Grünes Geld

ESG-Fonds sind der Hit auf dem Anlagemarkt. Aber wie nachhaltig sind sie wirklich?

Illustration: Ivonne Schulze
Illustration: Ivonne Schulze
Mirko Heinemann Redaktion

Diesmal traf es die Deutsche Bank beziehungsweise ihre Fondsgesellschaft DWS, die größte Fondsgesellschaft Deutschlands. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace ließ sich undercover in Filialen der Deutschen Bank und der Postbank beraten, um herauszufinden, wie gut sich die Beraterinnen und Berater mit klimaverträglichen Geldanlagen auskennen und welche Finanzprodukte sie anbieten.

Greenpeace-Finanzexperte Mauricio Vargas analysierte die empfohlenen Fonds. Ergebnis: In nur zwei von 38 Fällen seien den Testpersonen passend zu ihrem Anlagewunsch ausschließlich klimaverträgliche Fonds angeboten worden, in sieben weiteren Fällen sei zumindest ein klimaverträglicher Fonds unter den Empfehlungen gewesen. „Manche der angebotenen Fonds enthalten große Positionen in Ölfirmen, was Menschen mit Klimaschutz-Präferenzen niemals hätte angeboten werden dürfen“, so Vargas.

Fazit, so Greenpeace: „Wer sein Geld in klimaverträgliche Aktienfonds der Deutschen-Bank-Tochter DWS anlegen möchte, erhält in den meisten Fällen weder eine fundierte Beratung noch passende Fondsvorschläge. Die grünen Werbeversprechen der DWS haben im Praxistest auf ganzer Linie versagt.“

Den Vorwurf der Umweltschutzorganisation, die Bank betreibe „Greenwashing“, wies die Deutsche Bank zurück. Gegenüber tagesschau.de sagte ein DWS-Sprecher, die Vermögensverwaltung habe keinen Einfluss auf die Produktvorschläge der Bankberater. Außerdem seien die Kriterien, nach denen die DWS ihre nachhaltigen Fonds zusammenstellt, klar ausgewiesen. So seien beispielsweise Aktien von Unternehmen erlaubt, die bis zu 15 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle erzielen. Wie nachhaltig sind denn nun „nachhaltige“ oder „ESG“-Geldanlagen wirklich?

Die Bedeutung von nachhaltigen ESG-Geldanlagen (für „Environmental“, „Social“, „Governance“) wächst rasant. 2021 hat sie laut dem Verband „Forum Nachhaltige Geldanlagen“ (FNG) eine neue Rekordmarke erreicht: 501,4 Milliarden Euro betrug die Gesamtsumme der so bezeichneten Geldanlagen in Deutschland, womit der Anteil des Sektors am Gesamtmarkt der Geldanlagen um drei auf 9,4 Prozent wuchs. Insbesondere Publikumsfonds legten stark zu, sie überholten sogar die nachhaltigen Spezialfonds. Wachstumstreiber dieser Entwicklung waren vor allem die privaten Anleger. Deren Anlagevolumen verdreifachte sich auf 131,2 Milliarden Euro.

Das Label „ESG“ wird dabei inzwischen quasi synonym mit dem Begriff der Nachhaltigkeit verwendet. Entstanden ist der Begriff im Jahr 2006, als die Vereinten Nationen gemeinsam mit zwei Dutzend Investmentgesellschaften die Initiative „Principles for Responsible Investment“ ins Leben riefen. Die beteiligten Investoren verpflichteten sich freiwillig, die Faktoren „Environmental“, „Social“ und „Governance“ in ihre Investmententscheidungen einfließen zu lassen. Das Problem war nur: Es wurden keine Standards formuliert, nicht einmal Mindestanforderungen wurden gestellt. Folglich kann ESG von jedem anders ausgelegt werden.

Illustration: Ivonne Schulze
Illustration: Ivonne Schulze

Häufig wird dabei von den Emittenten der ESG-Fonds ein sogenannter „Best-In-Class-Ansatz“ verfolgt. Dabei werden automatisch die nachhaltigsten Unternehmen ausgewählt. „Je nach Bandbreite dieser Auswahl können darunter dann auch Unternehmen fallen, die eben nicht gänzlich auf fossile Energien verzichten, Arbeitsrechtsstandards nicht vorbildlich einhalten oder deren Unternehmensführung eben nicht makellos ist“, erklärt Nadine Bold, Referentin Nachhaltigkeitsmanagement bei der UmweltBank AG, die auf nachhaltige Geldanlagen spezialisiert ist. „Daneben arbeiten viele Fonds mit Toleranzgrenzen – dadurch sind Investitionen erlaubt, wenn zum Beispiel der Rüstungsanteil eines Unternehmens maximal 10 Prozent beträgt.“

Solche Praktiken wurden von einem Fernsehteam des SWR aufgedeckt: Danach wurden Konzerne wie TotalEnergies, Hensoldt oder Coca-Cola in einen nachhaltigen ETF aufgenommen, einen Fonds, der einen Index nachbildet und Aktien verschiedener im Index enthaltener Unternehmen bündelt. Ratingagenturen hatten die Nachhaltigkeit der oben benannten Unternehmen bestätigt. Das TV-Team entdeckte im Fonds sogar Rüstungsunternehmen und Unternehmen, die Öl und Gas fördern – teilweise auch mit Fracking.

Um solches „Greenwashing“ zu verhindern, wenden viele Investmentfonds Ausschlusskriterien an, die sie von vornherein definieren. Sie meiden also bestimmte Branchen oder Unternehmen im Portfolio, etwa wenn sie gegen Menschenrechte oder internationale Arbeitsstandards verstoßen oder in Korruption und Bestechung verwickelt sind. Ausschlusskriterien wenden laut FNG inzwischen rund 82 Prozent der als „nachhaltig“ geltenden Fonds an.

Wie unterschiedlich ESG-Kriterien sein können, zeigt nicht zuletzt der Streit um die „Taxonomie“ auf europäischer Ebene. Als Taxonomie bezeichnet die EU eine verbindliche Definition von Nachhaltigkeit, die unter anderem dazu dient, den klimafreundlichen Finanzmarkt zu stärken. Jedes Jahr müssten, so die EU, 180 Milliarden Euro in „grüne“ Investments investiert werden, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Derzeit sind es viel weniger. Die „Taxonomie“ soll damit zu einem Baustein des „Green Deals“ werden, mit dem die EU ihr Ziel erreichen will, bis 2030 ihren CO2-Fußabdruck gegenüber 1990 um 55 Prozent zu reduzieren. Doch auch hier gibt es einen Streit um die Ausgestaltung der Kriterien. In der aktuellen Version der Taxonomie gelten als „nachhaltige Investments“ demnach auch Investments in Atomkraft und Gaskraftwerke.

Das Forum Nachhaltige Geldanlagen FNG hofft für die Zukunft auf einen selbstregulatorischen Effekt: „Die Finanzwirtschaft wird den sozialen und ökologischen Rucksack ihrer Produkte zunehmend offenlegen“, ist Dr. Helge Wulsdorf überzeugt, Mitglied im Vorstand des FNG. „Dabei ist dann sehr genau zu schauen, welche nachhaltigen Qualitätsanforderungen gerade ausdrücklich wirkungsbezogene Produkte erfüllen müssen, damit es nicht zu einer Irreführung der Anlegerinnen und Anleger kommt.

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