Die erste Begegnung von Elon Musk mit der deutschen IG Metall sei ein „kleiner Kulturschock“ gewesen, so das Manager Magazin. Musk, Visionär, Gründer der Bezahlplattform PayPal und des Raketenunternehmens Space X, führt außerdem den Elektroauto-Pionier Tesla. Tesla hatte Anfang des Jahres den deutschen Zulieferer Grohmann übernommen, um seine stotternde Produktion beim Model 3 auf Vordermann zu bringen. Der Maschinenbauer aus der Eifel baut automatisierte Fertigungsanlagen.
Die IG Metall heizte Musk kräftig ein: Sie hinterfragte das unternehmerische Konzept des Visionärs, forderte einen Tarifvertrag, Tariflöhne, Jobgarantien. Musk schlug zurück. Tesla diene der Mission, den Übergang zu nachhaltiger Energie zu beschleunigen, schrieb er, „und ich glaube nicht, dass die IG Metall unsere Mission teilt“. Jetzt befürchten Wirtschaftsexperten das Schlimmste: Derzeit suche Tesla einen Standort für eine so genannte Gigafactory in Europa. Negative Erfahrungen mit Gewerkschaften, so unken sie, könnten den Kandidaten Deutschland zurückwerfen. Stimmt das wirklich?
Zuallererst: So gut wie heute ging es der deutschen Wirtschaft lange nicht, und es wird wohl noch besser kommen. „Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft gewinnt an Breite und erfasst immer mehr Branchen“, so die Herbstprojektion der Bundesregierung: Konsumausgaben, Bauinvestitionen, die Exportwirtschaft und die Investitionen in Ausrüstungen steigen. Wachstumsprognose 2017: preisbereinigt 2,0 Prozent. Dies wäre das stärkste Wirtschaftswachstum seit sechs Jahren.
Wie sich die Einstellung der Arbeitnehmer auf den Gewinn der Unternehmen auswirkt, das hat die Unternehmensberatung Gallup erforscht. Nach einer aktuellen Studie gehen der deutschen Wirtschaft bis zu 105 Milliarden Euro pro Jahr verloren, weil Arbeitnehmer innerlich gekündigt haben und entsprechend unmotiviert zu Werke gehen. Wer aber motiviert ist, fühlt sich dem Unternehmen verbunden, plant dort eine dauerhafte berufliche Karriere. Er sagt es anderen weiter und rekrutiert auf diese Weise mittelbar neue Fachkräfte.
Motiviert aber sind Arbeitnehmer, die im Unternehmen mitbestimmen können und fair bezahlt werden. Dafür sind Gewerkschaften nicht ausschließlicher Garant, aber sie haben in Deutschland eine starke Tradition. In Deutschland können Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände eigenständig Tarifverträge abschließen. Die damit verbundene freie Entscheidung über Löhne, die Branchen, die Größe und konjunkturelle Lage von Unternehmen berücksichtigt, gibt der Wirtschaft hohe Flexibilität. Unvergessen: die Debatten und letztlich die Zustimmung der Gewerkschaften zu den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, aus Einsicht in das Notwendige. Was folgte, war der größte Aufschwung seit der Nachkriegszeit.
Für amerikanische Unternehmer, wo es in der Regel Einzeltarifverträge gibt, mag all dies als einschränkend empfunden werden. Doch im Gegenzug gewinnt die Gesellschaft Stabilität und sozialen Frieden. Der ist den Deutschen wichtig. Häuser hinter Stacheldraht, Wachdienste und Gated Communities – das sind abschreckende Beispiele aus Übersee. Es sollte deshalb auch im Eigeninteresse der Eliten liegen, die Grundregeln der sozialen Gerechtigkeit einzuhalten.
Der soziale Friede wird in Deutschland in Umfragen von Unternehmern regelmäßig als einer der wichtigsten Standortvorteile genannt. So führte 2009 ein Wirtschaftsforschungsinstitut im Auftrag der Bundesregierung eine Umfrage unter mittelständischen Unternehmern durch. Die Forscher wollten herausfinden, ob die Soziale Marktwirtschaft 60 Jahre nach ihrer Einführung noch als Leitbild akzeptiert wird.
Die Zustimmung war überwältigend: 80 Prozent der Teilnehmer waren der Ansicht, dass sich die Soziale Marktwirtschaft bewährt habe. Drei Viertel sprachen ihr eine Zukunft als Leitbild für die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in Deutschland zu. Ebenso viele nutzen die ethischen Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft für die eigene Orientierung – und damit als Leitbild, an dem man festhalten sollte.
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