Heiner Drögemüller ist Jungbauer aus im niedersächsischen Eldingen, Ortsteil Hohnhorst. Die Hofstelle seiner Familie lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zur Zeit des 30-jährigen Kriegs zurückverfolgen. Aktuell leben drei Generationen auf dem Hof.
Herr Drögemüller, drei Generationen auf einem Hof: Sie haben Einblicke in ganz unterschiedliche Phasen der Landwirtschaft. Welche Aspekte haben sich besonders verändert?
Die Zeiten, in denen mein Großvater den landwirtschaftlichen Betrieb geführt hat, lassen sich mit den heutigen gar nicht mehr vergleichen. Er hat teilweise noch mit Pferden gearbeitet oder hatte eine Mulde vorm Bauch zum Säen und Düngen. Irgendwann kamen dann Traktoren, und auch damit kennt er sich aus – allerdings eher mit der Mechanik, weniger mit Elektronik und Technik. Ich würde sagen, dass er mit unseren heutigen Traktoren gar nicht mehr zurechtkommen würde, er muss es mit seinen 92 Jahren ja auch nicht mehr. Es zeigt aber, was sich in den vergleichsweise wenigen Jahren getan hat.
Macht der technologische Fortschritt die tägliche Arbeit leichter?
Ja und Nein. Digitalisierung und Technologie haben natürlich viele Vorteile. Ich kann heute Felder allein bestellen, wofür noch vor ein paar Jahren mehr Menschen nötig gewesen wären. Theoretisch könnten die Trecker auf dem Feld auch komplett autonom fahren – gesteuert von der Technik. Wenn dann aber etwas nicht funktioniert, wird die Fehlersuche meist deutlich komplizierter, zeitaufwendiger, und man bekommt es ohne Unterstützung von Experten auch nicht immer hin. Das war deutlich einfacher, als wir uns nur mit mechanischen Komponenten beschäftigen mussten, da konnten wir noch improvisieren.
Das heißt, auch die Anforderungen an die modernen Landwirte verändern sich deutlich?
Wir müssen heute definitiv ein viel breiteres Wissen haben. Ich sehe die aktuelle Phase als eine Art Übergang. Wir brauchen schon noch das klassische landwirtschaftliche Know-how, müssen uns aber gleichzeitig auch immer mehr Technik- und IT-Kenntnisse aneignen. Ich kann mir vorstellen, dass uns Technologien in Zukunft mehr Arbeit abnehmen und neues Wissen beisteuern. Am Ende bleiben aber immer die Fragen, wie sehr man sich von ihnen abhängig machen will und wie sehr man auf die Richtigkeit der Daten und Vorhersagen vertrauen kann. Die Rolle des Entscheiders, Planers und Kontrolleurs werden wir wohl immer übernehmen müssen.
Sie betreiben klassischen Ackerbau, halten zudem auch Schweine und Rinder, wenn auch mit ein paar hundert Tieren vergleichsweise wenige. Wovon ist es abhängig, auf welche Bereiche man sich als Landwirt heute konzentriert?
Beispielsweise von der Größe des Betriebs, Qualität und Beschaffenheit des Bodens und natürlich auch von den gesetzlichen Vorgaben, die sich immer wieder ändern. Unsere Rinder sind beispielsweise zur Aufzucht hier, weil wir die nötigen Wiesen hierfür haben. Den Schweinestall haben wir 2009 komplett modernisiert. Seitdem haben sich die Haltungsbedingungen aber schon wieder wesentlich verändert. Durch die Lage des Stalls haben wir kaum Möglichkeiten zu baulichen Veränderungen, weshalb es dann irgendwann auch eine Frage der Rentabilität ist, bestimmte Bereiche weiterhin zu betreiben. Und der Ackerbau wird eben vom Boden oder der Bewässerungsmenge bestimmt – und in unserem Fall auch durch die Biogasanlage, die wir gemeinsam mit den anderen Landwirten im Ort betreiben. Am Ende ist aber ganz klar die Prämisse: Der Betrieb muss wirtschaftlich sein.
Und das ist mittlerweile gar nicht mehr so einfach, wenn man sich die Preise für Traktoren und landwirtschaftliche Maschinen anschaut…
Richtig. Mit 150.000 bis 200.000 Euro für einen neuen Traktor muss man schon rechnen, eine neue, moderne und effiziente Beregnungsmaschine kostet schon mal 30.000 Euro und mehr. Jedes Investment muss heute genau kalkuliert sein und einen Mehrwert für den Betrieb bringen. Überhaupt hat der bürokratische Aufwand extrem zugenommen und ist aus meiner Sicht auch eine der Schattenseiten des Berufs.
War dennoch immer klar, dass Sie den Hof übernehmen und die Familientradition fortführen wollen?
Ich habe schon in meiner Kindheit die vielen positiven Aspekte der Landwirtschaft erleben dürfen, weshalb es für mich keinen anderen Berufswunsch gab. Überhaupt würde ich sagen, dass hier in der Region die Landwirtschaft positiv gesehen wird, denn sehr viele Menschen aus meiner Generation entscheiden sich für die Übernahme des elterlichen Betriebs, bringen eigene Ideen ein oder wagen eine etwas andere Ausrichtung, was definitiv keine Selbstverständlichkeit ist.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Politik und Gesellschaft?
In jedem Fall mehr Wertschätzung. Den meisten Menschen ist nicht klar, wo ihr Essen herkommt oder welcher Einsatz mit seiner Erzeugung verbunden ist. Ich glaube außerdem, dass nur ein offener Dialog die Zukunftsfähigkeit unserer Branche und eine Ernährungssicherheit für die Menschen gewährleisten kann.
Wo sehen Sie sich und den Betrieb in den nächsten zehn Jahren?
Wir wollen vor allem energieautark werden, weshalb Windkraft, Photovoltaik, aber auch neue Antriebe für die Traktoren auf unserer Agenda stehen. Mit unserer Biogasanlage, die neben Strom auch Fernwärme für einen großen Teil des Dorfes produziert, sind wir sicherlich schon recht fortschrittlich aufgestellt. Die Biogasanlage ist außerdem ein gutes Beispiel dafür, was man gemeinsam erreichen kann. Für dieses Projekt haben sich die vier Landwirte des Dorfes zusammengeschlossen. Das ist für mich der Weg in Richtung Zukunft.
Wird die Landwirtschaft irgendwann Nachwuchsprobleme haben?
Ich hoffe nicht, glaube es aber auch nicht. Denn letztendlich ist kaum eine andere Branche so davon abhängig, innovativ zu sein. Wo sonst kann man heute einen echten Beitrag leisten? Aber natürlich hängt die Zukunft der Landwirtschaft ganz wesentlich davon ab, dass engagierte, motivierte Generationen nachrücken und etwas verändern wollen.