(K)eine Frage von Generationen?!

Viel wird der Generation Z nachgesagt – vor allem wird ihr mangelnde Arbeitsmoral unterstellt. Doch ist sie wirklich so anders in ihren Ansprüchen als ältere Generationen?

Illustration: Marcela Bustamante
Illustration: Marcela Bustamante
Petra Lahnstein Redaktion

Zweimal in der Woche eine Stunde zur Arbeit fahren? „Sehe ich nicht ein, wenn ich den Job von zuhause genauso gut erledigen kann!“, „Wenn man mich schlecht behandelt, wechsle ich eben den Job!“ „Zeit für mich, meine Freunde und meine Hobbies sind mir wichtig – Überstunden würde ich nur in Ausnahmefällen machen.“

Es sind Sätze wie diese, ausgesprochen von jungen Menschen der Generation Z, also der Jahrgänge von etwa 1996 bis 2009, die die Diskussion um überzogene Forderungen junger Arbeitnehmer:innen anfeuern. Sätze, die ganz unverblümt, offen und ehrlich nicht nur im Freundeskreis, sondern auch gegenüber Eltern und Kolleg:innen, ja, bisweilen sogar in Vorstellungsgesprächen geäußert werden. Und so wundert es nicht, wenn die Generation Z, ebenso wie vor einigen Jahren die Generation Y (ca. 1981 – 1995) Gegenstand vieler Studien und Befragungen ist.

„Anspruchsvoll und wechselwillig“, „Karriere ja, aber nicht um jeden Preis“, „Wohlbefinden und Glück wichtiger als Geld verdienen“, „Arbeitsscheu und empfindlich“, „Zu selbstbewusst und unverschämt“ – Aufmerksamkeitsstarke Schlagzeilen wie diese sorgen für Unmut bei älteren Kollegen und Unsicherheit bei Arbeitgeber:innen, die händeringend auf der Suche nach jungen Fachkräften sind. Doch was ist dran an Aussagen wie diesen? Tickt die Generation Z wirklich so anders als ältere Arbeitnehmer?
 

WÜNSCHE GAR NICHT SO EXTREM


Ein Blick in die Studien zeigt: Nicht nur Ergebnisse widersprechen sich zum Teil, oft sind die zugrunde liegenden Wünsche der jungen Menschen nicht so extrem, wie manch eine Überschrift es einem glauben machen mag. Betrachtet man die Erwartungen und Hoffnungen, die sie an ihr Arbeitsleben knüpfen, genauer, kann man diese Ergebnisse notieren:

Die „Gen X“ wünscht sich, auf der Arbeit gebraucht und von anderen anerkannt zu werden, sie wollen einen positiven Beitrag leisten und eine sinnhafte Tätigkeit ausüben. Sie erwarten ein gutes Betriebsklima und eine gute Arbeitsatmosphäre, sie wollen eigene Ideen einbringen und Verantwortung übernehmen, sie wollen nicht nur orts- und zeitflexibel arbeiten, sondern auch ihre tägliche Arbeit frei einteilen können. Sie wünschen sich empathische Vorgesetzte, Anerkennung sowie eine Führung auf Augenhöhe. Sie erwarten, dass der Arbeitgeber:innen gesundheitsförderliche Maßnahmen anbieten und die Arbeit nicht zu stressig wird, sodass sich Arbeit und Privatleben gut vereinbaren lassen. Sie wollen selbstbestimmt arbeiten und sehnen sich nach Planbarkeit, Sicherheit und einer offenen und transparenten Kommunikation.

Wer würde sich das nicht wünschen, unabhängig davon wie alt er ist?

Leider gehen nur wenige Studien dieser Frage nach und bleiben stattdessen bei der Methode, nur einer kleinen Gruppe einer Generation bestimmte Fragen zu stellen, was bisweilen auch zu sehr unterschiedlichen Antworten und Ergebnissen innerhalb der Generation führt.

