der Berufswelt ins Wanken bringen. Die aktuelle Berufe-Studie 2022 des Versicherers HDI bringt es an den Tag. Demnach plädieren 76 Prozent der Berufstätigen für eine Vier-Tage-Woche, allerdings in den meisten Fällen, ohne dabei auf das volle Gehalt zu verzichten. Aber selbst das wäre für knapp 14 Prozent durchaus vorstellbar. „Besonders junge Berufstätige in Deutschland streben den Ergebnissen unserer Studie zufolge vehement nach mehr Freiräumen im Beruf. Sie wollen mitbestimmen, wo, wann und wie lange sie arbeiten. Ihre Vorstellungen weichen dabei deutlich von den tradierten Arbeitsmodellen ab. Die Corona-Erfahrungen haben diese Einstellungen offenbar stark befördert“, kommentiert Christopher Lohmann, Vorstandsvorsitzender der HDI die Ergebnisse. So können sich auch immer mehr Menschen vorstellen, überhaupt nicht zu arbeiten, wenn sie es finanziell nicht mehr müssten. 2019 liebäugelte nur jeder dritte Berufstätige mit dieser Vorstellung, inzwischen sind es 56 Prozent. Auch hier sind es vor allem die Jüngeren, die sich ein Leben ohne Beruf vorstellen können.