Wasserstoff: Wo geht die Entwicklung hin?

Die Unternehmensberatung Roland Berger liefert mit ihrem „Clean Hydrogen Radar“ einen umfassenden Blick auf die globalen Entwicklungen der Wasserstoffwirtschaft.

Yvonne Ruf, Partnerin Roland Berger
Yvonne Ruf, Partnerin Roland Berger
Roland Berger GmbH Beitrag

Wasserstoff gilt als eine tragende Säule der globalen Energiewende. Besonders im Fokus: Grüner Wasserstoff, der in Elektrolyseuren hergestellt wird, die mit Strom aus erneuerbaren Quellen laufen. Die internationale Energieagentur rechnet vor, dass es bis 2030 weltweit 720 GW an installierter Elektrolyseleistung braucht, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen.

Doch wie ist der aktuelle Stand der Produktion und Nutzung grünen Wasserstoffs und wo geht die Entwicklung hin? Dazu liefert der „Clean Hydrogen Radar“ von Roland Berger Einschätzungen. Für die Analyse führt die Unternehmensberatung eine globale Projektdatenbank und analysiert regelmäßig, wie realistisch der angekündigte Markthochlauf ist – auf Basis des regulatorischen Umfelds, der Entwicklungen und Verfügbarkeiten von Technologie sowie des realen Projektfortschritts.

Die Analysen ergeben aktuell folgendes Bild: Stand Oktober 2022 gibt es weltweit ca. 0,5 GW an installierter Leistung zur Produktion grünen Wasserstoffs. Angekündigt sind von der Industrie bis 2030 weitere 450 GW in Form konkreter Projektvorhaben. Wir halten in diesem Zeitraum rund 110 GW installierte Elektrolyseleistung für machbar, das heißt ein Wachstum um den Faktor 200 in nur 8 Jahren.

Das sind ambitionierte Ziele und dennoch deutlich weniger als von der Industrie angekündigt. Warum? Die Erfahrung zeigt, dass im Bereich Energieinfrastruktur grundsätzlich deutlich unter 50 % der geplanten Vorhaben realisiert werden. In der Wasserstoffwirtschaft gilt das umso mehr, da unvollständige Regulierung, unausgereifte Technologie sowie das Fehlen kommerzieller Standards für Planungskomplexitäten und lange Vorlaufzeiten sorgen.

Blickt man auf die geografische Verteilung der geplanten Projekte, so zeigt sich ein klares Muster: In Europa befinden sich über 300 Projekte in Planung, in der Regel ausgelegt auf lokale Produktion für lokalen Verbrauch durch Industrieabnehmer. Im mittleren Osten, Südamerika und Ozeanien werden aufgrund der geringen Kosten für erneuerbaren Strom Giga-Projekte mit klarer Exportorientierung vorangetrieben. Zielmärkte der Exporte sind Westeuropa und Ostasien.

Uwe Weichenhain Partner Roland Berger
Uwe Weichenhain Partner Roland Berger

In den USA zeigt sich aktuell eine besondere Dynamik, ausgelöst durch Investitionsanreize in grüne Infrastruktur durch den Inflation Reduction Act. Die vorgesehenen direkten Subventionen können das Preisniveau von grünem Wasserstoff an geeigneten Standorten auf unter einen US-Dollar pro Kilogramm senken – ein echter Paukenschlag mit potenziell hoher Strahlkraft für Investoren.

In Europa machen die aktuellen Verwerfungen an den Energiemärkten mit zuvor nie gesehenen Preisen die strategische Relevanz von Wasserstoff deutlich. Plötzlich ist grüner Wasserstoff preislich wettbewerbsfähig mit fossil produziertem Wasserstoff, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Bei heutigen Gaspreisen über 100 Euro je MWh und CO2-Bepreisung kann grüner Wasserstoff sogar die günstigere Alternative sein. Die reduzierte Verfügbarkeit von Erdgas wird den Ausbau von großvolumiger Produktion von grünem Wasserstoff mittelfristig beschleunigen, aber die Entwicklung braucht Zeit.

Kurzfristig stehen grüne Wasserstoffprojekte, die auf zugekauften Netzstrom angewiesen sind, aufgrund der hohen Strompreise vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Denn der erneuerbare Strom macht typischerweise 70-80 % der Gesamtkosten einer grünen Wasserstoffproduktion aus. Wir empfehlen entsprechend eine integrierte Entwicklung von Grünstrom- und Wasserstoffprojekten, um kommerzielle Risiken zu reduzieren.

www.rolandberger.com/en/Insights/Publications/Clean-Hydrogen-Radar.html
 

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