Sogenannte Längsschnittstudien, die mehrere Kohorten gleichen Alters zu mehreren Zeitpunkten zu denselben Themen befragen, kommen indes zu einem ganz anderen Ergebnis: Unter allen derzeit am Arbeitsmarkt beschäftigten Generationen sind kaum Unterschiede in der Einstellung in Bezug auf Arbeit, Erfolg, Beruf, Selbstverwirklichung und Privatleben festzustellen. Wenn es zu Unterschieden kommt, so die Langzeitstudien, dann ist dies auf den Alterseffekt zurückzuführen, der wiederum für alle Generationen gilt.
 

DIE ELTERN ALS VORBILD


Dennoch bleibt festzuhalten: Ja, die Generation Z ist anders als alle Generationen vor ihr, aber nicht, weil sie etwas völlig anderes will, sondern weil sie das, was sie will, ehrlich, offen, direkt und mutig ausspricht und bereit ist, konsequent den Job zu wechseln oder gar nicht erst anzutreten, wenn ihre Erwartungen, Wünsche und Werte nicht erfüllt werden. Mutig? Frech? Genau richtig? Das möge jede und jeder für sich selbst beurteilen. Interessant scheint aber auf jeden Fall die Frage nach dem Warum?

Vielleicht wollen sie es anders, vermeintlich besser machen als die Generationen zuvor. Sie wollen arbeiten, aber genug Freizeit für Familie und Freunde haben – vielleicht auch, weil sie erlebt haben, wie es sich anfühlt, wenn es nicht so ist. Sie wollen Geld verdienen, vielleicht sogar Karriere machen, aber sie wollen nicht gefangen sein in einem Hamsterrad aus Stress und Zeitdruck, der zu Ängsten, Depressionen, Burnout, Abhängigkeiten und Krankheiten führen kann. Sie wollen einen wertschätzenden Umgang und eine ehrliche Kommunikation, weil es das ist, was ihre Eltern von ihnen bis heute erwarten.

Flexible Arbeitszeiten, Home-Office, Duz-Kultur – seit Jahren verändert sich unsere Arbeitswelt. Nicht nur die Generation Z möchte anders arbeiten, wir alle sprechen offener darüber, was wir brauchen, um zufriedener zu sein. Und das aus gutem Grund. Neueste Studien zeichnen ein trauriges Bild der Arbeitswelt in Deutschland: Mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter:innen macht nur noch Dienst nach Vorschrift, jeder sechste Arbeitnehmende hat seinen Job bereits innerlich gekündigt und rund fünf Millionen Menschen sind so unzufrieden, dass sie am liebsten sofort kündigen würden. Unzufriedenheit wiederum lässt sich fast immer mit der Nichterfüllung von Bedürfnissen erklären und zu den drei wichtigsten psychologischen Grundbedürfnissen zählen Freiheit, Sicherheit und Sinn – auch auf der Arbeit.
 

POSITIVER WANDEL FÜR ALLE


Warum fragen wir uns im Bewusstsein dieser Ausgangslage nicht einfach: Was ist gut daran, wenn die Generation Z so forsch bessere Arbeitsbedingungen einfordert? Arbeitgeber:innen fördern bewusster die Zusammenarbeit von Teams und genehmigen häufiger Weiterbildungen in diesem Bereich, Führungskräfte hinterfragen ihre Rolle und verwenden wieder mehr Zeit auf Führung als auf fachliche Arbeit, Unternehmen investieren mehr Geld für Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und unterstützen Coaching, Teambuilding- und Konfliktmanagementmaßnahmen und neue Themen wie Stärkenorientierung, Potenzialentfaltung, psychologisches Wohlbefinden und persönliche Werte finden Einzug in den Arbeitsalltag.

Zukunftsforscher:innen zufolge darf man davon ausgehen, dass diese Veränderungen kommen und bleiben werden und sie werden das Arbeitsleben, die Motivation und die Freude an der Arbeit für alle Generationen positiv beeinflussen. Wie schön!
 

Nächster Artikel
Karriere
Oktober 2023
Illustration: Marina Labella
Redaktion

Suche nach Sinn

Mehr und mehr Start-ups verschreiben sich dem Umwelt- und Klimaschutz. Ihr Image als Problemlöser kommt bei Bewerberinnen und Bewerbern gut an, viele Fachkräfte suchen nach Sinnhaftigkeit im Job.