Die Krise persönlich nehmen

Hohe Preise für Erdöl und Erdgas machen effiziente Technologien und sparsames Verhalten attraktiver. Ökologisch ist das von Vorteil, sozial birgt es Konfliktpotenzial.

Illustration: Vanessa Chromik
Illustration: Vanessa Chromik
Lars Klaaßen Redaktion

Angesichts begrenzter globaler Ressourcen und Klimakrise wissen wir schon seit Jahrzehnten, dass es so nicht weitergehen kann: Insbesondere die industrialisierten Staaten verbrennen in enormem Ausmaß fossile Rohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas, um ihren Energiehunger zu stillen. Ein Wechsel auf erneuerbare Quellen wie Sonne und Wind sowie Einsparmaßnahmen sind dringend angesagt. Passiert ist viel zu wenig – bis der russisch-ukrainische Krieg begann: Bislang billige Rohstoffe wurden um ein Vielfaches teurer, nun stehen Verzicht und Effizienz ganz oben auf der Agenda. Folglich wird auch darüber diskutiert, was Energie für wen kosten darf.

So kritisierte Frank Werneke, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, dass im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung weitere direkte Zahlungen für Menschen mit eher niedrigen und mittleren Einkommen fehlten. Siegfried Russwurm wiederum, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, warnt trotz der rund 100 Milliarden Euro, die der Bund im Zuge des „Doppel-Wumms“ locker macht: „Immer mehr Betriebe und Unternehmen sind angesichts explodierender Gas- und Strompreise existenziell bedroht.“ Wie verhindert man einerseits den wirtschaftlichen Kollaps von Betrieben und bedürftigen Menschen, ohne andererseits durch kostspielige Subventionen eine schnelle Energiewende auszubremsen? Politische Lösungen für diese komplexen Aufgaben stehen noch aus.

Ein klareres Bild ergibt sich bei den privaten Haushalten. Zahlreiche Studien haben schon gezeigt, dass steigender Wohlstand mit steigendem Energieverbrauch Hand in Hand geht:  Wer mehr Geld hat, bewohnt größere Wohnungen und Häuser, die beheizt und beleuchtet werden müssen, kann sich größere Autos leisten, fliegt häufiger, reist generell weiter, isst mehr exotische Nahrungsmittel, die transportiert werden müssen und konsumiert insgesamt mehr. Yannick Oswald, ein deutscher Ökonom, der an der Universität Leeds zu Verteilungsgerechtigkeit in Energiefragen forscht und komplexe Systeme modelliert, hat dieses Wissen in konkrete Zahlen gefasst. Ein Ergebnis lautet: Das reichste Prozent der deutschen Bevölkerung verbraucht 400 Gigajoule Energie pro Jahr. Der Durchschnittsverbrauch aller Haushalte hingegen liegt lediglich bei 87 Gigajoule. Also gerade diejenigen, die es sich leisten können, haben das größte Potenzial, ihren Verbrauch zu reduzieren. Ob sie dies auch tun, wird bislang allerdings nicht diskutiert.

Immerhin werden gesamtgesellschaftlich erste Sparanstrengungen sichtbar. Sowohl Haushalte als auch kleinere Firmen haben laut Bundesnetzagentur Anfang Oktober dieses Jahres im Schnitt 29 Prozent weniger Gas verbraucht als in den gleichen Zeiträumen von 2018 bis 2021. „Weitere Anstrengungen sind nötig“, betont Bundesnetzagentur-Präsident Müller, es komme jetzt „auf uns alle an“. Es gelte, den individuellen Energieverbrauch zu überdenken und möglichst wenig Gas zu verbrauchen.

Mieterinnen und Mieter haben hierbei zwar nur einen geringen Spielraum, können in vielen Fällen ihre Kosten aber dennoch erheblich senken. Es fängt ganz simpel damit an, die Heizung richtig einzustellen. „Jedes Grad weniger Raumtemperatur senkt den Verbrauch um etwa sechs Prozent“, erläutert Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen.

