Mindestens 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs soll im Jahr 2030 aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Zurzeit beträgt ihr Anteil am heimischen Strommix etwa die Hälfte, wobei Photovoltaik und Windenergie den weitaus größten Teil ausmachen. Vor allem sie müssen massiv ausgebaut werden – zumal laut Schätzungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) der Stromverbrauch bis 2030 um rund ein Drittel steigen wird. All die Elektroautos und Wärmepumpen wollen ja versorgt sein.
Um die Ziele zu erreichen, braucht es laut BMWK in den kommenden sieben Jahren allein bei der Photovoltaik 150 zusätzliche Gigawatt – mehr als das Doppelte der in den vergangenen 20 Jahre installierten Leistung. Der massive Ausbau erneuerbarer Quellen stellt die Wirtschaft vor gewaltige Aufgaben, bietet aber auch Chancen für neue Ideen. Im Bereich Windenergie etwa setzen viele auf das Konzept des Repowering. Gemeint ist die Modernisierung von Anlagen, die außer Betrieb gehen. Flächen und Infrastruktur sind aber noch vorhanden. Werden dort Windturbinen mit höherer Leistung installiert, wird auf weniger Fläche mehr Energie erzeugt. Ein Beispiel ist der Umbau des Elster-Windparks im Landkreis Wittenberg, der 2024 abgeschlossen sein soll. „Durch den Umbau steigt die installierte Gesamtleistung von derzeit 30 Megawatt auf 105,6 Megawatt, bei einem Drittel weniger Fläche“, sagt Frédéric Lanoë, CEO der Dresdner VSB-Gruppe, die das Projekt durchführt.
Bei der Photovoltaik ist Deutschland, wie praktisch der Rest der Welt, von den Produktionskapazitäten in China abhängig. „Am Wiederaufbau einer hinreichend skalierbaren Solarindustrie in Europa führt kein Weg vorbei“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW). „Dabei kann Europa auf ein ausgeprägtes ingenieurtechnisches Know-how im Maschinen- und Anlagenbau zurückgreifen.“ Nicht wenige Branchenakteure rufen nach Subventionen, um gegenüber den günstigen chinesischen Produkten bestehen zu können. Gegen Subventionen hat auch die Energie-Initiative aus dem schwäbischen Kirchberg nichts, setzt aber auf eine andere Wirtschaftsform. Die Initiative plant gemeinsam mit Technikpartnern und Investoren eine Fabrik für Solarmodule, die in Bürgerhand ist und sich nach dem Prinzip der Gemeinwohlökonomie organisiert. Das genossenschaftliche Modell soll weniger gewinnorientiert sein und so konkurrenzfähig werden.
Raum für Unternehmergeist bietet auch die Agri-PV. Hier geht es darum, landwirtschaftliche Anbauflächen mit Photovoltaikanlagen zu bestücken. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) geht von einem Potential von 1700 Gigawatt aus, das in Deutschland durch die Doppelnutzung generiert werden kann. Noch steckt die Technik in den Kinderschuhen, Pilotprojekte zeigen aber, dass es funktionieren kann. Im ostwestfälischen Büren etwa zieht der Obstbauer Fabian Karthaus seine Himbeeren, Heidelbeeren und Erdbeeren im schützenden Gewächshaus auf – das er zusätzlich mit Solarmodulen bestückt hat. So erzeugt er immerhin 740 Kilowatt, und der Beerenernte tut der Schutz von oben auch gut. „Wirtschaftlich gesehen bin ich insgesamt sehr zufrieden und plane für dieses Jahr eine deutlich größere Anlage mit 7500 Kilowatt“, sagt Karthaus, der für seine Anlage 2021 den Deutschen Solarpreis erhielt.