Bereit für den Wandel

Eine neue Arbeitnehmer-Generation dringt in den Arbeitsmarkt – und trifft mit neuen Ansprüchen auf Arbeitgeber, die händeringend nach Fachkräften suchen. Wie positionieren sich Unternehmen im Kampf um Talente?

Illustration: Christian Sommer
Illustration: Christian Sommer
Thomas Feldhaus Redaktion

Der demografische Wandel und der Mangel an Fachkräften sind seit vielen Jahren große Themen in den Personalabteilungen deutscher Unternehmen. Durch die Coronapandemie hat sich diese Entwicklung noch einmal verschärft. Zudem werden in den kommenden Jahren immer mehr Mitarbeiter der Boomer-Generation in Rente gehen. Weniger Arbeitskräfte rücken nach und die haben auch noch ganz andere Vorstellungen von ihrem Berufsleben. Längst buhlen Unternehmen um die geeigneten Kandidaten und müssen dabei immer öfter alte Zöpfe abschneiden.

Mit dem War of Talents wurde lange Zeit der Wettbewerb um die High Potentials beschrieben, jene Hochschulabsolventen, die sich mit den besten Abschlüssen ihrer Hochschulen und Universitäten von der Masse absetzen konnten. Ihnen waren Karriere und hohe Gehälter sicher. Sie konnten aus mehreren Angeboten renommierter Unternehmen auswählen und waren es gewohnt, dass man sie umwirbt.

Darauf waren auch die Personalverantwortlichen in den Unternehmen eingestellt. Doch was vor einigen Jahren nur für Spitzenkräfte galt, wird immer mehr zur Normalität, und zwar in allen Bereichen der Wirtschaft. Egal, ob Industrieunternehmen, Pflegeeinrichtungen, Gastronomie oder Handwerk. Unternehmen müssen sich heute aktiv um geeignete Mitarbeiter kümmern. Eine Stellenanzeige aufgeben, auf die sich praktisch niemand bewirbt, wird immer mehr zur Regel. Das hat zwar zu neuen Recruiting-Strategien und Maßnahmen wie professionellem Onboarding geführt, am Wettbewerb um die Fachkräfte hat sich dadurch aber nichts geändert.
 

Suche nach Sinn

 

Auch haben sich deren Anforderungen und Ansprüche fundamental verändert. Während für die Generation der Boomer noch Karriere und Geld die zentralen Triebfedern waren, haben die Millennials (geboren zwischen 1981 und 1995), bereits Aspekte wie Work-Life-Balance als wichtig erachtet. Mit der Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010), die nun in den Arbeitsmarkt dringt, kommen ganz neue Anforderungen hinzu. In den Unternehmen erfordern sie nicht selten einen Kulturwandel.

Grund genug, sich mit der neuen Arbeitnehmer-Generation etwas detaillierter zu beschäftigen. Das hat man sich auch beim Düsseldorfer Modehändler Peek & Cloppenburg gedacht und kurzerhand in Zusammenarbeit mit dem Zukunftsinstitut eine Studie erstellt, mit der das Unternehmen einen tieferen Einblick in die Vorstellungen und Wünsche der Generation Z bekommen wollte. Dafür wurden Menschen zwischen 15 und 25 Jahren befragt. Schon jetzt macht die Generation Z rund ein Drittel der Belegschaft des Modehändlers aus, in Zukunft werden es mehr werden, denn Peek & Cloppenburg möchte ein attraktiver Arbeitgeber für die junge Generation sein.

Das Ergebnis zeigt klar Prioritäten, aber auch Widersprüche, die nicht zuletzt auf die Erfahrungen in der Coronapandemie zurückzuführen sind. Sicherheit, Sinn und Selbstverwirklichung sind der Generation Z im Job besonders wichtig. Dabei steht der Anspruch, sich keine finanziellen Sorgen machen zu müssen, an erster Stelle. Fast gleichbedeutend sind die Wünsche nach einem selbstbestimmten Leben und sinnstiftenden Beruf. Die Befragten erwarten, dass ihre Arbeit einen Mehrwert für die Gesellschaft bietet. Igor Matic, Personalchef bei Peek & Cloppenburg, sieht deshalb die Arbeitgeber in der Verantwortung. Unternehmen, die ihr Handeln an Nachhaltigkeit und Fairness ausrichten, haben dann die Nase vorn. Auch Themen wie Diversität in der Belegschaft und im Management spielen eine wichtige Rolle. Dass die Generation Z in der Kantine vegane Angebote und Bioprodukte erwartet, ist dann schon fast eine Selbstverständlichkeit. All diese Ansprüche werden häufig unter dem Begriff „Purpose“ zusammengefasst und beschreiben damit auch ein Spannungsfeld, in dem sich Unternehmen bewegen müssen: Gewinne erwirtschaften und gleichzeitig Antworten auf die Fragen der Zeit finden.
 