Illustration: Vanessa Chromik
Illustration: Vanessa Chromik

Stufe 1 auf dem Thermostat entspricht einer Raumtemperatur von rund zwölf Grad. Der Abstand von einer Stufe zur nächsten beträgt rund vier Grad. Stufe 5 entspricht also etwa 28 Grad. „Im Wohnzimmer sind 20 Grad für die meisten angenehm, im Schlafzimmer reichen oft auch nur 18 Grad, in weniger genutzten Räumen sogar 16 Grad“, rät Oelmann. „Niedriger sollte es nicht werden, da sonst Schimmel droht.“ Viele weitere Tipps ums Energiesparen gibt die Verbraucherzentrale Bremen auf ihrer Website, ebenso für Eigenheimbesitzer, die mit dem Gedanken spielen, energetisch zu sanieren.

»Mieterinnen und Mieter können in vielen Fällen ihre Kosten erheblich senken.«

Für sogenannte Prosumer, die Strom nicht nur verbrauchen, sondern auch selbst erzeugen, enthält die Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) einige Verbesserungen und Vereinfachungen. Der Hintergrund: Das EEG 2023 soll den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen. Ziel ist es etwa, die Anzahl der Photovoltaik-Anlagen in Deutschland zu erhöhen. Anlagen mit Eigenversorgung bekommen deshalb höhere Vergütungssätze als feste Einspeisevergütung. Jetzt auf dem eigenen Dach zu investieren, lohnt sich also. „Wer eine PV-Anlage kauft, sollte aber nicht nur Qualitätsstandards und Gütesiegel prüfen“, rät Oelmann, „sondern auch die Bedingungen zu Garantie und Versicherung.“ Stolpersteine im Kleingedruckten seien keine Seltenheit.

Besteht eine PV-Anlage – oder deren Speichersystem – aus Komponenten von verschiedenen Herstellern, können sich auch deren Garantielaufzeiten erheblich unterscheiden. Während man beim Modul für 20 Jahre abgesichert ist, beläuft sich der Zeitraum bei der Unterkonstruktion eventuell nur auf zehn, beim Wechselrichter vielleicht nur auf fünf Jahre. Damit unterscheiden sich dann natürlich auch die Inhalte der Garantievereinbarungen. Im Idealfall umfasst eine einzige Garantie alle Komponenten. Zwar sei niemand verpflichtet, seine PV-Anlage zu versichern. „Aber einige Schäden können sehr teuer werden“, warnt Oelmann. Für einen in der Regel kleinen Aufpreis deckt die Wohngebäude- beziehungsweise Elementarschadenversicherung solche Fälle ab. Daneben gibt es reine Photovoltaikversicherungen. „Diese umfasst weitere Aspekte wie etwa Diebstahl oder Vandalismus“, so Oelmann. „Das lohnt sich meist nur für größere Anlagen mit mehr als zehn Kilowatt Leistung.“

Auch die Investition in eine Wärmepumpe, die etwa zu zwei Dritteln mit Umweltwärme heizt und nur ein Drittel in Form von Strom hinzuzieht, kann sich für Eigenheimbesitzer rechnen. In der Regel ist die Anschaffung teurer und der Betrieb günstiger als bei konventionellen Heizkesseln. Vor allem bei Erdwärmepumpen können hohe Kosten für die Erschließung der Wärmequelle entstehen. Durch Förderungen vom Staat reduzieren sich die Investitionen.

Vor dem Hintergrund drastisch steigender Energiepreise lohnt sich das Investment in effiziente Technologien mehr denn je. Das gilt auch für Verhaltensänderungen, die den Verbrauch senken. Es rechnet sich, die Energiekrise persönlich zu nehmen – auch damit wir das Klima nicht unnötig weiter anheizen.
 

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