Handbremse lösen

Die Digitalisierung macht auch vor dem Controlling und Rechnungswesen der Unternehmen nicht halt. Dennoch ist man hier meist noch zögerlich. Warum?
Illustration: Ivonne Schulze
Mirko Heinemann Redaktion

In regelmäßigen Abständen untersuchen die Wirtschaftsprüfer von KPMG den Stand der Digitalisierung beim Rechnungswesen. Gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München befragen sie 150 Finanzvorstände und leitende Mitarbeiter im Rechnungswesen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In der aktuellen – der mittlerweile dritten – Studie fällt ein Wörtchen in irritierender Weise auf: „langsam”. Es bildet einen krassen Gegensatz zu der Dynamik, welche die Digitalisierung in anderen Lebensbereichen entfaltet.


„Langsam, aber stetig”, kann man da lesen, vollziehe sich die Digitalisierung des Rechnungswesens. Zwar hätten zwei Drittel der Unternehmen eine Digitalisierungsstrategie oder beschäftigten sich damit. Und zu über 90 Prozent seien Rechnungswesen, Controlling und Verwaltung Bestandteil der Strategie. Doch immer noch liege der Vorrang in den meisten Finanzabteilungen darin, dem digitalen Wandel den Weg zu bereiten, indem sie etwa Basissysteme vereinheitlichten und Arbeitsabläufe standardisierten. Neue Technologien breiten sich demnach nur zögerlich aus. Zwar testen viele Unternehmen Big-Data-Analysetools, Self-Service-Reporting und In-Memory-Datenbanken oder planen, diese einzuführen. Software Bots und Machine Learning werden hingegen nur vereinzelt eingesetzt, während Blockchain für die Mehrheit der Befragten derzeit überhaupt kein Thema ist.


Noch ist die digitale Handbremse also vielerorts angezogen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Unsicherheit über die Frage, wie gut geschützt die sensiblen Unternehmensdaten auf dem Cloud-Server eines externen Anbieters sind. Überforderung. Angst vor Kontrollverlust. Mangelnde IT-Skills bei den Angestellten. Skepsis in der Geschäftsführung. Dabei werden für die Unternehmensführung systematische Entscheidungsunterstützungen auf Basis der stetig anwachsenden Datenmengen – sogenannte „Advanced Analytics“ – immer interessanter. Im Mittelpunkt stehen dabei mathematische, statistische und ökonometrische Modelle, die auf Grundlage der wachsenden Datenmengen neue entscheidungsrelevante Erkenntnisse generieren.


Die Erweiterung von Advanced Analytics ist Predictive Analytics – Algorithmen, die selbstständig Vorhersagen treffen und Optimierungsvorschläge machen. Auf Grundlage statistischer Modelle stellen sie Beziehungen zu historischen Daten her und übertragen sie auf zukünftige Entwicklungen. Unternehmenslenker können so Szenarien generieren. Prognosen auf Knopfdruck quasi.


Ziemlich weit vorn in Sachen Advanced Analytics ist das Unternehmen Bosch. Dort kann man bereits auf Erfahrungen mit datenbasierten Entscheidungshilfen verweisen, wobei die Betonung immer noch auf „Hilfen” liegt: Die konkrete Umsetzung erfolgt weiterhin durch den Experten. Erste Ergebnisse seit der Einführung in 2018 haben aber bereits gezeigt, dass der Algorithmus bessere Ergebnisse hervorbringt als die Einschätzungen der Experten. Sobald das Vertrauen in die Algorithmen gestärkt ist, soll dann auch bei Bosch „Predictive Advanced Analytics” zum Zuge kommen: Prognosen sollen dann zukünftig ohne Experten möglich sein.

 

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