Wunsch nach Partizipation

 

Bis zum Jahr 2030 wird sich die Anzahl der Generation Z im Berufsleben verdreifachen und insgesamt rund ein Viertel der Berufstätigen ausmachen. Es ist die erste Generation, die vollständig im Zeitalter moderner Technologien aufgewachsen ist und für die entsprechende Skills selbstverständlich sind. Deshalb werden Fähigkeiten wie Agilität, Kreativität und kritisches Denken viel stärker zum Tragen kommen. Das hat Auswirkungen auf die Vorstellung vom idealen Arbeitsplatz.

Unter anderem damit hat sich die Onlineplattform Zenjob in ihrer Studie „Future of Work“ beschäftigt und kommt zu überraschenden Ergebnissen. Der bevorzugte Arbeitgeber ist ein mittelständisches Unternehmen, es folgen Start-ups und – noch vor den Großkonzernen – die eigene Selbstständigkeit. Damit verändert sich der Wettbewerb um die besten Mitarbeiter und ermöglicht auch Betrieben an hochqualifizierte Bewerber zu kommen, die in den vergangenen Jahrzehnten eher das Nachsehen hatten. Vorausgesetzt, sie nehmen die Zeichen der Zeit wahr. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass für Mitarbeiter von morgen Haltung und Werte im Vordergrund stehen. Sie möchten, dass ihr Arbeitgeber diese vorlebt und ihnen Raum für das eigene Leben, die persönliche Entwicklung, aber auch die Partizipation an der Weiterentwicklung des Unternehmens ermöglicht“, sagt Frederik Fahning, Managing Director bei Zenjob.

Doch wie lassen sich diese Ansprüche in der Praxis umsetzen? Treiber einer neuen Entwicklung sind oftmals Start-ups und kleinere Unternehmen, während sich Themen wie Homeoffice eher bei größeren Unternehmen realisieren lassen. Inzwischen sind längst neue Ideen am Start, die traditionelle Vorstellungen der Berufswelt ins Wanken bringen. Die aktuelle Berufe-Studie 2022 des Versicherers HDI bringt es an den Tag. Demnach plädieren 76 Prozent der Berufstätigen für eine Vier-Tage-Woche, allerdings in den meisten Fällen, ohne dabei auf das volle Gehalt zu verzichten. Aber selbst das wäre für knapp 14 Prozent durchaus vorstellbar. „Besonders junge Berufstätige in Deutschland streben den Ergebnissen unserer Studie zufolge vehement nach mehr Freiräumen im Beruf. Sie wollen mitbestimmen, wo, wann und wie lange sie arbeiten. Ihre Vorstellungen weichen dabei deutlich von den tradierten Arbeitsmodellen ab. Die Corona-Erfahrungen haben diese Einstellungen offenbar stark befördert“, kommentiert Christopher Lohmann, Vorstandsvorsitzender der HDI die Ergebnisse. So können sich auch immer mehr Menschen vorstellen, überhaupt nicht zu arbeiten, wenn sie es finanziell nicht mehr müssten. 2019 liebäugelte nur jeder dritte Berufstätige mit dieser Vorstellung, inzwischen sind es 56 Prozent. Auch hier sind es vor allem die Jüngeren, die sich ein Leben ohne Beruf vorstellen können.
 

Zenjob Gen Z Studie 2022
Zenjob Gen Z Studie 2022

Weniger arbeiten, mehr leisten


Noch sind die Vorbehalte in Deutschlands Unternehmen gegenüber einer Vier-Tage-Woche oder alternativ einer 30-Stunden-Woche groß, vor allem, wenn diese nicht mit Lohnverzicht einhergehen. Eine 3- oder 4-Tage-Woche würde dem klassischen Teilzeitmodell entsprechen und sei auch schon heute möglich, ist die weitverbreitete Auffassung der Verbände. Als Kompromiss wird dann eine Regelung mit festen Homeoffice-Tagen ins Feld geführt. Mutig nach vorne gehen wollen die meisten Arbeitgeber noch nicht und halten an traditionellen Arbeitszeitmodellen mit nuancierten Anpassungen fest.

