Nach einem Stimmungstief in der Corona-Pandemie blickt die Jugend wieder optimistischer auf ihre Bildungsperspektiven. Damit ist die Trendwende erreicht, sagt die Bertelsmann-Stiftung in ihrer aktuellen Jugendstudie. Was allerdings bleibt, ist die weit verbreitete Ratlosigkeit, wohin der neu entdeckte Bildungsoptimismus nach der Schule gehen soll.
Jugendforscher Prof. Klaus Hurrelmann sieht das Dilemma, in dem Jugendliche stecken, wenn er daraufhin weist, dass es an verlässlichen Lotsen und Mentoren mangelt. Informationen gibt es viele, was in der Tat fehlt, ist Orientierung. Viele Jugendliche tun sich schwer, ihre Ausbildungs- oder Studienwünsche zu bündeln und zu benennen. Aber: Nur wenn ich weiß, was ich will, finde ich, was ich suche.
Welcher Bildungsweg passt zu meinen Stärken, Interessen und Wünschen? Was ist das Richtige für mich – ein Studium oder doch lieber eine Ausbildung? Schulabgänger sind sich über ihre Stärken und Schwächen oft nicht im Klaren. So wird die Entscheidung über den Ausbildungsberuf oder das Studienfach hinausgezögert. Beliebt sind schulische Schleifen. Alles soll perfekt sein, eine falsche Entscheidung ist der Horror – für den Jugendlichen und die Familie.
SCHLECHT INFORMIERT UND BLIND BRAUCHT NIEMAND ZU SEIN
Natürlich kann die Fortsetzung der schulischen Bildung sinnvoll sein. Beispielsweise, wenn der junge Mensch seinen Abschluss vermasselt hat. In einem solche Fall ist der Besuch einer Berufsfachschule durchaus zu empfehlen. Ein wettbewerbsfähiger Schulabschluss ist notwendig in die Arbeitswelt.
Aber egal welcher Bildungsweg nach der Schule der Favorit ist, schlecht informiert und blind braucht niemand an den Start zu gehen. Es gibt viele Informationen, die zur Verfügung stehen. Alles digital, so wie es die Smartphone-Generation gewöhnt ist. Zwar ist nicht alles in mundgerechten TikTok-Schnipseln verpackt, aber egal ob es die Agentur für Arbeit mit ihrem Berufenet ist oder die Hochschulrektorenkonferenz mit dem Hochschulkompass, sie alle bieten gute und verlässliche Infos zur Ausbildungs- und Studienwahl (vgl. Info-Box).
Außerdem: Betriebe und Verwaltungen haben in ihrem Internetauftritt meist eine Karriereseite integriert. Hier gibt es Informationen für Berufsstarter, egal ob sie ein Praktikum, eine betriebliche Ausbildung oder ein duales Studium planen. Welche Hochschulabsolventen oder Studienabbrecher die Betriebe suchen, ist hier zu finden. Ein Praktikum ist eine gute Möglichkeit, um die Arbeitswelt kennenzulernen und sich auszuprobieren.
TRADITIONELLE BILDUNGSWEGE SIND AUFGEBROCHEN
Die traditionellen Bildungswege, geprägt durch Familie und Schule – etwa: alle mit einem Haupt- oder Realschulabschluss gehen in eine betriebliche Ausbildung und Abiturienent:innen studieren – verlieren an Bedeutung. Diese Entwickelung verschärft aber gleichzeitig den Orientierungsbedarf von Schülern. Viele Jugendliche erschlägt die Fülle an Informationen. Weil sie oft noch nicht wissen, wofür sie eigentlich „brennen“, haben sie keine Orientierung für ihre Berufe-Reise durch das Internet.
Das duale Studium: Kein traditionsreiches Bildungsangebot erfreut sich solch steigender Beliebtheit. Dieses Modell kommt durch seine Verzahnung von wissenschaftlichen Inhalten an der Hochschule und der Praxis in den Betrieben und Verwaltungen den Interessen vieler entgegen. Die Anzahl der dual Studierenden hat sich in den letzten zehn Jahren auf nahezu 140.000 verdoppelt. Auch bei Betrieben sind duale Studiengänge inzwischen beliebt. Nach 12 oder 13 Jahren Schule sind die meisten Absolvent:innen theoriemüde. Sie suchen nach Lernmöglichkeiten, die Theorie und Praxis verbinden. Deshalb haben sie für Fachhochschulen und das duale Studium viel Sympathie.
In der Welt der Bildung herrscht seit einigen Jahren große Dynamik. Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung ist so groß wie nie zuvor. Bildungsstarter:innen eröffnen sich Möglichkeiten, von denen sie bislang nichts wussten. Die Entscheidung für einen Bildungspfad, und eng verbunden damit für einen Beruf, war früher eine Entscheidung fürs Leben. Das ist nicht mehr so, stringente Berufswege gibt es immer seltener. Jobwechsel im Lebensverlauf sind längst normal. Beschäftigte wechseln im Laufe ihres Arbeitslebens durchschnittlich dreibis viermal den Job, manche noch öfter. Einige berater:innen raten, sich alle drei Jahre nach einem neuen Arbeitgebenden umzusehen. Wichtig ist bei so viel Job-Hopping, dass der Wechsel sinnvoll zu begründen ist. Zu Recht schlussfolgert das Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), eine der besten Adressen in Deutschland, wenn es um die Berufswelt und den Arbeitsmarkt geht: „Allein aufgrund finanzieller Erwartungen sollte man sich nicht für ein Studium entscheiden.“ Die Forscher raten dazu, neben der Gehaltshöhe auch „individuelle Vorlieben, Neigungen und Fähigkeiten sowie nichtmonetäre Aspekte“ wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei der Berufswahl zu berücksichtigen.
DURCHLÄSSIGKEIT IST INZWISCHEN MEHR ALS EINE FORDERUNG
Die Bildungs- und Beschäftigungswege der Menschen verlaufen nicht immer gradlinig. 29 Prozent der Studienanfänger brechen ihr Bachelor-Studium ab, in der betrieblichen Berufsausbildung sind es mit knapp 30 Prozent sogar etwas mehr. Deshalb ist es gut, dass es inzwischen mehr Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung gibt. Das erleichtert Umorientierungen und ermöglicht Anschlussoptionen.
Verwirrendes Angebot
Beeindruckend sind schon die nackten Zahlen: Es gibt rund 9.200 Bachelor-Studiengänge in Deutschland, 1.600 duale Studiengänge und 327 Ausbildungsberufe. Um einen Überblick zu bekommen, gibt es zwei wichtige Internetadressen: www.hochschulkompass.de und www.web.arbeitsagentur.de (berufenet). Wer sich Klarheit über seine Stärken und Interessen verschaffen will, sollte den Check-U-Fragebogen der Bundesagentur für Arbeit nutzen – zu finden unter www.planet-beruf.de.