Herr Wege, welche Rolle spielt die KI aktuell im Bereich Handel und Logistik?
Da würde ich zunächst gerne etwas Grundsätzliches sagen. Beim Einsatz digitaler Prozesse geht es immer darum zu analysieren, wie ich mein Geschäft optimieren kann. Das kann natürlich KI sein, das kann aber auch ein herkömmlicher Algorithmus sein oder sogar ein guter alter Entscheidungsbaum. Geht es nun um KI, würde ich da zwischen „herkömmlicher“ KI und generativer KI unterscheiden. Erstere kommt schon länger zum Einsatz – denken Sie etwa an Nachfrageprognosen im Handel, in der Logistik oder in der Lagerverwaltung. Wo es noch riesiges Potential gibt, ist die generative KI. Die Marktforscher von Bloomberg gehen davon aus, dass das weltweite Marktvolumen für generative KI von heute 40 Milliarden Dollar in den kommenden zehn Jahren um 41 Prozent auf über 1,3 Billionen Dollar wachsen wird.
Wie kann das konkret aussehen?
Da geht es zum Beispiel um die Assetproduktion für das Marketing oder den Vertrieb. E-Commerce-Händler erstellen mit generativer KI Produktbeschreibungen, Bilder oder Videos. Lebensmitteleinzelhändler reichern ihre Websites mit Rezepten an. Beim Instore Tracking – also der Verfolgung von Kundenwegen im Laden über Kameras – kann KI helfen, Lücken in der Videoerfassung zu füllen. Eine ganz spannende Anwendung sind Neuro-Avatare - digitalisierte Menschen, die sich an individuelle Kundenbedürfnisse anpassen und für personalisierte Interaktionen im Kundenservice eingesetzt werden können, etwa im E-Commerce. Aber auch schon längst bekannte Konzepte werden mit KI nun deutlich effizienter und kundenfreundlicher umgesetzt. Ein Beispiel ist Voicecommerce, also die individuelle Audiobegleitung der Kunden im Laden, ein weiteres das sogenannte Real Time Pricing, also die Anpassung der Preise im Laden etwa je nach Tageszeit – hier steuert die KI die digitalen Preislabels an den Regalen.
Das heißt, KI – welcher Art auch immer – kommt vor allem in diesen Bereichen zum Einsatz?
Nein, das geht viel weiter. KI unterstützt über die gesamte Wertschöpfungskette. Das fängt bei der Produktentwicklung an. Mithilfe von KI lässt sich zum Beispiel die Entwicklungszeit eines neuen PCs von anderthalb Jahren auf drei bis sechs Monate verkürzen. KI hilft bei Absatzprognosen für Produkte, die in der Pipeline sind. Im Aftersales-Bereich liefert die KI effiziente Auswertungen über das Kaufverhalten und liefert so Daten zurück in den Entwicklungsprozess. Es gibt ja letztendlich drei Aspekte, die ich in der Wertschöpfungskette beeinflussen kann: Wo sind die großen Kostenblöcke, wo habe ich die höchsten Qualitätsprobleme und welches sind die größten Umsatztreiber. Ich kann allen Unternehmen nur raten, hier die Möglichkeiten der KI zu nutzen. Viele fangen jetzt damit an, aber viele sind aus meiner Sicht noch zu zögerlich.
KI braucht Modelle – also Daten. Wie ist hier die Lage?
Handel und Logistik waren schon immer datengetrieben. Nur müssen die Verfügbarkeit und Qualität dieser Daten auch stimmen. Der schönste, von KI erstellte Werbeprospekt nützt nichts, wenn es keine saubere Kundendatenbank gibt und nicht ausgewertet werden kann, wie viel Umsatz mit einer bestimmten Aussendung generiert wurde. Meine Lagerlogistik kann ich nicht optimieren, wenn das Warenwirtschaftssystem nicht sauber geführt wird. Auch hier kann ich nur raten, sich dem Thema Daten intensiv zu widmen – sie sind in der Tat die Grundlage für den effizienten Einsatz von KI.
Viel diskutiert wird der Einsatz von KI auch im Mittelstand.
Natürlich profitieren auch KMU von der KI – bis hin zum Betreiber eines Blumenladens, der eine E-Commerce-Seite aufbauen, das Kaufverhalten seiner Kunden analysieren und per KI seinen Werbeprospekt erstellen möchte. Viele fürchten aber große Entwicklungsaufwände, es fehlt an Know-how und Personal. Dabei gibt es bereits Plug-and-Play-Anwendungen, die auch KMU nutzen können. Die regionalen Organisationen des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels, des HDE, aber auch die IHK, bieten Foren und Veranstaltungen, die sich speziell an KMU wenden.
Und KMU können sich lokal oder regional zusammentun und zum Beispiel Ressourcen teilen. Es kann also niemand sagen, dass KI für KMU nicht machbar ist.
Andere Länder sind beim Einsatz von KI schon viel weiter – etwa China. Was heißt das für Handel und Logistik in Deutschland und Europa?
Nehmen Sie zum Beispiel Temu. Temu setzt schon längst KI entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein – etwa in der Produktentwicklung oder der Produktdarstellung auf der Website und ist damit bekanntermaßen auch in Deutschland sehr erfolgreich. Das hätte ich vor einigen Jahren auch nicht geglaubt. Bei aller Kritik an dem Geschäftsmodell sollte man sich da auch fragen: Welche Erfolgsfaktoren stecken dahinter und welche Innovationen kommen zum Einsatz? Der Gamification-Ansatz ist da bei Temu ein spannendes Beispiel. Mein Appell an alle Unternehmen in Handel und Logistik ist, sich solche globalen Marktteilnehmer genau anzusehen und als Chance zu begreifen, zu lernen und zu schauen, was wir für unsere Geschäftsmodelle übernehmen können.
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