»Es geht bald wieder aufwärts«

Börsenexperte Uwe Lang über die derzeitigen Chancen am Aktienmarkt, über Fonds, Einzelwerte und ethische Geldanlagen.
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Illustration: Eléonore Roedel
Interview: Mirko Heinemann Redaktion

Herr Lang, hat Sie der so genannte „Horror-Januar“ an der Börse überrascht?

 

Ja, er hat mich ein wenig überrascht. Die Kurse waren ja bereits sehr niedrig und lagen weltweit unter ihrem fairen Wert. Dazu kommt: 2015 war insgesamt auch kein besonders gutes Börsenjahr, so dass ich dachte, es müsse jetzt mal wieder aufwärts gehen. Aber auch solche Überraschungen gehören zum Engagement an der Börse dazu. 

 

Wie wird sich der Markt entwickeln?

 

Ich denke, es geht wahrscheinlich ab Mitte bis Ende März wieder aufwärts. Das Szenario ähnelt den Jahren 2003 und 2009. Damals waren die Weltbörsen ebenfalls im Januar noch einmal eingebrochen, obwohl sie schon stark unterbewertet waren. Damals hat es bis März gedauert, bis die Anleger das Gefühl hatten, dass die Kurse niedrig genug sind und sich die Kurse wieder konsolidiert haben. Dann ging es relativ rasch nach oben. Im Winter ist die Börse ja üblicherweise recht freundlich. Das ist dieses Jahr ausgefallen. Dafür wird es vermutlich keine Sommerflaute geben.  

 

Schauen Sie speziell auf die deutsche Entwicklung oder auf den Weltmarkt?

 

Ich sehe das global. Der Dax steht ja nicht isoliert im freien Raum, sondern passt sich dem Welttrend an. Er ist übrigens in den letzten zwei Jahren vorgeprescht. Im April 2015 war er im Vergleich zum Weltindex etwas überbewertet. Ein Blick auf den Eurostoxx 50 lohnt sich. Der ist nur halb so stark, wie er schon einmal war. 

 

Würden Sie also raten, in europäische Werte zu investieren?

 

Das wäre eine Überlegung wert, denn der Nachholbedarf ist dort etwas größer. Gleichzeitig ist das Risko nicht mehr allzu groß. Dennoch würde ich raten, noch bis Mitte März abzuwarten. Die Börse ist ziemlich nervös. Mit einer größeren Korrektur rechne ich aber nicht mehr. 

 

Würden Sie Anlegern raten, in Fonds zu investieren oder direkt in Aktien?

 

Ich bin ein Gegner von Fonds, weil ich nicht einsehe, dass Anleger einen Ausgabeaufschlag und jährliche Gebühren bezahlen sollen. Es gibt Indexfonds, die so genannten ETFs, die laufen automatisch mit den Indizes mit und kosten wenig. Ich find es aber noch interessanter, auf Einzelwerte zu setzen. Ich würde Standardwerte bevorzugen, die ein geringes Risiko mit sich bringen. Das wären in Deutschland etwa Versicherer wie die Allianz oder die Münchener Rück. Um Risiken zu vermeiden, würde ich generell dividendenstarke Werte empfehlen, vor allem, seit es am Anleihemarkt keine Alternativen mehr gibt. Derzeit bieten sich auch Software-Titel an. Sie werden voraussichtlich noch eine Weile gut laufen. Auf Energiewerte würde ich noch nicht setzen. Es wird noch eine Weile dauern, bis sie sich erholt haben.  

 

Was halten Sie von Hebelprodukten, den Derivaten? 

 

Mit ihnen habe ich früher tatsächlich auch spekuliert. Inzwischen weiß ich aus eigener Erfahrung: Sie überfordern die meisten Anleger. Hebel wirken ja nicht nur aufwärts, sondern auch in die andere Richtung. Das ist das Gefährliche. Nehmen wir an, jemand setzt jetzt auf den Dax mit einem vierfachen Hebel. Und nehmen wir weiter an, der Dax rauscht dann nochmal vier, fünf Prozent nach unten. Mit einem vierfachen Hebel. So etwas hält man nervlich schwer durch.  

 

Viele Experten raten Kleinanlegern nicht zum kurzfristigen Traden, sondern zu langfristigen Anlagen. Wie sehen Sie das?

