Wie sicher sind Sachwerte?

In Zeiten der hohen Inflation sind Sachwerte gefragt. Doch auch bei diesen Investitionen führen nur wenige Wege an der Börse vorbei.

Illustratorin: Sophia Hummler
Illustratorin: Sophia Hummler
Axel Novak Redaktion

Wer hat, der hat, heißt es so schön. Und gemeint ist damit: Was hilft das schönste Blockchain-Portfolio an Kryptowährungen, wenn man es nicht anfassen kann. Und so ist es nicht erstaunlich, dass Sachwerte in Mode kommen: Gold, Edelsteine, Kunstgegenstände und Immobilien sind heute angesagt. Das handfeste haptische Erlebnis von Wert hat nicht nur schon Dagobert Duck in Glückstaumel versetzt, wenn er in seinen Talerchen badete. Sondern Sachwerte bieten gleichzeitig den Vorteil, angesichts der Inflation Stabilität im eigenen Vermögen zu versprechen.

Mit Sachwerten sind reale Werte gemeint, also Güter, die von Geldwertschwankungen wie der aktuellen Inflation unabhängig sein sollen. Weil Sachwerte über einen realen Gegenwert verfügen, der  sich unabhängig vom Marktgeschehen bemisst, bleiben solche Güter von Marktentwicklungen unberührt. Soweit die Theorie.

Deutschland ist Sammler-Land

Doch wer nun seine Aktien und Anleihen verkauft und in Öl, Rubine, Sneakers und andere edle Gegenstände investiert, der sollte sehr starke Nerven haben.

Denn sicher, Deutschland ist Sammler-Land. Jeder vierte Bundesbürger sammelt irgendwas: Münzen, Briefmarken, Bierdeckel, seltene Weine oder Kunst. Was früher ein Hobby war, ist heute eine echte Anlagemöglichkeit. Denn solche Sammlerobjekte haben kräftige Wertsteigerungen hinter sich gelegt – und versprechen weiter hohen Vermögenszuwachs. Schließlich ist das ja der Vorteil der Globalisierung. Der Markt wird immer größer, dank der Vernetzung von Sammlern und Händlern.

Allerdings setzen solche Investitionen immer genaue Kenntnisse des Handelsobjekts voraus: Beispiel Luxusuhren. Millionenschwere Sensationsverkäufe sind keine Seltenheit. Aber weil es nur noch wenige Originaluhren von Rolex, Tag Heuer oder Patek Philippe gibt, nimmt die Zahl der Fälschungen zu, weswegen der Markt im vergangenen Jahr um satte 20 Prozent abstürzte.

Besonders spekulativ sind Investitionen in Turnschuhe. Das Geschäft brummt. Prognosen zufolge werden 2026 weltweit Schuhe im Wert von 120 Milliarden Dollar verkauft, 50 Prozent mehr als 2020. „Die Wertsteigerungen bei Sneakers resultieren daraus, dass für knappe Güter eine hohe Nachfrage besteht und deshalb deren Preise stark steigen“, erläutert Gabriele Widmann, Volkswirtin bei der zur Sparkassen-Finanzgruppe gehörenden DekaBank. „Da diese Nachfrage aber zum Großteil nur darin begründet ist, dass weiter steigende Preise erwartet werden, nicht jedoch in irgendeinem zukünftig steigenden Nutzen, ist hier ganz klar Spekulation im Gange.“

Illustratorin: Sophia Hummler
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Selbst Immobilien bieten keine Garantie

Der wohl bekannteste Sachwert ist ohne Zweifel die Immobilie. Häuser gelten als garantierte Sicherheit für das Vermögen. Nicht nur, weil man selber drin wohnen kann und statt Miete zu zahlen eigenes Vermögen aufbaut. Sondern auch, weil die Preise für Immobilien in den letzten Jahren stetig gestiegen sind. Wer vor zwanzig Jahren eine Wohnung in guter Lage kaufte, der kann sich heute über einen kräftigen Wertzuwachs freuen.

Doch die Krux der Immobilie ist: Der Wertzuwachs ist nicht auf Dauer garantiert. Immobilien binden Liquidität über viele Jahrzehnte und unterliegen teils heftigen Wertschwankungen. Auch unterliegt der Markt für Immobilien politischen Entwicklungen, die ganze Marktbereiche durcheinanderwirbeln können. Im schlimmsten Fall ist eine Immobilie beim Verkauf weniger wert als beim Kauf.

Die Skepsis dem vermeintlich sicheren Betongold gegenüber zeigt sich daran, dass in Deutschland weiterhin weniger neu gebaut wird. Gleichzeitig ist beispielsweise in Berlin, einst ein lukrativer Hafen für Immobilienanlagen, die Anzahl der Verkäufe von Wohnungen und Häusern in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich gesunken: Von 25.000 Wohnungen auf nur noch 19.100 im vergangenen Jahr – und von rund 2.700 Ein- und Zweifamilienhäusern auf 2.307. „Der jahrelange Aufschwung am Wohnimmobilienmarkt ist vorüber“, heißt es im Bundesbank-Monatsbericht Februar 2023.

Also raus aus der Immobilie in andere Sachwerte? Traditionell beliebt sind Edelmetalle wie Gold, Silber oder Platin. Auch Staaten sichern sich mit Gold gegen Währungsrisiken ab: 148 Tonnen hat die Türkei 2022 gekauft, durchaus nachvollziehbar angesichts von 85 Prozent Inflation allein im November 2022. Fachleute wissen, dass sich Goldpreis und Aktienkurse an den Börsen meist entgegengesetzt entwickeln. Außerdem ist der Handel mit Gold einfacher als zum Beispiel mit Immobilien.

Physisches Gold ist im Vorteil

Doch auch hier gibt es Haken und Fallstricke. So gelten Gold-Investments nur dann als inflationssicher, wenn sie in physischem Gold wie Barren, Münzen oder Schmuck stecken. Goldbezogene Wertpapiere sind von anderen Entwicklungen abhängig. Auch schwanken die Preise bei Edelmetallen oft stark. Außerdem zahlt Gold keine Zinsen oder Dividenden, es muss sicher und oft teuer gelagert werden. Das gilt im Übrigen auch für Silber oder Platin. Die Metalle haben aber unabhängig vom Handelspreis einen Vorteil: Wer will, kann sie in den Tresor oder gut sichtbar ins Regal legen.

Anders sieht es aus bei den Industriemetallen, also Kupfer, Aluminium, Nickel oder Zinn: Fachleute erwarten gute Chancen auf mehr Nachfrage. Die Dekarbonisierung der Volkswirtschaften benötigt vermutlich viel Kupfer, Aluminium oder Zink. Wer von diesem Szenario überzeugt ist, der kauft diese Metalle allerdings nicht physisch, sondern investiert in Aktien von  Rohstoffunternehmen – oder in komplexe Terminkontrakte. Wer sein Risiko stärker streuen will, der investiert in Minen-ETFs, Fonds, Zertifikate oder ETC Inhaberschuldverschreibungen. Das gleiche gilt übrigens auch für andere Rohstoffe: Weder Öl noch Gas, Lithium oder Kohlendioxid lassen sich einfach in den Tresor legen, sondern die Investitionen erfolgen über die Börse oder andere Finanzierungsinstrumente.

Doch tatsächlich sind auch Aktien und ETFs echte Sachwerte, denn sie garantieren Anlegern einen Anteil an einem Unternehmen und damit auch an dessen Produktionskapital oder Vermögenswerten wie Maschinen, Immobilien oder Patenten. An der Börse also führt auch in Zeiten der Digitalisierung und der hohen Inflation kein Weg vorbei.

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