Finanzierungsbedarf steigt

Gut aufgestellt ist heute, wer „flüssig“ ist. Was vor der Corona-Pandemie noch als Wertvernichtung galt, hat im Zuge des vergangenen Jahres an Bedeutung gewonnen: ein ausgewogenes Liquiditätsmanagement.
Illustration: Ivonne Schulze
Illustration: Ivonne Schulze
Julia Thiem Redaktion

Es gibt Jobs, die ohnehin schon mit großer Verantwortung verbunden sind, dieser Tage aber denjenigen Damen und Herren, die sie ausführen, vermutlich das ein oder andere zusätzliche graue Haar bescheren. Einer dieser Jobs ist derzeit mit Sicherheit der des Treasurers. Denn hier liegt in Personalunion die Verantwortung für das Cash Management, die Liquiditätssteuerung, die Finanzierung sowie das finanzielle Risikomanagement eines Unternehmens – all jene Bereiche, die insbesondere in Krisenzeiten besonders in den Fokus rücken. Denn gerade durch die Corona-Einschränkungen ist die Bedeutung eines vorausschauenden Liquiditätsmanagements noch einmal gestiegen, zumal die Reserven vieler Unternehmen zu Beginn der Pandemie aufgrund der Negativzinsen schon denkbar dünn waren. Bislang galt: Wer keine Wertvernichtung betreiben wollte, hat aus den Liquiditätsreserven des Vorjahres bevorzugt Ersatzinvestitionen getätigt.

 

 

Doch seit März vergangenen Jahres sieht alles ganz anders aus, wie eine Umfrage des Verbands Deutscher Treasurer unter seinen Mitgliedern zum Finanzierungsmanagement unter Corona-Bedingungen unterstreicht. Gut 90 Prozent der Befragten sahen einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf während der Krise, weit überwiegend (75 Prozent) im kurzfristigen Bereich. Haupttreiber für den zusätzlichen Liquiditätsbedarf sind laut Umfrage der Wegfall von Umsatz (48 Prozent), höhere Lagerbestände (18 Prozent), im Ausland gebundene Cashbestände (17 Prozent) oder längere Zahlungsziele für Kunden (16 Prozent).

 

Glücklicherweise hätten die kreditgebenden Banken bisher aber nur in wenigen Fällen (14 Prozent der befragten Unternehmen) auf eine Verschlechterung von Financial Covenants reagiert, also jenen Vorgaben, mit denen Banken das Finanzrisiko eines Unternehmens zu begrenzen versuchen, und in der Folge die Zinsen erhöhen, Kreditlinien senken oder Neuanträge ablehnen. Zudem haben natürlich auch staatliche Hilfen wie Kurzarbeitergeld, Steuererleichterungen oder KfW-Kredite das Liquiditätsmanagement deutscher Firmen gestützt.

 

Allerdings ist Corona für viele Firmen nun auch so etwas wie ein Weckruf, ihre Finanzierung auf eine breitere Basis zu stellen. So zeigt die Factoring-Studie 2021 des Bundesverbandes Factoring für den Mittelstand, dass sich etwa die Hälfte der Unternehmer:innen mehr Unabhängigkeit von ihrer Hausbank wünscht. Coronabedingt hätten zudem 14 Prozent der Befragten neue Finanzierungsinstrumente geprüft.

 

Die Krise ist also in vielen Bereichen Anlass, die eigenen Risiken – sowohl externe Risiken wie Markt-, Finanz- oder regulatorische Risiken, als auch interne Risiken wie Management-, Produktions- oder Organisationsrisiken – neu zu bewerten und vor allem auf ihre Auswirkungen auf die Unternehmensergebnisse zu prüfen. Denn sobald ein Risiko mit zusätzlichen Kosten, geringeren Erträgen oder Gewinnen einhergeht, müssen entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen werden. Dazu zählen beispielsweise der Abschluss von Versicherungen, die Einplanung zusätzlicher Ressourcen oder vielleicht sogar eine alternative Bezugsquelle.

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