»Die Zukunft der Finanzdienstleistung«

Deutsche Finanzdienstleister gehen die Digitalisierung zu unstrukturiert an. Es genügt nicht, Digitalisierung als reines IT-Thema zu behandeln und lediglich das Bestandsgeschäft zu digitalisieren.
von links nach rechts: Anton Taubenberger, Partner und  Sector Lead Banking, Q_PERIOR | Peter Benthake, Partner und Sector Lead Insurance, Q_PERIOR
von links nach rechts: Anton Taubenberger, Partner und Sector Lead Banking, Q_PERIOR | Peter Benthake, Partner und Sector Lead Insurance, Q_PERIOR
Q_PERIOR AG Beitrag

Die Experten Anton Taubenberger und Peter Benthake von Q_PERIOR beobachten mangelnde strategische Vorgehensweisen sowie ein fehlendes Verständnis von Plattformökonomien.

 

Herr Taubenberger, die Bankenwelt gilt bei Digitalisierungsthemen als fortschrittlich. Können Sie das bestätigen?
Banken haben die Digitalisierung zwar auf ihrer Agenda, doch vielen ist die strategische Tragweite für die Zukunft der Branche noch nicht klar. Es wird oft als operatives IT-Thema betrachtet und somit nicht ausreichend in die langfristige strategische Planung der Banken einbezogen.

 

Das halten Sie für einen Fehler?
Zumindest wird es langfristig nicht reichen. Digitalisierung ist keine reine Prozessoptimierung oder die papierlose Ablage. Vielmehr geht es darum, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dann kommen wir in Richtung Plattformökonomie und hier gibt es erheblichen Nachholbedarf – auch, was das Verständnis angeht. Unserer Meinung nach haben viele Häuser noch nicht bewusst entschieden, ob Plattformökonomie Teil ihrer Geschäftsstrategie ist und ob sie dabei als Plattformanbieter oder Plattformnutzer auftreten.

 

Herr Benthake, wie bewerten Sie das Thema in Bezug auf die Versicherungswelt, macht diese es besser?
Die Investitionen in die IT nehmen zu und wir sehen auch umfangreiche Projekte, die sich um die Kundenseite kümmern. Omnichannel ist da hervorzuheben. Hier werden auch neue Produkte entwickelt, die über alle Kanäle vertrieben und betreut werden können. Kurz: Die Branche darf sich in Sachen Digitalisierung über Erfolge freuen.

 

Trotzdem sehen wir auch Aktionismus: die Umsetzung hipper Digitalthemen, ohne Gesamtstory und Beitrag für das klassische oder ein neues Geschäftsmodell.

 

Herr Taubenberger, sollten sich Banken die Versicherungsbranche als Vorbild nehmen und die Digitalisierung stärker auf den Kunden ausrichten?
Sie müssen sogar. Noch haben Banken die Chance, ihre Kunden intensiver zu begleiten und die Kundenschnittstellen zu pflegen. Wenn dieses Umdenken nicht zeitnah gelingt, wird es ein Leichtes für die großen Tech-Riesen wie Amazon oder Google, die sich immer weiter in die Branche vorwagen, bei Standardprodukten den Banken den Rang abzulaufen.

 

Ist der Wettbewerbsdruck in der Versicherungsbranche größer als im Bankensektor? Wenn man an digitale Player wie Ping An aus China oder an Amazon, Google & Co. (GAFAs) denkt, die in den Markt vorstoßen, macht es zumindest den Anschein.
Absolut – besonders in Bezug auf die Programmierressourcen eines Versicherungskonglomerats wie Ping An. Das Unternehmen streckt bereits seine Fühler nach Deutschland aus und investiert in Insurtechs.

 

GAFAs werden aber im aktuellen Geschäftsmodell mit Fokus auf den Risikotransfer ins Kollektiv (noch) nicht als direkter Wettbewerb wahrgenommen. Als klassischer Versicherungsträger aufzutreten erscheint heute aufgrund der Komplexität, der Regulatorik und der fehlenden internationalen Skalierbarkeit für Digitalkonzerne nicht attraktiv. Mit Blick auf eine Veränderung des Besitzes von Gütern und Kaufverhalten hin zur virtuellen Demand-Gesellschaft haben Digitalkonzerne allerdings dominierende Wettbewerbsvorteile aufgebaut. Offen bleibt die Frage nach der Rolle der Digitalkonzerne in einem Markt, in dem Versicherungen lediglich als untergeordneter Teil der Customer Journey mitkonsumiert werden. Aufgrund weniger, relevanter Plattformen werden länderübergreifende Wettbewerbspositionen künftig neu definiert. Ein global agierender Plattformanbieter wird sich einen global agierenden Lieferanten für Sachversicherungen suchen und benötigt keine Auswahloption aus mehreren hundert Versicherungen je Land.


