Deutschlands Kapital: Erfinden statt Abschotten!

Zölle, Brüche, Allianzen: SCHOTT CEO Torsten Derr setzt auf Tempo und Tüftelei. Warum Deutschland wichtig bleibt – und wie High-Tech-Materialien wie Spezialglas und Glaskeramik das Kochen und Computing revolutionieren.

Dr. Torsten Derr, Vorstandschef von SCHOTT
Dr. Torsten Derr, Vorstandschef von SCHOTT
SCHOTT Beitrag

Torsten Derr, seit dem 1. Januar 2025 Vorstandschef von SCHOTT, beschreibt den Welthandel mit klarem Blick. „Wir erleben einen tektonischen Wandel“, sagt er. Zölle und Gegenzölle dürften „nicht so schnell verschwinden“. Seine Lehre daraus: „Für Deutschland wird es sehr schwierig werden, die Strategie der letzten Dekade fortzusetzen und die in der Bundesrepublik hergestellten Produkte im großen Stil in die Welt zu exportieren“. Daher müsse man künftig noch schneller erfinden, rascher in die Produktion bringen, international expandieren.
 

HERZ IN MAINZ, HERKUNFT IN JENA


Und SCHOTT eignet sich tatsächlich als Anschauungsobjekt. Von Mainz aus steuert der weltweit operierende Konzern mit sieben Produktionsstandorten in Deutschland sein größtes Werk und das zentrale Forschungszentrum. Hier reifte vor über 50 Jahren schon eine Alltagsikone: SCHOTT CERAN®, die schwarze Glaskeramik zum Kochen. Über 200 Millionen Kochfelder sind weltweit im Einsatz und jedes CERAN® Kochfeld kommt bis heute aus Mainz. Der Standort verbindet Entwicklung und Produktion auf engem Raum – was gelingt, findet einen schnellen Weg in die Serienproduktion.

Ein Blick in die „Werkstatt“ zeigt, wie das funktioniert: In Mainz sitzen Entwicklungsteams Tür an Tür mit Produktion und Qualitätssicherung; Prototypen werden im selben Areal geprüft, in dem später neues Material in die Serienfertigung geht. Aus dieser Nähe stammen viele inkrementelle Verbesserungen, die am Ende den Unterschied machen. Und weil Entscheidungen dort fallen, wo Wissen zusammenkommt, verkürzen sich Abläufe.
 

GLAS FÜR DIE NÄCHSTE CHIP-GENERATION


Spezialglas wird auch im Halbleiterzeitalter immer wichtiger. SCHOTT entwickelt völlig neue Glastypen und Glaswafer, die durch ihre Eigenschaften in Computerchips der nächsten Generation zum Einsatz kommen. Warum hilft hier Glas? Weil Glas ein High-Tech-Werkstoff ist, der sich für hochpräzise Anwendungen eignet. Im Halbleiter-Bereich sind es Attribute wie einstellbare thermische Ausdehnung, enge geometrische Toleranzen oder hohe Planität, also möglichst glatte und ebene Oberflächen, die es in der Fertigung interessant machen. 

SCHOTT CEO Torsten Derr ordnet die Innovationskraft seines Unternehmens politisch ein: Wenn Handel teurer wird, muss Technologie besser werden. Statt Protektionismus brauche es Tempo in Forschung und Entwicklung, sagt er – aber auch in Sachen Genehmigungsverfahren, die nicht viele Monate Zeit kosten dürften. „Hier kann Deutschland noch besser werden“, so Derr.

Die Halbleiter-Zukunft basiert auf Glas: Thermische und mechanische Eigenschaften des High-Tech-Materials ermöglichen nie dagewesene Designs.
Die Halbleiter-Zukunft basiert auf Glas: Thermische und mechanische Eigenschaften des High-Tech-Materials ermöglichen nie dagewesene Designs.