Ob die dabei vorgebrachten Argumente wie Umsatzeinbruch, Erreichbarkeit und Schwierigkeiten bei der Organisation wirklich tragen, wird derzeit in Großbritannien in einem großen Feldversuch von der 4 Day Week Global Initiative getestet. 73 Unternehmen der unterschiedlichsten Größen und Branchen stellen in der Zeit von Juni bis November 2022 ihren Betrieb auf eine Vier-Tage-Woche um und liefern ihre Erkenntnisse unter anderem an die Cambridge Universität, die den Feldversuch wissenschaftlich begleitet. „Die Unternehmen, die an dem Pilotprojekt teilnehmen, liefern Echtzeitdaten und Erkenntnisse, die Gold wert sind“, sagt Joe O'Connor, CEO der 4 Day Week Global Initiative. „Sie legen damit den Grundstein für die Zukunft der Arbeit.“

Zur Halbzeit wurden bereits erste spannende Erkenntnisse veröffentlicht. Die meisten beteiligten Unternehmen sind mit den Resultaten der ersten Monate sehr zufrieden. Bei etwa der Hälfte wurden keine Veränderungen der Produktivität festgestellt, aber immerhin 34 Prozent konnten eine leichte und 15 Prozent sogar eine deutliche Produktivitätssteigerung verbuchen. „Bei den meisten Unternehmen verlief die Umstellung reibungslos“, so O'Connor. „Aber natürlich gab es in einigen Unternehmen auch Hürden zu überwinden, besonders bei solchen mit sehr starren Strukturen.“ Doch auch in diesen Unternehmen spielen sich die neuen Arbeitszeitformen langsam ein. So verwundert es nicht, wenn 86 Prozent der beteiligten Unternehmen eine Beibehaltung der Vier-Tage-Woche in Erwägung ziehen.
 

»Noch sind die Vorbehalte in Deutschlands Unternehmen gegenüber einer Vier-Tage-Woche oder alternativ einer 30-Stunden-Woche groß, vor allem, wenn diese nicht mit Lohnverzicht einhergehen.«


Auch in einigen anderen europäischen Ländern sowie in den USA und Kanada werden ähnliche Arbeitszeitmodelle erprobt. In Deutschland konnten sich bislang nur vereinzelt kleinere Unternehmen dazu durchringen. Mit der Hornbach-Gruppe ist nun ein größerer Player vorgeprescht und bietet seinen 11.000 Mitarbeitern ab dem kommenden Jahr an, ihre Arbeitszeit selbst zu gestalten. „Früher richtete sich die Soll-Arbeitszeit nach Maschinen, heute geht es um den Menschen“, sagt Jochen Braun, Mitglied der Geschäftsleitung. „Wir wollen engagierte Mitarbeiter gewinnen und halten. Dafür müssen wir auch attraktive Rahmenbedingungen schaffen.“ Den Mitarbeitern stehen insgesamt fünf Bausteine zur Verfügung, aus denen sie sich ihre individuelle Arbeitszeit zusammenstellen können. Möglich ist sowohl eine Reduzierung, eine Umverteilung oder eine Aufstockung der Arbeitszeit. In einem ersten Schritt hat die Baumarktkette eine Testphase mit 330 Mitarbeitern durchgeführt. Überrascht vom positiven Ergebnis sollen nun alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Führungskräfte davon profitieren.
 

Mitarbeiter als Unternehmer

 

Doch längst nicht jeder junge Mitarbeiter strebt nach mehr Freizeit. Ebenso bedeutend ist die Selbstverwirklichung im Berufsalltag. Dabei wird nicht eine klassische Karriere angestrebt, sondern die Möglichkeit, sich mit seinen Fähigkeiten und seiner Kreativität zur Weiterentwicklung des Unternehmens einzusetzen. Eigentlich eine Win-win-Situation, denn nur wer Innovation fördert, wird als Unternehmen in der Zukunft noch eine Rolle spielen.

Tatsächlich nimmt das Thema in der deutschen Wirtschaft an Fahrt auf. Mit sogenannten Intrapreneurship-Programmen fördern Firmen ein unternehmerisches Mindset bei ihren Mitarbeitenden. Und das mit Erfolg, denn neue Produkte kommen häufig genau aus solchen Unternehmen. „Insbesondere, um aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu begegnen, sind Intrapreneurship-Aktivitäten ein Weg, um als etabliertes Unternehmen wieder innovativer zu werden“, sagt Prof. Dr. Matthias Baum, Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship und digitale Geschäftsmodelle und Mitautor des Intrapreneurship-Monitors. In der Praxis laufen entsprechende Initiativen allerdings nicht immer rund. Widerstände kommen häufig aus dem mittleren Management. Zudem kratzt Intrapreneurship an etablierten Strukturen und löst damit fast zwangsläufig Widerstände aus. Zu geringe Budgets und eine mangelhafte Fehlerkultur im Unternehmen sind weitere Stolpersteine.

Eine Lösung wäre die Kooperation mit externen Start-ups, wie sie immer mehr Unternehmen eingehen, die sich in diese Richtung weiterentwickeln wollen. Auch die Coronapandemie wirkte hier als Booster für mehr Experimentierfreudigkeit, als plötzlich neue Geschäftsmodelle oder digitale Produkte gefragt waren. Klar ist: Unternehmen, die ihr Innovationsmanagement ernst nehmen und neuen Lösungen gegenüber aufgeschlossen sind, profitieren nicht nur bei der Geschäftsentwicklung, sondern können auch im Wettbewerb um Nachwuchstalente punkten.
 

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