Der Rohstoffverbrauch in Deutschland beläuft sich jährlich auf über 16 Tonnen – pro Kopf. Das ist nicht nur ökologisch deutlich zu viel. Für dieses Jahr hatte die Menschheit die globalen natürlichen Ressourcen bereits am 24. Juli aufgebraucht. Seitdem beanspruchen Menschen für das übrige Jahr mehr Acker- und Weideland, Fischgründe und Wald, als rechnerisch zur Verfügung stehen. Außerdem stoßen sie mehr CO2 aus, als Wälder und Ozeane aufnehmen können.
Deutschland, im internationalen Vergleich pro Kopf ein Großverbraucher, hat noch ein anderes Problem: Die hiesige Wirtschaft ist auf Rohstoffe aus aller Welt angewiesen. Während der Pandemie zeigte sich jedoch, wie fragil die globalen Lieferketten sind. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine drohte zudem ein Gasmangel, für Heizungen wie die Industrie elementar. Im Zuge der Digitalisierung benötigt Deutschland sogenannte Seltene Erden und ist hierbei von Lieferanten wie China abhängig. Die Kunststoffproduktion basiert bislang auf Erdöl.
„Unser Ziel ist, den Primärrohstoffverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren, heimische sowie europäische Ressourcen besser zu nutzen, Rohstoffimporte zu diversifizieren und Handels- und Rohstoffpartnerschaften auf Augenhöhe abzuschließen.“ So steht es im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung. Aber was genau heißt das? Ende 2024 hatte die Ampel bereits eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) entwickelt. Ihre Ziele: Zum einen soll der Verbrauch neuer (primärer) Rohstoffe verringert werden. Aus den bislang über 16 Tonnen pro Kopf sollen bis 2045 sechs bis acht Tonnen werden. Hierbei orientiert sich die NWKS am Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Stoffkreisläufe sollen geschlossen werden. Derzeit sind nur 13 Prozent der in Deutschland eingesetzten Rohstoffe schon einmal genutzte, wiederaufbereitete Rohstoffe, sogenannte Sekundärrohstoffe. 87 Prozent sind neu abgebaute (Primär-)Rohstoffe. Der Anteil der Sekundärrohstoffe am Rohstoffverbrauch soll bis 2030 verdoppelt werden. Hier folgt die NKWS einem Ziel der EU.
Die Unabhängigkeit von Rohstoffimporten soll gestärkt werden. 25 Prozent des Bedarfs an strategischen Rohstoffen sollen bis 2030 durch Recycling gedeckt werden. Auch hier folgt die NWKS einem von der EU gesteckten Ziel. Außerdem: Abfall vermeiden!
»Die Kreislaufwirtschaft ist ein Wachstumsmarkt mit Zukunft.“«
Pro Kopf sollen bis zum Jahr 2030 zehn Prozent und bis zum Jahr 2045 20 Prozent weniger Abfall produziert werden, jeweils im Vergleich zum Jahr 2020.
Doch wie geht es nach dem Regierungswechsel damit weiter, wie wird die NWKS konkret umgesetzt? „Im Herbst 2025 wird unser Ministerium ein Eckpunktepapier zur Umsetzung mit konkreten Maßnahmen vorlegen“, so ein Sprecher des Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN). Kreislaufwirtschaft sei ein Geschäftsmodell, das nicht nur von öffentlichen Unternehmen und Kommunen, sondern auch von verschiedenen privaten Startups, Unternehmen und Konzernen entwickelt werde. Dafür brauche es neben öffentlicher Förderung auch private Investitionen in innovative Lösungen. „Das BMUKN plant die Einrichtung einer Plattform ab 2026, um einen regelmäßigen Austausch mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft über die Frage zu ermöglichen, wann welche Akteure Beiträge zur Kreislaufwirtschaft leisten können.“ „Das klingt bislang alles nett, ist aber noch eine Blackbox“, sagt Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft, zum bisherigen Stand der Dinge. „Die Strategie steht und fällt mit der finanziellen Ausstattung.“ Für die Umsetzung und Flankierung der NKWS will der Bund bis 2029 insgesamt rund 260 Millionen Euro bereitstellen. „Das ist zu wenig“, so Reuter. Was sie außerdem kritisch betrachtet: Die eigenständige Abteilung Kreislaufwirtschaft sei im Umweltministerium aufgelöst und eingegliedert worden. „Das erweckt nicht den Eindruck, dass diesem Thema die angemessene Bedeutung zugemessen wird.“ Inhaltlich fragwürdig sei, dass die Senkung des Primärrohstoffverbrauchs mittlerweile nicht mehr als konkretes Ziel definiert wird, sondern lediglich als unverbindlicheres Leitbild.
„Die Kreislaufwirtschaft ist ein Wachstumsmarkt mit Zukunft – wenn wir jetzt investieren und technisch führend werden, können wir Standards setzen, die den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig stärken“, betont Reuter. Dafür müsse die Regierung die rasche Umsetzung der NKWS sicherstellen. „Es braucht die Übersetzung der Strategie in Gesetze und Maßnahmen mit entsprechenden Anreizsystemen, um eine stärker zirkuläre öffentliche Beschaffung sowie mehr Digitalisierung und Datenmanagement durchzusetzen.“ Das heißt in der Bauwirtschaft etwa: Um all die wertvollen Rohstoffe in unserem Gebäudebestand nicht bei Abrissen zu verlieren, muss man erstmal wissen, was wo verbaut wurde. Lösungen für eine digitale Erfassung gibt es bereits. Im nächsten Schritt gilt es, die Materialien zu trennen – und schließlich zum Beispiel auf Wertstoffhöfen der Bauindustrie wieder zur Verfügung zu stellen. Übrigens muss dann auch die Baugesetzgebung noch angepasst werden, die bei Zulassungen bislang auf neue Baustoffe fokussiert ist.
Wenn Kreislaufwirtschaft sich in Deutschland erfolgreich etablieren soll, gilt dies über solch logistische Aspekte in der Wirtschaft bis in den Alltag – etwa bei Verpackungen, Elektrogeräten und Bioabfall. „Wir alle sollten gut informierte Kaufentscheidungen treffen können – und wer es sich leisten kann, lieber bessere und dafür haltbarere Produkte kaufen“, sagt Kreislaufwirtschaft-Expertin Janine Korduan vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Das muss aber einfach und günstig sein.“ Die Liste dessen, was aus Korduans Sicht dafür gefördert werden sollte, ist lang. Dazu zählen etwa: öffentliche Trinkbrunnen und Infrastrukturen für Mehrweg, Unverpacktes, Reparaturen sowie hochwertiges Recycling.
Insbesondere Ausnahmen in Gesetzen machen Kreisläufe im Alltag bislang kompliziert. Wo soll man etwa seinen wiederverwendbaren Pfand-Kaffeebecher loswerden? Je konsequenter auf Mehrweg gedrungen wird, desto einfacher wird es. „Viele erfolgreiche Vorreiter gibt es ja bereits, nicht nur bei Mehrwegflaschen, neuerdings auch bei Mehrwegbehältern für Lebensmittel oder Kosmetik,“ so Korduan. „Für so gut wie alle Bereiche gibt es gute Lösungen, aber diese sind nicht in der Breite verfügbar. Sie müssten das neue Normal werden – flächendeckend.“