Angesichts begrenzter globaler Ressourcen und Klimakrise wissen wir schon seit Jahrzehnten, dass es so nicht weitergehen kann: Insbesondere die industrialisierten Staaten verbrennen in enormem Ausmaß fossile Rohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas, um ihren Energiehunger zu stillen. Ein Wechsel auf erneuerbare Quellen wie Sonne und Wind sowie Einsparmaßnahmen sind dringend angesagt. Passiert ist viel zu wenig – bis der russisch-ukrainische Krieg begann: Bislang billige Rohstoffe wurden um ein Vielfaches teurer, nun stehen Verzicht und Effizienz ganz oben auf der Agenda. Folglich wird auch darüber diskutiert, was Energie für wen kosten darf.
So kritisierte Frank Werneke, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, dass im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung weitere direkte Zahlungen für Menschen mit eher niedrigen und mittleren Einkommen fehlten. Siegfried Russwurm wiederum, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, warnt trotz der rund 100 Milliarden Euro, die der Bund im Zuge des „Doppel-Wumms“ locker macht: „Immer mehr Betriebe und Unternehmen sind angesichts explodierender Gas- und Strompreise existenziell bedroht.“ Wie verhindert man einerseits den wirtschaftlichen Kollaps von Betrieben und bedürftigen Menschen, ohne andererseits durch kostspielige Subventionen eine schnelle Energiewende auszubremsen? Politische Lösungen für diese komplexen Aufgaben stehen noch aus.
Ein klareres Bild ergibt sich bei den privaten Haushalten. Zahlreiche Studien haben schon gezeigt, dass steigender Wohlstand mit steigendem Energieverbrauch Hand in Hand geht: Wer mehr Geld hat, bewohnt größere Wohnungen und Häuser, die beheizt und beleuchtet werden müssen, kann sich größere Autos leisten, fliegt häufiger, reist generell weiter, isst mehr exotische Nahrungsmittel, die transportiert werden müssen und konsumiert insgesamt mehr. Yannick Oswald, ein deutscher Ökonom, der an der Universität Leeds zu Verteilungsgerechtigkeit in Energiefragen forscht und komplexe Systeme modelliert, hat dieses Wissen in konkrete Zahlen gefasst. Ein Ergebnis lautet: Das reichste Prozent der deutschen Bevölkerung verbraucht 400 Gigajoule Energie pro Jahr. Der Durchschnittsverbrauch aller Haushalte hingegen liegt lediglich bei 87 Gigajoule. Also gerade diejenigen, die es sich leisten können, haben das größte Potenzial, ihren Verbrauch zu reduzieren. Ob sie dies auch tun, wird bislang allerdings nicht diskutiert.
Immerhin werden gesamtgesellschaftlich erste Sparanstrengungen sichtbar. Sowohl Haushalte als auch kleinere Firmen haben laut Bundesnetzagentur Anfang Oktober dieses Jahres im Schnitt 29 Prozent weniger Gas verbraucht als in den gleichen Zeiträumen von 2018 bis 2021. „Weitere Anstrengungen sind nötig“, betont Bundesnetzagentur-Präsident Müller, es komme jetzt „auf uns alle an“. Es gelte, den individuellen Energieverbrauch zu überdenken und möglichst wenig Gas zu verbrauchen.
Mieterinnen und Mieter haben hierbei zwar nur einen geringen Spielraum, können in vielen Fällen ihre Kosten aber dennoch erheblich senken. Es fängt ganz simpel damit an, die Heizung richtig einzustellen. „Jedes Grad weniger Raumtemperatur senkt den Verbrauch um etwa sechs Prozent“, erläutert Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen.