Frau Bortenlänger, ist das derzeitige Investitionsklima angesichts von Protektionismus und Handelskonflikten geeignet für einen Einstieg in Aktien? Oder würden Sie Anlegern raten lieber noch zu warten?
Wenn wir von einem breitgestreuten, langfristigen Aktieninvestment sprechen, ist der Einstieg immer sinnvoll. Die Renditevorteile von Aktien kommen langfristig zum Tragen. Der Einstiegszeitpunkt spielt da eine untergeordnete Rolle. Wenn man einen Aktiensparvertrag wählt, mit dem man regelmäßig kleinere Beträge in Aktien anlegt, kauft man im Falle eines Börsenabschwungs dann mehr Aktien für denselben Betrag und kann so von den niedrigeren Kursen profitieren.
Sie sind Verfechterin der Aktie als Vermögensbaustein. Worauf begründet sich Ihre Überzeugung?
Aktien werfen im Vergleich zu Sparbuch, Tagesgeld und festverzinslichen Wertpapieren deutlich höhere Erträge ab. In der Vergangenheit hat derjenige, der langfristig Geld in den deutschen Aktienindex DAX gesteckt hat, jährliche Erträge von sechs bis neun Prozent erwirtschaften können.
Wenn das so offensichtlich ist: Warum sind so wenige Deutsche in Aktien investiert?
Den Deutschen fehlt es eindeutig an Erfahrung im Umgang mit Aktien. In anderen Ländern bilden Aktien einen festen Baustein im Rahmen der Altersvorsorge. So tragen beispielsweise in Schweden Aktien ihren Anteil zu einer auskömmlichen Rente bei und verhelfen so der Aktienanlage zu einem positiven Image. Für die Bevölkerung in Schweden sind Aktien deshalb schlicht ein ganz normaler Baustein des Vermögensaufbaus.
Immer wieder wird das hohe Risiko angeführt. Sind Aktien wirklich so riskant wie ihr Ruf?
Ein klares Nein! Wer allerdings sein Geld in eine einzige Aktie steckt, der wettet. Das kann schon ein böses Erwachen geben. Deshalb ist die alte Börsenweisheit so wichtig: Nicht alle Eier in einen Korb legen! Die Aktienanlage muss breit gestreut sein, also über viele Unternehmen und Branchen hinweg. Der Anleger muss langfristig denken. Nach unseren Berechnungen waren in den vergangen 50 Jahren alle Anlagen in den DAX positiv, wenn man mindestens 13 Jahre dabeigeblieben ist. Bei sechs bis neun Prozent Aktienertrag pro Jahr kann man nach 20 Jahren mit einer Verdreifachung bis zu einer Versechsfachung des angelegten Geldes rechnen.
Dafür kann Volatilität, also das Auf und Ab an den Börsen, ganz schön an den Nerven zehren. Wie geht man damit um?
Der berühmte Investor André Kostolany hat einmal gesagt, dass man nach dem Aktienkauf lange schlafen und erst viele Jahre später wieder ins Depot schauen soll. Für denjenigen, der breit gestreut investiert, ist das immer noch ein guter Rat. Ansonsten gilt ein anderer Börsenspruch: Die Börse ist wie ein Paternoster, es ist ungefährlich, durch den Keller zu fahren. Man muss nur die Nerven behalten.
Die Finanzkrise 2007/08 hat nicht gerade zum guten Ruf der Aktie beigetragen. Viele Investoren haben viel Geld verloren.
Diese Einschätzung teile ich nicht. Die Finanzkrise hatte Ursachen, die nichts mit Aktien und der Börse zu tun hatten. In Folge der wirtschaftlichen Verwerfungen sind allerdings die Aktienkurse in Mitleidenschaft gezogen worden. Das bleibt bei großen Wirtschaftskrisen nicht aus. Dennoch hat die Finanzkrise dem Aktienmarkt langfristig nicht geschadet: Wer zum Beispiel am Tag des Konkurses von Lehman Brothers im September 2008 in den DAX investiert hätte, hätte bis heute seinen Einsatz nahezu verdoppelt – trotz des zwischenzeitlichen Einbruchs.
Seitdem eilt Investmentbankern ein schlechter Ruf voraus. Was hat sich verändert?
Die Regulierung hat deutlich zugenommen. Aber das Problem war und ist ein anderes: Viele denken, dass Aktien nur etwas für Reiche sind und man ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse besitzen muss, um in Aktien zu investieren. Das ist aber ein Missverständnis. Schon ab 25 Euro pro Monat kann man einen Aktienfonds-Sparvertrag abschließen. Damit investiert man auf einfache Weise langfristig, kontinuierlich und breit gestreut in den Aktienmarkt.
Welche Möglichkeiten gibt es, um Risiken zu senken?
Wichtig ist es, breit zu streuen. So kann man mögliche Verluste bei einem Unternehmen durch Gewinne bei einem anderen ausgleichen. Am einfachsten kann man dies über international investierende Aktienfonds oder passive Exchange Traded Fund, so genannte ETFs, erreichen. Letztere werden nicht aktiv von einem Fondsmanager betreut, sondern bilden maschinell einen bestimmten Index nach.
Soll man in deutsche, europäische oder amerikanische Aktien investieren?
Am besten von allem etwas. Aber: Im DAX sind zwar nur deutsche Unternehmen vertreten, doch da es sich durch die Bank weg um international agierende Unternehmen handelt, bekommt man das Internationale sozusagen gleich mitgeliefert.
Welche Chancen und Risiken bieten Schwellenländer-Fonds?
Schwellenländer wie Indien, China oder Brasilien wachsen oft schneller als voll entwickelte Volkswirtschaften. Allerdings sind Wirtschaft und Kapitalmärkte nicht so gefestigt wie hierzulande. Mit einem Schwellenländer-Fonds setzt man darauf, dass die Chance hoher Wachstumsraten höher ist als das Risiko grundlegender wirtschaftlicher oder politischer Rückschläge.
Wie viel von seinem Vermögen sollte man in Aktien anlegen?
Bevor man in Aktien investiert, gilt es ein paar grundlegende Regeln zu beachten. So sollte man zunächst einen Notgroschen zurückgelegt haben, um beispielsweise, wenn der Kühlschrank kaputtgeht, einen neuen kaufen zu können. Auch sollte man Risiken, wie beispielsweise die Berufsunfähigkeit, abgedeckt haben. Wieviel man dann in Aktien anlegen will, hängt von den individuellen Lebensumständen ab.
Oder sollte man doch lieber abwarten? Die Zinsen steigen ja allmählich wieder.
Auch hier gilt, was ich mit Blick auf die wirtschaftspolitisch unsicheren Zeiten gesagt habe. Man sollte sich über den Einstiegszeitpunkt nicht zu viele Gedanken machen, sondern sich stattdessen ein Herz fassen und mit dem Aktiensparen einfach anfangen.