Im Austausch

Von der Karawane zur Raumfahrt: Mobilität war stets Treiber von Innovationen, die allen zugute kommen.

 

Illustration: Alissa Thaler
Illustration: Alissa Thaler
Mirko Heinemann Redaktion

Zweifellos waren Dampfmaschinen eine großartige Erfindung. Anfangs pumpten sie Wasser aus Bergwerksschächten, später trieben sie Maschinen in Fabriken an. Doch erst als Dampfmaschinen auf Räder gestellt und auf Schienen beweglich wurden, wurden sie zu einer Inspiration.

Die Eisenbahn transportiert Menschen seit fast 200 Jahren über Kontinente hinweg, und welche enorme Bedeutung sie für die menschliche Schaffenskraft hat, davon lassen ihre Spuren in der Literatur ahnen: Jules Vernes schickte seinen Helden Phileas Fogg meistenteils in Dampfzügen um die Welt in 80 Tagen. Agatha Christies Detektiv Hercule Poirot ermittelte in einem Eisenbahnzug zwischen Istanbul und London. Und Karl May, dessen Held als Ingenieur für eine Eisenbahngesellschaft in den wilden Westen verschlagen wird, ließ seine Leser:innen erkennen, dass die Eisenbahn nicht nur Gutes bringt – zumindest nicht den amerikanischen Ureinwohnern. Erkenntnis: Jede Erfindung ist nur so gut oder so schlecht wie das, was man aus ihr macht.

Einer der stärksten Treiber für Innovation ist der Austausch zwischen sehr unterschiedlichen Menschen. Ermöglicht wird er durch Mobilität. Ob die Menschen als Krieger auszogen, auf der Flucht waren oder als Händler auf Reisen. Wie Marco Polo. Der wird zwar heute gern zum Abenteurer verklärt. Dabei reiste der Sprössling einer venezianischen Familie, den Alexander von Humboldt als „größten Reisenden aller Zeiten“ bezeichnete, mitnichten aus Abenteuerlust oder Wissensdurst, wie sein preußischer Epigone. Marco Polo war Kaufmann, und als er im 13. Jahrhundert seine Reise nach China antrat, trieben ihn ökonomische Motive an. Das mongolische Weltreich bot mit der Seidenstraße eine sichere Frachtroute unter dem Schutz des regierenden Großkhans, und Venedig und die konkurrierende Handelsmacht Genua wetteiferten um die Gunst des Herrschers. Dass Marco Polo diese erlangte, indem er die persische und die mongolische Sprache erlernte sowie diplomatische Aufgaben für den Großkhan übernahm, verschaffte er seiner Familie entscheidende Vorteile im Welthandel.

Händler brachten nicht nur Gewürze und andere exotische Lebensmittel aus Asien nach Europa, sondern bahnbrechende Neuheiten wie Porzellan, Papier, Seide und das Schwarzpulver. Letzteres veränderte nicht nur die Kriegführung, sondern vermittelte grundlegende physikalische Erkenntnisse über das Prinzip von Antrieben für Luftfahrzeuge und Weltraumraketen.

Die Raumfahrt gilt heute als starker Katalysator für Innovationen. Die Herausforderung einer Reise zum Mond oder die Errichtung einer Kolonie auf dem Mars erfordert eine hohe Anzahl von neuen Produkten und enorme Anstrengungen der beteiligten Unternehmen. Die Erkenntnisse, die daraus hervorgehen, sind aber mitnichten ein Luxus, der ausschließlich künftigen Astronauten zugute kommt. Im weiteren Verlauf der Klimakrise, so viel ist zu befürchten, werden Erfindungen zum Überleben in schwierigen Umweltverhältnissen ihre ganz praktische Anwendung hier auf der Erde finden.

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