Saudi-Arabien nach dem Öl-Boom

Transformation von der ölabhängigen zur diversifizierten Volkswirtschaft erfordert enorme Investitionen in zukunftsträchtige Branchen.
Andrej Rempel
Andrej Rempel; Abteilungsdirektor Außenhandelsfinanzierung; Helaba Landesbank Hessen-Thüringen
Helaba Landesbank Hessen-Thüringen Beitrag

Getragen von den hohen Ölpreisen der Jahre 2003 bis 2013 entwickelte sich Saudi-Arabien zu einer der führenden Wirtschaftsnationen – im Jahr 2014 war das Land Nr. 19 der Welt – und liegt gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) vor Schweden und der Schweiz. Neben der erfolgreichen Entwicklung des Gesundheits- und des Bildungssektors, der Infrastruktur aber auch den sozialen Transferleistungen konnten mit den hohen Öleinnahmen auch mehr als beachtliche Währungsreserven von rund USD 700 Milliarden aufgebaut werden (Stand Februar 2015).

Die einheimische Bevölkerung profitierte ebenfalls von den sprudelnden Öleinnahmen: 1,7 Millionen neue Stellen wurden geschaffen, davon rund 1,1 Millionen im Staatssektor mit im Vergleich zum Privatsektor überdurchschnittlicher Vergütung. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen in Saudi-Arabien stieg in den Jahren 2003 bis 2013 um 75 Prozent. Der Wirtschaftsboom lockte viele Gastarbeiter an. So wuchs die Bevölkerung in den Jahren 2003 bis 2013 von 22 auf 30 Millionen.

Der im Jahr 2014 einsetzende Verfall des Ölpreises bremste das Wirtschaftswachstum und engte den finanziellen Handlungsspielraum der Regierung deutlich ein. Diese Entwicklung bewog die Regierung dazu, Optionen für eine Transformation der ölabhängigen Wirtschaft zu einer diversifizierten und kompetitiveren Volkswirtschaft zu prüfen. Auf dieser Basis wurde die Roadmap „Vision 2030“ entwickelt, die die Ziele einer grundlegenden Transformation der saudischen Gesellschaft, der staatlichen Stellen und der Wirtschaft hin zu einer modernen und diversifizierten Volkswirtschaft definiert. Gesteckte Ziele sind beispielsweise die Schaffung von 6 Millionen Arbeitsplätzen für Saudis, die Verdopplung des Bruttoinlandsprodukts, die Erhöhung des Anteils des privaten Sektors am BIP und die Diversifizierung der Wirtschaft sowie der Steuereinnahmen. Auf Basis dieser Roadmap wurden in dem „National Transformation Program 2020“ Teilziele definiert, die bis zum Jahr 2020 erreicht werden sollen. Dabei dürften für die deutsche Exportwirtschaft insbesondere die Pläne für den Ausbau und die Diversifizierung der saudischen Wirtschaft von Interesse sein. Die Ziele der saudischen Regierung sind durchaus ambitioniert und erfordern enorme Investitionen. Im Rahmen dieses Programms wurden folgende Branchen von der Regierung als prioritär eingestuft: Tourismus, Bergbau, Informationstechnologien, Petrochemie, produzierendes Gewerbe, Bausektor und Energie.

Mit einem Exportvolumen von rund EUR 10 Milliarden (im Jahr 2015) war Saudi-Arabien bereits ein wichtiger Absatzmarkt für die deutsche Wirtschaft. Der eingeleitete Transformationsprozess sollte auch der deutschen Exportwirtschaft günstige Gelegenheiten für einen weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und eine Erhöhung der Exporte nach Saudi-Arabien bieten.

Nach Schätzung des Beratungsunternehmens McKinsey sind zur Erreichung der ambitionierten Ziele bis zum Jahr 2030 Investitionen in Höhe von bis zu USD 4 Trillionen notwendig. Diese wird die saudische Wirtschaft nicht alleine aufbringen können; internationale Investoren und Kreditgeber werden gefragt sein.

Dabei können die Exportkreditgarantien des Bundes die deutschen Exporteure bei ihren Geschäften in der Region unterstützen. Insbesondere langfristige Hermesgedeckte Bestellerkredite dürften – aufgrund von günstigen Finanzierungskosten und langen Kreditlaufzeiten – auf ein hohes Interesse auf der Abnehmerseite stoßen.  Dabei gilt es jedoch auch die strengen Scharia-Regeln zu beachten, die die Durchsetzbarkeit von Forderungen gegen saudische Kreditnehmer erschweren können. Die Helaba hat hierzu in Zusammenarbeit mit lokalen Anwälten tragfähige Strukturen erarbeitet und kann damit die Exporteure bei ihren Geschäften in Saudi-Arabien unterstützen.

www.helaba.de

 

Konkrete Ziele in den einzelnen Branchen bis 2020

 

Bausektor
+ 90.000 neue Wohnungen im Sozialbau
+ Steigerung des Anteils am BIP von 5 % auf 10 %

Tourismus
+ Erhöhung der religiösen Besucher von 7,5 auf 17,5 Millionen pro Jahr
+ Ausbau von 5 neuen touristischen Destinationen
+ Bau von 90 Museen

Energie
+ Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 3.450 MW

Petrochemie
+ Erhöhung der lokalen Wertschöpfung von 40 auf 75 Prozent Bergbau und Rohstoffindustrie
+ Importsubstitution durch Ausbau von Kapazitäten im Stahl- und Zementbereich
+ Nutzung der umfangreichen Rohstoffvorkommen von Phosphat, Bauxit, Gold, Kupfer, Gips, Magnesit u.a.
+ Niedrige Energiepreise begünstigen Vor-Ort-Verarbeitung und Produktion
+ Steigerung der Umsatzerlöse auf rund EUR 25 Milliarden

Informationstechnologie
+ Ausbau des Glasfasernetzes inStädten (90 Prozent der Anschlüsse) und ländlichen Gebieten (66 Prozent der Anschlüsse)
+ Ausbau des E-Commerce

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