Chancen erkennen

Geldmangel, Bürokratie, Währungsschwankungen, Handelsbeschränkungen, politische Unwägbarkeiten oder eine schlechte Zahlungsmoral – wenn deutsche Unternehmen ins Ausland exportieren, gehen sie Risiken ein.
Illustration: Mario Parra
Illustration: Mario Parra
Axel Novak Redaktion

Dass sie steuerbar sind, wissen viele Unternehmenslenker nicht. Oder wollen es nicht wissen.

Die ganze Welt steckt voller unglaublicher Möglichkeiten. Derzeit läuft der Wachstumsmotor auf Hochtouren. Der internationale Handel hat 2017 kräftig zugelegt. Und die Rally ist noch längst nicht vorbei – der Exportweltmeister Deutschland profitiert davon, dass der Markt für Produkte „Made in Germany“ boomt.

Doch wer seine Produkte in aller Welt verkaufen will, braucht mehr als Glück und zuverlässige Geschäftspartner. Mit dem Handel nehmen auch die Risiken zu. „Sicherheitsrisiken wirken direkt auf Unternehmensaktivität, politisch-soziale Faktoren eher indirekt über Vertrauen und Zuversicht“, stellt Coface, ein weltweit führender Kreditversicherer, fest. Und an Vertrauen und Zuversicht mangelt es derzeit gewaltig. Weltweit hat sich Konfliktrisiko zwischen 2007 und 2015 verdoppelt, das Terrorismusrisiko hat sich seit 2008 fast verdreifacht. Geschäfte mit und in Staaten wie Afghanistan, Irak, Sudan, Nigeria und Syrien, aber auch Mexiko, Kolumbien, Algerien und Indien sind hoch riskant. Auch die GUS-Staaten liegen laut Coface deutlich über dem Durchschnitt.

Geringe Zahlungsmoral

Es sind nicht allein politische Krisen, Terror oder Naturkatastrophen, die Unternehmen fürchten müssen. Häufig verschlechtern Geldmangel und eine komplizierte Bürokratie die Zahlungsmoral. Atradius, ebenfalls ein Riese im weltweiten Geschäft der Kreditversicherer, hat seine Kunden darüber in der Region Asien-Pazifik befragt. Mit erschütterndem Ergebnis: Neun von zehn befragten Lieferanten waren im vergangenen Jahr von Zahlungsverzügen ihrer Business-Kunden betroffen. Zwei Gründe gab’s: Bei inländischen B2B-Rechnungen fehlte es den Kunden oft an Liquidität. Rechnungen ins Ausland hingegen wurden häufig zu spät beglichen, weil der Zahlungsprozess so komplex ist.

Doch auch im nahen Ausland können deutsche Unternehmen nicht immer auf rechtzeitige Zahlungen hoffen. „Die großen Abnehmerländer der deutschen Wirtschaft erscheinen derzeit zwar insgesamt stabil, dennoch gibt es in ihnen auch Branchen mit hohen Zahlungsrisiken“, sagt Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa von Atradius. Auf den zehn größten Exportmärkten Deutschlands müssen deutsche Lieferanten und Dienstleister in Polen, Italien und den Niederlande am ehesten mit Zahlungsverzögerungen und -ausfällen rechnen. „Die positive Gesamtentwicklung des Exportgeschäfts sollte Unternehmen deshalb nicht dazu verleiten, Gefahren für Forderungsausfälle zu ignorieren und die eigene Profitabilität aufs Spiel zu setzen“, so Langen. 

Fälligkeiten im Ausland

Denn zugleich ist es schwer, offene Rechnungen im Ausland einzutreiben. Das hat Euler Hermes, ein weiterer weltweiter Kreditversicherer, jüngst ermittelt: Auf der Grundlage von Zahlungspraktiken, lokalen Gerichtsverfahren und den örtlichen Richtlinien für ein Insolvenzverfahren hat Euler Hermes die Länder identifiziert, in denen Forderungen besonders kompliziert einzutreiben sind: Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, aber auch Malaysia, China, Russland, Mexiko, Indonesien und Südafrika stellen ausländische Unternehmen vor gewaltige Herausforderungen. „Deutschlands Export-Weltmeister sind zumeist mittelständische Firmen. Unbezahlte Rechnungen können für sie schnell existenzbedrohend werden“, schlussfolgert Ron van het Hof, Hauptbevollmächtigter von Euler Hermes Deutschland. „Deswegen ist die umfassende Einschätzung der Vertragspartner von Anfang an eine verlässlichere Basis, vor allem in Ländern mit komplexen Rahmenbedingungen.“

