Zweieinhalb Jahre – so lange dauert die aktuelle Nullzinsphase der EZB nun schon an. Und ein Ende ist nach wie vor nicht in Sicht: Erst unlängst ließen die europäischen Finanzpolitiker aus Frankfurt verlauten, dass mindestens bis Mitte des Jahres 2019 keine Anhebung des Leitzinses erfolgen wird.
Während sich die Kreditnehmer über die anhaltend günstigen Konditionen freuen, müssen die Anleger neue Wege gehen, um im Kapitalmarkt weiterhin nennenswerte Renditen zu erwirtschaften. Immer mehr Privatanleger wenden sich deshalb auch den Derivaten zu, das sind Finanzprodukte, bei denen die Teilhabe an den Marktchancen und -risiken nicht mehr unmittelbar an die tatsächliche Inhaberschaft des Basiswertes geknüpft ist. In anderen Worten: Wenn es sich um ein Aktien-Derivat handelt, besitzt der Anleger selbst keine Aktien und damit auch keine direkte Teilhabe an der Wertentwicklung des betreffenden Unternehmens. Er kann aber trotzdem von den Kursentwicklungen desselben profitieren.
Eine Wette auf die Kursentwicklung
Im Markt werden verschiedene Formen von Derivaten gehandelt. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sich ihr jeweiliger Wert von einem bestimmten Basiswert ableitet, auch Underlying genannt. Das können Aktien sein, aber auch Anleihen, komplette Aktienindizes wie der DAX, Edelmetalle, Rohstoffe, Währungen und sogar Zinssätze. Kauft der Anleger ein Derivat, dann schließt er quasi eine Wette darauf ab, wie sich der Basiswert in Zukunft entwickeln wird. Dabei ist es möglich, sowohl auf Kursgewinne als auch auf künftige Verluste zu spekulieren.
Professionelle Investoren nutzen deshalb Derivate, um potenzielle Wertverluste ihrer Anlagen abzufangen: Das auch als Hedging bekannte Prinzip besteht darin, eine derivate Anlage so zu platzieren, dass bei einem Kursverlust des Basiswertes trotzdem eine Rendite erzielt wird.
Was im Grunde recht einfach klingt, ist dennoch nichts für Börseneinsteiger. Gewinn und Verlust liegen bei Derivatgeschäften sehr nahe beieinander, und wer nicht mit dem Risiko eines Totalverlustes umgehen kann, sollte besser die Finger davon lassen. Erfahrene Anleger haben mithilfe von Derivaten jedoch die Möglichkeit, magere Renditen zu vervielfachen und somit der Niedrigzinsphase zu trotzen.
Besonderer Beliebtheit erfreuen sich seit einiger Zeit die Zertifikate. Sie sind extrem flexibel einsetzbar und bieten deshalb vielfältige Möglichkeiten, derivate Anlagen zu platzieren. Zertifikate sind Inhaberschuldverschreibungen, das heißt: Der Käufer leiht mit dem Kauf dem Emittenten Geld. Wie jedes Derivat bezieht sich auch ein Zertifikat immer auf einen konkreten Basiswert. Es ist mit einer individuellen Wertpapiernummer gekennzeichnet und wird direkt an der Börse, aber auch beim Emittenten selbst und bei Brokern gehandelt.
Wie sich Bewegungen des Basiswertes auf das Zertifikat auswirken, hängt von der Art des Wertpapiers ab. In Niedrigzinsphasen kommen vor allem die sogenannten Hebelzertifikate zum Einsatz, die die Eigenschaft besitzen, sowohl Kursgewinne als auch -verluste zu potenzieren. Je nach der gewünschten Wirkung können sie deshalb die Rendite steigern, aber auch mit vergleichsweise geringem finanziellem Einsatz Anlagen absichern, wenn sie als konträres Derivatgeschäft abgeschlossen werden.
Hebelzertifikate werden unter anderem unter dem Namen Turbo-Zertifikate, Mini-Futures und Turbo-Optionsscheine gehandelt und spekulieren jeweils auf einen Anstieg (Long) oder Abfall (Short) des Basiswertes. Wer beispielsweise ein auf den DAX bezogenes Long-Zertifikat mit dem Hebel 5 erwirbt, gewinnt in dem Moment, wo der DAX um 5 Prozent zulegt, 25 Prozent. Mit einem Short würde er bei einem DAX-Verlust von 5 Prozent 25 Prozent Rendite einfahren. Bewegt sich der Index jedoch anders als erwartet, sind die Verluste ebenfalls entsprechend hoch. Bei Seitwärtsbewegungen im Markt können auf diese Weise kleine Renditen leicht vergrößert werden. Sobald die Börse jedoch etwas mehr in Bewegung gerät, steigen die Chancen und Risiken überproportional an.
Derivatgeschäfte für Börsenkenner
Ebenfalls im Trend liegen die CFDs – Contracts for Difference oder auch Differenzkontrakte. CFDs sind hochspekulative Derivate, die zu erheblichen Verlusten führen können und sich deshalb nur für sehr erfahrene Anleger eignen.
Auch CFDs spekulieren auf die Kursentwicklung ihres jeweiligen Basiswertes innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Sie sind nicht zuletzt deswegen interessant, weil beim CFD-Handel auch Basiswerte in Frage kommen, die für Privatanleger sonst nicht handelbar sind – beispielsweise Aktien einzelner Unternehmen aus dem DAX. Was vielen Anlegern jedoch nicht bewusst ist: CFDs auf Aktien beinhalten auch Dividenden-rechte. Tradern, die auf steigende Kurse gesetzt haben, werden deshalb am Tag der Dividendenausschüttung 85 Prozent der Dividende gutgeschrieben. Gleichwohl müssen Anleger, die an diesem Tag einen Short-CFD besitzen, die volle Dividende begleichen.
CFDs werden in der Regel „over the counter”, das heißt außerhalb der Börse gehandelt. Der Anleger erwirbt sie bei einem Broker, der sich wiederum mittels Hedging am Markt absichert. Beim Kauf wird lediglich ein Sicherheitsbetrag, die sogenannte Margin, hinterlegt. Diese beträgt nur einen Bruchteil des tatsächlich gehandelten Wertes, wodurch die Investitionskosten um ein Vielfaches niedriger liegen als bei einer Direktinvestition in den Basiswert. Eventuelle Gewinne oder Verluste macht der CFD jedoch 1:1 mit, wodurch eine beachtliche Hebelwirkung entsteht.