Frau Professorin Remdisch, in vielen Unternehmen wird eine KI wie ChatGPT häufig schon von Mitarbeitenden genutzt, oft unkontrolliert. Da stellt sich die Frage: Wer implementiert eigentlich KI in Unternehmen?
Wir erleben derzeit eine umfassende kulturelle Transformation in unseren Unternehmen – angetrieben durch die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz. In diesem Wandel sind die Führungskräfte eindeutig gefordert. Wir brauchen ein gemeinsames Bild davon, wie wir in Zukunft mit KI arbeiten wollen. Welche Aufgaben wird KI unterstützen? Welche Tätigkeiten kann sie vielleicht komplett übernehmen? Und welche neuen Fähigkeiten müssen unsere Mitarbeitenden dafür entwickeln? Auch unsere Zusammenarbeit wird sich verändern: Wie kommunizieren wir an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine? Wie organisieren wir Kooperation, wenn KI ein fester Bestandteil unseres Teams wird? Und ganz konkret: Wie integrieren wir unseren neuen „Kollegen“ KI in den Arbeitsalltag? Der Umgang mit KI ist weit mehr als eine technische Entscheidung. Er ist eine Kernaufgabe von Führung – und er wird maßgeblich bestimmen, wie gut wir diesen Transformationsprozess meistern.
Wie weit kann die Unterstützung durch KI reichen?
Wie weit die Unterstützung durch KI künftig reichen kann, lässt sich heute nur schwer genau beantworten. Entscheidend ist jedoch, dass wir ein gutes Zusammenspiel zwischen KI und Mitarbeitenden schaffen. Idealerweise unterstützt die KI die Menschen bei ihren Aufgaben, hilft ihnen dabei, ihre Potenziale noch besser auszuschöpfen und ermöglicht es ihnen, produktiver und smarter zu arbeiten.
Die ersten KI-Agenten sind bereits ausgerollt. Ein humanoider, KI-gesteuerter Roboter von Tesla steht angeblich kurz vor der Marktreife. Wie bereitet man seine Belegschaft auf so etwas vor?
Veränderungen bringen immer eine gewisse Unsicherheit mit sich. Die Mitarbeitenden fragen sich verständlicherweise, wie lange ihr Job in der jetzigen Form bestehen bleibt und ob sie mit den neuen Anforderungen, insbesondere in Bezug auf KI-Wissen, Schritt halten können. Auch die Frage, ob sich die Gehaltsstruktur verändert, wenn bestimmte Aufgaben von Künstlicher Intelligenz übernommen werden, beschäftigt viele. Diese Bedenken sind ganz normal und verdeutlichen, wie wichtig der Dialog über Chancen und Herausforderungen in dieser Übergangszeit ist.
Gehaltsstrukturen verändern sich auch durch digitale Weiterbildung, Upskilling, Reskilling und dadurch, dass bestimmte Beschäftigte im Umgang mit KI geschult werden.
Manche Jobs werden aufgewertet, während andere wegfallen. Das stellt die Führungskräfte vor die Herausforderung, ihre gesamte Belegschaft neu zu strukturieren. Sie müssen planen, wer welche Fähigkeiten erlernen soll und wie sich die Gruppendynamik verändert. In einem Teammeeting mit zehn Mitarbeitenden könnte es in der Zukunft ganz anders aussehen: Statt zehn Mitarbeitenden haben wir vielleicht nur noch acht, ergänzt durch KI-Agenten.
Einige Mitarbeitende werden viel an die KI delegieren und intensiver mit ihr arbeiten, während andere weniger abgeben. Gleichzeitig müssen neue Teammitglieder eingestellt werden, um die Anforderungen der KI zu bewältigen. Führungskräfte stehen also vor der Aufgabe, ihr Team umfassend zu transformieren.
Über die Arbeitsorganisation haben wir noch gar nicht gesprochen. Was ändert sich hier mit der KI? Wie entstehen zum Beispiel neue Ideen?
Früher haben Mitarbeitende in der Teeküche Ideen ausgetauscht und gemeinsam an Lösungen gearbeitet. Heute holt man sich Inspiration, indem man am Rechner sitzt und ChatGPT fragt. Der Kollege, der früher beim Brainstorming dabei war, ist mittlerweile oft eine KI. Man kann das bedauern, aber es wird zunehmend zur Realität. Deshalb ist es wichtig, die Chancen der KI zu nutzen und neue Wege der Zusammenarbeit zu erkunden.
Welche Jobs sind in ernster Gefahr?
Die Unsicherheit durch den Einfluss von KI betrifft viele Branchen, und besonders Berufsanfänger spüren dies stark. Ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis ist eine junge Frau, die frisch ihr Studium in Innenarchitektur abgeschlossen hat. Als sie ins Berufsleben einsteigen wollte, bemerkte sie, dass viele ihrer Aufgaben inzwischen von KI übernommen werden. Ähnlich geht es vielen anderen Berufen: Die Arbeitsfelder verändern sich rasant durch technologische Entwicklungen.
Bei den Beschäftigten führt das oft zu Frustration. Wenn Maschinen Aufgaben übernehmen, die früher Teil meiner Expertise waren, hat das Auswirkungen auf mein Selbstwertgefühl. Gleichzeitig müssen sich alle mit den neuen Systemen und dem Verständnis der KI auseinandersetzen. Diese Unsicherheiten sind in der Belegschaft weit verbreitet.
Was bedeutet das für die Rolle von Führung?
Es ist entscheidend, dass Führungskräfte Zuversicht vermitteln und ihre Mitarbeitenden unterstützen, um die aktuellen Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Auch bei dem neuen Phänomen, das wir Hyperproduktivität nennen. Früher hat man E-Mails in einer Fremdsprache einfach verschickt, auch wenn sie nicht perfekt waren, in der Annahme, dass der Empfänger Verständnis zeigt und nachsichtig ist, weil man kein Muttersprachler ist. Heute hingegen optimiert man die E-Mail mithilfe von Künstlicher Intelligenz, bevor man sie versendet. Die Nutzung dieser Tools führt zu einem wachsenden Zwang zur Perfektion – alles muss optimiert werden. Diese Hyperproduktivität erzeugt enormen Druck, besonders in einer schnelllebigen Zeit, in der vieles brüchig erscheint. In solchen Phasen des Wandels ist es wichtig, eine starke Führungspersönlichkeit zu haben, die eine klare Richtung vorgibt und die Mitarbeitenden motiviert, aktiv mitzumachen.