Algorithmen & Solidarität

Mit Datenmanagement und künstlicher Intelligenz machen sich derzeit unzählige InsurTechs daran, die Versicherungsbranche zu revolutionieren. Was bedeutet das für alteingesessene Versicherer?
Illustration: Mario Parra
Illustration: Mario Parra
Julia Thiem Redaktion

Altersvorsorge, Sach-, Leben-Kranken- und sogar Rückversicherungen – es gibt kaum einen Bereich der Assekuranz, an den sich die jungen hippen Startup-Gründer nicht heranwagen. Immer im Fokus: der Kunde. „Die Buchung deiner Absicherung wird jetzt so einfach wie Online-Shoppen“, versprechen etwa die Macher von Hepster. Mit den dortigen ‚Insurance on Demand’ Angeboten können sich Kunden einen individuellen Versicherungsschutz für Freizeitaktivitäten aller Art zusammenstellen. Und auch für Gewerbekunden sollen maßgeschneiderte Versicherungslösungen ab sofort per Mausklick erhältlich sein, verspricht etwa der digitale Versicherungsmanager Liimex.

Grundlage für diese Revolution sind die wachsenden Datenmengen, die vor allem die Start-ups nutzen, um neue Angebote zu entwickeln oder bestehende zu verbessern. Dabei setzen viele der jungen Insurtechs auf künstliche Intelligenz für die Bearbeitung großer Datenmengen. Das Ergebnis sind größtenteils automatisierte Prozesse und relativ aussagekräftige Vorhersagen über das Verhalten von Menschen, was die Risiken insgesamt kalkulierbarer macht. Doch auch etablierte Versicherungsunternehmen profitieren von der Digitalisierung. Denn mit den Daten, die etwa über die Vernetzung von Sensoren gewonnen werden, kann beispielsweise die Kfz-Versicherung exakt auf das Fahrverhalten des Versicherungsnehmers angepasst werden – mit gut kalkulierbaren Risiken für den Versicherer und eventuellen monetären Anreizen für den Kunden bei vorbildlicher Fahrt.

Allerdings untergräbt eine solche Kalkulation von Risiken auch einen der Grundgedanken einer Versicherung: nämlich das Solidaritätsprinzip. Bleiben wir beim Beispiel der Kfz-Versicherung: Wird der Versicherungsschutz tatsächlich auf Basis des individuellen Fahrverhaltens zugeschnitten, profitieren nur diejenigen, die sich immer an alle Verkehrsregeln halten und deren Sensoren im Auto dies an den Versicherer zurück melden. Wer rast oder negativ im Straßenverkehr auffällt, zahlt seinem Risiko entsprechend auch höhere Prämien. Sehr gut, mögen manche nun rufen, so werden alle Rowdys wortwörtlich aus dem Verkehr gezogen. Doch was ist mit anderen Bereichen, wo man nicht mit dem eigenen Verhalten positiv auf mögliche Risiken einwirken kann – etwa bei der Krankenversicherung?

An dieser Stelle wird deutlich, dass die Versicherungsbranche eben auch eine soziale Komponente hat und ihr damit in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle zukommt – übrigens auch bei der zunehmenden Cyberkriminalität. Hacker schlagen heute mit Ransomware wie ‚Wanna Cry’, ein Virus, der erst in diesem Jahr weltweit zehntausende Rechner blockiert hat, völlig willkürlich zu. Entsprechend schwer sind die damit einhergehenden Risiken zu kalkulieren - und trotzdem steht die Branche mit Cyber-Policen parat. Nur höher, schneller, weiter, wie viele InsurTechs es versprechen, kann also nicht die Lösung sein. Vielmehr muss die Devise Zusammenarbeit lauten. Denn Daten werden zwar immer wichtiger, auf das Know-how der Versicherer kann man deswegen aber trotzdem nicht verzichten.

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