Zeitgleich kreieren Google, Amazon & Co. die Marktplätze der Zukunft. Diese dominierenden Player werden zudem leistungsstarke Tools und Prozesse zur Verfügung stellen, die sie den Kunden als Service in der Cloud anbieten. Diese Services gilt es einzubinden.


Versicherer müssen sich auf diesen Wandel vorbereiten: Dazu gehört die Customer Journey digital zu beherrschen und eine hohe Kundenloyalität zu erzeugen. Ansonsten bleibt ihnen künftig nur die Rolle des austauschbaren White-Labels oder sogar No-Label-Anbieters.

 

Nehmen Banken diese Konkurrenz auch überhaupt wahr?
Aus unserer bisherigen Erfahrung würde ich sagen: nein. Wenn überhaupt, werden Direktbanken als Bedrohung wahrgenommen, nicht aber GAFAs oder digitale Technologien im Allgemeinen. Banken sind sich der Stabilität ihrer Kundenbeziehungen aktuell womöglich noch zu sicher.

 

Wie erklären Sie sich diese Unterschiede zwischen den Branchen, Herr Benthake?
Die Interaktionshäufigkeit mit Kunden ist bei Banken viel höher als bei Versicherern. Das klassische Geschäftsmodell in der Sachversicherung lebt davon, dass nur 7-8 % der Kunden einen Touchpoint in Form der Schadenmeldung haben und dieser mit den kalkulierten Kosten verbunden ist. Daher muss der Fokus darauf liegen, diese wenigen Berührungspunkte optimal zu gestalten. Im sogenannten Low Touch Business zählt das richtige Preis-Leistungsverhältnis zum Zeitpunkt des Abschlusses. Die harte Positionierung als Preisführer im Sachversicherungssegment erfordert einen hohen Digitalisierungsgrad, damit Prozesskosten häufig wechselnder Zielkunden nicht zu unprofitablem Wachstum führen.
Wer sich in Zukunft differenzieren will und seine Kundenloyalität erhöhen möchte, muss die Anzahl der Interaktionen mit dem Kunden steigern und neue Produkte und Services über das klassische Geschäftsmodell hinaus anbieten.

 

Herr Taubenberger, wie stellt sich die Investitionsbereitschaft bei Banken in den Aufbau einer eigenen Plattform aktuell dar?
Die Bereitschaft ist da und es wird auch schon viel investiert. Unser Eindruck ist jedoch, dass der Einsatz und die Nutzung von Plattformen oft auf die Erzielung von Prozessverbesserungen und Kosteneinsparungen reduziert wird. Die Möglichkeiten der Plattformökonomie zur Erweiterung des eigenen Produktangebotes und neuer Marktzugänge bleiben häufig unberücksichtigt. Die Bewertung dieser Möglichkeiten ist aber essenziell wichtig, um die richtigen Schlüsse für die Geschäftsstrategie und die Marktpositionierung zu ziehen – und um letztlich sicherzustellen, dass die Investitionen zielgerichtet erfolgen und auf die Stärkung der Wettbewerbspositionierung einzahlen.

 

Herr Benthake, was ist somit Ihre Empfehlung für die Zukunft von Finanzdienstleistern?
Finanzdienstleister müssen zunächst verstehen, wohin der Markt der Zukunft geht und basierend darauf ihren Platz in der Plattformökonomie und den entstehenden Ökosystemen vorzeichnen. Nur so können eine bewusste Marktpositionierung und ein tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt werden. Hierzu werden Kooperationen mit anderen Marktteilnehmern, FinTechs und großen Digitalkonzernen zunehmend wichtiger. Zudem sind Investitionen in Prozessautomatisierung, KI und intelligente Datennutzung sowie in die Modularisierung der IT-Landschaft unerlässlich.

 

Digitale Transformation bei Banken und Versicherungen

Q_PERIOR ist eine international tätige und unabhängige Managementberatung. Das Unternehmen berät Kunden service- und lösungsorientiert mit branchenübergreifender Themenkompetenz sowie einem tiefgreifenden Verständnis für die Anforderungen an Business und IT. So entstehen neue Ansätze für innovative Geschäftsmodelle und digitale Lösungen. Mit über 1.250 Beratern berät Q_PERIOR Unternehmen branchenübergreifend und mit einem Fokus auf die Finanzdienstleistungsbranche.


Im Bereich Financial Services unterstützt Q_PERIOR seine Kunden bei der Positionierung in den digitalen Marktplätzen und bei der Umsetzung der dafür notwendigen Maßnahmen. Dabei begleiten die Experten Finanzdienstleister über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg: von der strategischen Beratung bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie der Positionierung in der Plattformökonomie über die Automatisierung und Effizienzsteigerung von Prozessen bis hin zur erfolgreichen Umsetzung der erforderlichen IT-Architektur.


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