Kannst du schnell noch einen Post zur neuen Storytelling-Fortbildung texten?“, ruft die Leiterin einer Weiterbildungsakademie. Die Marketingmitarbeiterin öffnet ein KI-Tool, lässt sich Vorschläge generieren – Sekunden später steht der Entwurf. „Danke, das hat mir geholfen“, schreibt sie. „Gern geschehen – brauchst du Varianten?“ antwortet der Chatbot. Szenen wie diese zeigen, wie selbstverständlich KI inzwischen in Kommunikations- und Marketingteams eingesetzt wird.
Gleichzeitig ist die Technologie in deutschen Unternehmen noch wenig verbreitet: Laut einer Analyse des ifo-Instituts nutzen nur rund zwölf Prozent der Unternehmen mindestens eine KI-Anwendung – vor allem große Firmen. Häufig fehlen Expertise, Struktur und rechtliche Sicherheit.
Für Denis Habig, Experte für generative KI und digitale Bildung und bis vor kurzem für die IHK Rhein-Neckar tätig, war die Veröffentlichung von ChatGPT 2022 ein „Urknall“. „Dann nahm der Bedarf an Schulungen rasant zu, sodass wir kaum hinterherkamen.“ Die Kosten bei den meisten Weiterbildungsträgern liegen bei 300 bis 600 Euro für Einsteigerschulungen, bis zu 3.000 Euro und mehr für Zertifikatslehrgänge. Die Inhalte reichen von technischen Grundlagen über Tool-Praxis bis zu Datenschutz und Bias.
Auch Dr. Karin Windt, Beraterin und Trainerin aus Berlin, beobachtet einen enormen Orientierungsbedarf. Sie verbindet in ihren Workshops operative KI-Anwendung – etwa in Text-, Video- oder Contentproduktion – mit strategischen und ethischen Fragen. Windt beschreibt sich als „kritische Enthusiastin“: fasziniert vom Potenzial der KI, aber aufmerksam gegenüber ihren Risiken. „KI ist kein Heilsbringer“, sagt sie. Sie wirbt dafür, KI nur dort einzusetzen, wo sie echten Mehrwert schafft, und betont den hohen Ressourcenverbrauch großer KI-Modelle. Zudem plädiert sie für europäische Alternativen wie Mistral oder Neuroflash, um die digitale Souveränität Europas zu stärken. Als Erstunterzeichnerin des „Code of Conduct für eine demokratische KI“ fordert sie, dass auch Unternehmen klare KI-Leitlinien etablieren.
Die meistgenutzten KI-Anwendungen im Marketing sind Text-, Bild- und Videogeneratoren; viele Teams arbeiten mit mehreren Tools parallel. Windt und Habig betonen, dass Unternehmen interne Standards für Datensicherheit, Transparenz und Qualität entwickeln müssen – und personenbezogene Daten nur in geschützten, firmeneigenen Systemen verarbeitet werden sollten.
KI bietet enorme Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Analyse und Automatisierung bis zur gezielten Kundenansprache. Doch ohne geschulte Mitarbeitende drohen Fehlanwendungen, ethische Lücken und ökologische Belastungen.
Die Marketingmitarbeiterin der Weiterbildungsakademie entdeckt vor Feierabend noch zwei Sachfehler im KI-Entwurf, korrigiert sie und passt den Text an den Stil ihres Hauses an. Ein letzter Blick – dann schließt sie den Laptop. Menschliche Urteilskraft bleibt trotz KI unverzichtbar.
Illustrationen: Nadine Schmidt