Selbst fahren oder fahren lassen?

Autonomes Fahren klingt längst nicht mehr wie eine Science-Fiction-Vision. Dennoch werden wir noch lange keine selbstfahrenden Autos auf unseren Straßen sehen. Aus gutem Grund. 

Illustration: Mal Made
Illustration: Mal Made
Julia Thiem Redaktion

Die Chancen, die mit dem autonomen Fahren einhergehen, sind groß. Denn schon heute ist es schwer, Fahrer für den Nah- und Güterverkehr zu finden. Autonomes Fahren könnte aber auch die Mobilität im ländlichen Raum verändern, wo eine schlechte Infrastruktur und wenige Einwohner den wirtschaftlichen Betrieb des ÖPNV bisher verhindern. Es könnte Innenstädte entlasten, Wohnen neu definieren, indem es die Mobilität in Quartieren neugestaltet, und gerade in Ballungsräumen die wertvollen, weil begrenzten Parkflächen wesentlich effizienter nutzen. 

Dafür, dass die Ära des autonomen Fahrens bereits in den 1960er Jahren mit dem ersten computergesteuerten Auto, dem sogenannten „Stanford Cart“, begann, merken wir Normalsterbliche bis heute kaum etwas von den vielen Vorteilen. Im Gegenteil: In den USA gab es noch Anfang Oktober dieses Jahres einen tödlichen Unfall mit einem selbstfahrenden Taxi des Anbieters Cruise. Eine Fußgängerin war von einem anderen Fahrzeug – mit einem Menschen hinterm Steuern – angefahren und vor das Robotaxi geschleudert worden, das sie dann mehrere Meter mitgeschleift hat. 

An diesem tragischen Unfall zeigen sich die großen Herausforderungen des autonomen Fahrens noch deutlich. Zum einen ist die Haftungsfrage nach wie vor nicht geklärt. Denn so, wie der Unfall geschildert wurde, hätte ihn auch ein Mensch hinterm Steuer wohl kaum verhindern können. Aber: Die Cruise-Wagen sind so programmiert, dass sie bei einer Kollision automatisch an den Straßenrand fahren, um den Verkehr nicht zu behindern. Die Frage, die US-Gerichte nun klären müssen, lautet also, ob die Frau noch leben könnte, wäre das Taxi stehengeblieben – ebenso, wie jeder Mensch vermutlich reagiert hätte. 

Des weiteren geht es um die Verarbeitung der immensen Datenmenge, die Sensoren und Aktoren im Fahrzeug sammeln. Denn nur so kann die Umgebung überhaupt wahrgenommen und interpretiert werden, was dann wiederum in Echtzeit zu Handlungen führen muss. Dafür müssen erstens die zugrundeliegenden Algorithmen trainiert werden, es braucht aber zweitens auch noch mehr Daten, um autonomes Fahren wirklich verlässlich im Straßenverkehr möglich zu machen. Das ist ein Grund, warum das autonome Fahren hierzulande auch im überschaubaren Rahmen erprobt wird, also beispielsweise in Parkhäusern oder auf Firmengeländen. Denn dort können zusätzliche Sensoren im Gebäude oder auf den Flächen weitere, für die Gefahreneinschätzung wichtige Daten liefern. 

Und zu guter Letzt sind sich die Forscher auch noch nicht einig, ob autonomes Fahren – in welcher Form es auch immer Einzug in unsere Mobilität halten wird – nun zu mehr oder weniger Verkehr führen könnte. Zwar steigert autonomes Fahren die Effizienz, die Technologie könnte aber genauso dafür sorgen, dass Mobilität noch stärker nachgefragt wird. Und ein noch höheres Verkehrsaufkommen würde dann wiederum eine größere und schnellere Datenverarbeitung erfordern. So attraktiv es auch klingt: Wir werden wohl noch eine Weile selbst hinterm Steuer sitzen müssen – außer in Parkhäusern oder auf begrenzten Flächen. 
 

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