Risikomanagement für KMU

Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen müssen daher ihr Risikomanagement selbstständig betreiben. Weil ihnen die Finanzkraft der Großen fehlt, müssen sie ihre Risiken aufgrund zuverlässiger Informationen über ihre Geschäftspartner exakt kalkulieren. Informationen dazu gibt es nicht nur in der jeweiligen Branche. Sondern in Deutschland kann die Schufa Auskünfte zu Unternehmen, Gewerbetreibenden, Selbstständigen und Privatpersonen liefern. International helfen Unternehmen wie Creditreform oder CRIF Bürgel mit Bonitäts- und Unternehmensinformationen.
Wichtige Instrumente für finanzielle Stabilität sind Kreditversicherungen: In vielen verschiedenen Formen decken sie die finanziellen Risiken des Auslandsengagements ab. Geht es ins politisch unruhige Ausland, sind die Exportkreditgarantien und Garantien der Bundesrepublik Deutschland eine Möglichkeit. Es sind seit Jahrzehnten bewährte Instrumente, um die Exportwirtschaft zu fördern – auf ähnliche Garantien greifen im Übrigen auch andere Industriestaaten zurück. Als Hermes-Deckungen schützen sie deutsche Exporteure und Banken gegen politische und wirtschaftliche Risiken. Garantien für ungebundene Finanzkredite helfen dabei, Rohstoffprojekte im Ausland zu verwirklichen.

Eine Fülle von Versicherungen

Die Voraussetzungen für Hermes-Deckungen sind einfach beschrieben: Die Ware ist überwiegend deutschen Ursprungs und der Käufer kreditwürdig. Außerdem müssen die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im Käuferland ausreichend stabil sein.

Für die Deckung erhebt Euler Hermes – das Unternehmen ist im Auftrag des Bundes für die Durchführung der Versicherungen zuständig – Gebühren. Die werden auf der Grundlage von Länderkategorien von sehr geringen Risiken bis stark erhöhten Risiken berechnet. Hinzu kommen Käuferkategorien, die wiederum abhängig vom Zielland definiert werden.

Neben diesen staatlichen Instrumenten gibt es immer mehr Angebote privater Kreditversicherungen. Zu diesen zählen Atradius, Coface und Euler Hermes, aber auch R&V oder Zurich sind in dem Geschäft aktiv. Im Gegensatz zur Bundesdeckung versichern sie wirtschaftliche Risiken und den Nichtzahlungsfall, decken aber nicht die politischen Krisen ab. Auch hier werden Länderrisiken und Kundenbonitäten zur Kalkulation herangezogen.

Viele Manager wollen Risiken nicht sehen

Theoretisch hat ihr Geschäft eine recht anständige Perspektive, um die Aussichten der Branche in einer unruhigen Welt mit der Vorsicht des Kaufmanns zu umschreiben. Immer mehr Unternehmen wollen sich schützen – gegen Wachstumsdellen, Handelsbeschränkungen oder den Brexit.

Dennoch hakt es an einer entscheidenden Stelle bei den großen deutschen Unternehmen, nämlich beim Bewusstsein der Manager. „Das Risikomanagement wird in vielen deutschen Großunternehmen vernachlässigt“, bestätigt Thomas Langen von Atradius, der auch Sprecher der Kommission Kreditversicherung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ist. Der Verband hat ermitteln lassen, wie bewusst sich die deutschen Unternehmenslenker derzeit sind, dass Insolvenzen und Zahlungsausfälle ihr Geschäftsmodell ins Wanken bringen. Das erstaunliche Ergebnis: Mehr als die Hälfte der befragten Manager, die Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern oder mit einem Umsatz über 50 Millionen Euro vorstehen, halten eine Insolvenz unter ihren Abnehmern für unwahrscheinlich. Gleichzeitig war in den vergangenen zwei Jahren jeder dritte befragte Lieferant von der Insolvenz eines Kunden betroffen.

Noch erstaunlicher, wie vertrauenswürdig sie den Faktor Mensch einschätzen: Fast 90 Prozent glauben nicht daran, dass ihre Führungskräfte gegen die Compliance-Regeln des Unternehmens verstoßen. Vier von fünf Managern halten Betrugsversuche durch Mitarbeiter oder Geschäftspartner für unwahrscheinlich.

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