PHARMA ALS STABILITÄTSANKER


Die zweite starke Säule von SCHOTT ist SCHOTT Pharma. Das eigenständige und börsennotierte Unternehmen, dessen Mehrheitsaktionär die SCHOTT AG ist, liefert Fläschchen, vorfüllbare Spritzen und Karpulen, also Verpackungen moderner Medikamente. Hier spielt neben Glas auch Polymer eine Rolle, was unterstreicht, dass sich SCHOTT als Konzern in Sachen Materialkompetenz deutlich breiter aufstellt. Pharma ist ein streng reguliertes Geschäft: Reinheit, Dichtheit und Bruchsicherheit entscheiden über Sicherheit und Versorgung. Investiert wird über Jahre, häufig in Sichtweite der Entwicklung. Für den Standort Deutschland bedeutet das kurze Wege und gebündeltes Know-how. 

Gerade hier wird „Tempo“ konkret. Klinische Studien und Markteinführungen brauchen verlässliche Verpackungsqualität für Medikamente – nicht nur im Prototyp, sondern in Millionenstückzahlen. Das verlangt hohe Qualität in der Produktion, robuste Prozesse und enges Zusammenspiel mit Kunden. Ohne dieses Fundament kommt kein Wirkstoff sicher zum Menschen. Zur Corona-Pandemie bewies SCHOTT Pharma mit der Lieferung von Millionen Impfstoff-Verpackungen ein großes Maß an Resilienz und Zuverlässigkeit.
 

KLIMAWENDE IN DER GLASSCHMELZE


Innovation betrifft aber nicht nur Produkte, sondern auch deren Herstellung. 2024/25 gelang in Mainz eine Premiere: Glas wurde über mehrere Tage in einer Industrieanlage ausschließlich mit Wasserstoff geschmolzen. Ein Meilenstein, der zeigt, was technisch möglich ist. Weitere Schritte können dann folgen, wenn eine starke Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland steht. Daher liegt der Fokus erst einmal auf Strom: 2027 soll die erste elektrisch betriebene Wanne für das strategisch wichtige Pharma-Glasrohr an den Start gehen – mit 50 % weniger CO2-Emissionen am Produkt. Eine 40-Millionen-Investition, unterstützt von EU und Bund. Für eine Branche, die traditionell Erdgas nutzt, sind das mehr als erste Schritte.

Die Relevanz reicht über ein Werk hinaus. Wenn große Schmelzöfen mit Strom, Wasserstoff oder anderen nachhaltigen Energieträgern stabil laufen, entstehen Wahlmöglichkeiten: Strom, Erdgas, Wasserstoff, Mischbetrieb. In einem volatilen Energiesystem ist das strategisch wichtig. Derrs einfache Messlatte lautet: „Klimafreundlich und bezahlbar – das muss passen.“
 

WAS DEUTSCHLAND JETZT BRAUCHT


Der Welthandel wird ruppiger, Lieferketten werden neu gezogen, Allianzen wechseln. Deutschland hat wenig Rohstoffe, aber starke Köpfe mit Erfindergeist. Also muss das Land das Tempo wirklich halten – in Werkstoffen wie Spezialglas, in Präzisionsfertigung, in regulierten Märkten wie Pharma. Was dafür nötig ist, lässt sich klar benennen: Reduzierung der Bürokratie, Förderung von Forschung, wettbewerbsfähige und verfügbare (grüne) Energie, qualifizierte Zuwanderung und eine Kultur, die Versuch und Irrtum zulässt. 

Die Mainzer liefern Anschauung. Forschung, Pilotierung und Produktion liegen dicht beieinander. Ingenieurinnen und Ingenieure wechseln zwischen Labor und Produktion; Probleme werden an einem Tag sichtbar und am nächsten behoben. Diese Arbeitsweise entscheidet, ob eine Idee fünf Jahre braucht – oder zwei.

Zum Schluss die nüchterne Rechnung: Wenn Zölle bleiben, muss Technologie Vorsprung schaffen. SCHOTT spannt den Bogen vom CERAN® Kochfeld bis zum Halbleiter – und zeigt, dass Innovation kein Slogan ist, sondern Methode. Deutschlands Kapital ist nicht geerbt, sondern gemacht.

www.schott.com
 

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