 

Weder das eine noch das andere. Es gibt keine Methodik kurzfristig Gewinne zu erzielen, die dauerhaft gut wirkt. Ich würde mittelfristig anlegen und mir Zeitpunkte suchen, in denen die Kurse niedrig sind – wie jetzt im Augenblick. Wenn die Kurse gefallen sind, wie in den letzten 14 Monaten, und die Tiefs, die getestet wurden, zwei Monate lang nicht weiter unterschritten werden, kann man wieder einsteigen. Für den richtigen Ausstiegszeitpunkt braucht man allerdings Fingerspitzengefühl. Ich persönlich bin im April 2015 ausgestiegen. Damals lag der Dax bei über 12.000 Punkten, war kurzfristig sogar überkauft. Und dann lohnt es sich zu warten, um günstige Einstiegmöglichkeiten zu finden. Die Wartezeit kann auch schon mal ein Jahr betragen. 

 

Sie sind berühmt geworden, weil Sie kurz vor dem 19. Oktober 1987, der in die Geschichte als Schwarzer Montag einging, Anlegern rieten, alle Aktien zu verkaufen....

 

Ja, damals waren die Zinsen im Lauf des Jahres 1987 kräftig gestiegen. Und Zinssteigerungen in diesem Ausmaß, wie sie damals stattfanden, sind Gift für die Börse. Das geschieht vor allem dann, wenn die Angst vor Inflation groß ist. Im Moment ist die Börsenlage allerdings anders. Es herrscht mehr Angst vor Deflation als vor Inflation. Und da gelten andere Kriterien. 

 

Hat die jüngste Finanzkrise Sie überrascht?

 

Sie war schon abzusehen, aber wir hatten uns im Zeitpunkt etwas verschätzt. 2008 hatten wir gedacht, dass die Börse bis April noch halten würde und es erst danach abwärts gehen würde.

 

Sie beobachten seit über 40 Jahren das Geschehen an der Börse. Wie wird man Selfmade-Börsenexperte?

 

Ich sehe es sportlich, die richtigen Zeitpunkte für Ein- und Ausstiege zu finden. Meine Methode ist, jeweils weit in die Vergangenheit zurückzugehen und nachzuschauen, welche Indikatoren rechtzeitige Signale geben und welche man vernachlässigen kann. Ich habe dabei festgestellt, dass sich die Qualität der Indikatoren ändern kann, je nachdem, ob mehr Angst vor Inflation oder vor Deflation besteht. Früher habe ich viel aus den Zinsen abgeleitet. Das kann man heute nicht mehr. Selbst bei niedrigsten Zinsen kann der Markt abstürzen. 

 

Welche Rolle spielt Ihre Tätigkeit als Pfarrer bei der Anlageberatung? 

 

Meine Tätigkeit als Anlageberater versuche ich davon strikt zu trennen. Ich gebe auch keine Empfehlungen, etwa in ethische Werte zu investieren. Ich beschränke mich auf die   reine Information. Jeder muss für sich selbst entscheiden, welche Kriterien er an seine Geldanlage legt – ob er in Pharmaunternehmen investieren möchte, die Tierversuche durchführen, oder in die Rüstung. 

 

Halten Sie denn ethische Geldanlagen für lukrativ?

 

Ich sehe dort Wachstumspotenzial, aber aus rein wirtschaftlichen Gründen. Die Solar- und die Windenergie sind noch nicht ausgereizt und bieten Chancen. Ich meine, dass man zwar ethische Aspekte berücksichtigen sollte, aber nicht darauf setzen, dass solche Geldanlagen aus ethischen Gründen überbewertet würden. Dafür ist die Menschheit zu eigensüchtig. 

 

Uwe Lang gibt mit „Börsensignale“ einen der erfolgreichsten Börsenbriefe Deutschlands heraus. Er ist Partner der Swissinvest Vermögensverwaltung und hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht, darunter „Investieren in stürmischen Zeiten - Anlagestrategien für Vorsichtige“ (2009) und „Die Sparer-Fibel“ (2014, mit Klaus Haidorfer). Lang war bis 1992 hauptberuflich evangelischer Pfarrer. Er hält noch heute ehrenamtlich Gottesdienste in seiner Heimatgemeinde. 

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