Welcher Treibstoff macht das Rennen?

Immer noch scheint nicht ausgemacht, welcher Energieträger in Zukunft Pkw, Lastwagen oder Frachtschiffe antreiben wird. Es könnte sich ein interessanter Wettbewerb anbahnen – mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen und einem krassen Außenseiter.

Illustration: Josephine Warfelmann
Illustration: Josephine Warfelmann
Kai Kolwitz Redaktion

Gerade scheint das zu passieren, was viele konservativ orientierte Autofahrer vorhergesehen zu haben glauben: 29.700 Pkw mit Elektroantrieb kamen im April 2024 in Deutschland neu auf die Straße. Das waren in absoluten Zahlen zwar nur 0,2 Prozent weniger als im gleichen Monat des Vorjahrs. Doch insgesamt stieg die Zahl der Neuzulassungen um rund 20 Prozent. Das heißt: Der Marktanteil von Elektroautos unter den Neuwagen sank, von knapp 15 auf gut 12 Prozent. Zeichnet sich hier ein Ende des Elektro-Hypes ab? Ein Blick ins Ausland erweitert den Horizont: So wurden EU-weit im Jahr 2024 bisher gut sechs Prozent mehr Elektroautos zugelassen als im Vorjahreszeitraum, insgesamt rund 442.000 Stück. Weltweit stieg die Verkaufszahl sogar um 29 Prozent, auf rund neun Millionen vollelektrische Fahrzeuge. In Schweden liegt der Anteil der Stromer unter den Neuzulassungen bei 60 Prozent, in Norwegen bei rund 90 Prozent.

Globaler Treiber in Sachen Elektromobilität ist allerdings China. Allein 5,1 Millionen E-Autos wurden dort 2023 zugelassen, der Marktanteil lag bei knapp einem Viertel. Und mehr als die Hälfte aller weltweit verkauften E-Autos stammt aus chinesischer Produktion.

Es bleibt dem Betrachter überlassen, zu beurteilen, ob und wie lange sich deutsche Autofahrer von solchen Megatrends abkoppeln können. Trotz der Verkaufsdelle spricht jedoch einiges dafür, dass Autos mit Akku und Elektromotor zumindest langfristig die dominierende Technologie im Pkw-Bereich sein werden. Das gilt erst recht, da weiterhin an vielen Orten und mit viel Aufwand an der Weiterentwicklung der Akkus gearbeitet wird. Immer weiter steigen die Reichweiten, es sinken die Ladezeiten, und die Zahl der möglichen Ladezyklen mehrt sich.

Große Hoffnungen verbinden sich im Moment etwa mit Feststoff-Akkus. Deren Elektrolyt ist fest statt bisher flüssig. Das vereinfacht das Handling, zudem sollen solche Batterien leichter und widerstandsfähiger gegen Alterung sein. Das US-Unternehmen Quantum Scape, das mit VW kooperiert, erreichte in Tests nach eigenen Angaben eine Lebensdauer von 500.000 Kilometern – das wäre mehr, als die meisten Verbrenner-Motoren schaffen. Auch an Natrium-Ionen-Akkus wird vielerorts gearbeitet: In ihnen wird das teurere und seltenere Lithium durch Natrium ersetzt, auch Kobalt ist nicht notwendig. Daneben scheint auch in Lithium-Ionen-Akkus noch einiges an Optimierungspotenzial zu stecken. Und nicht zuletzt: Tesla verwendet schon seit Jahren Lithium-Eisenphosphat-Akkus, die ohne Kobalt auskommen.

Da außerdem auch die Kosten für die Speicher stetig sinken, bahnt sich für die Zukunft ein interessanter Technologie-Wettbewerb an: der zwischen Akkus auf der einen Seite und Wasserstoff plus Brennstoffzelle auf der anderen. Beide stellen Strom für Elektromotoren zur Verfügung. Für die Akkus spricht der bessere Wirkungsgrad und damit die strukturell geringeren Kosten pro gefahrenem Kilometer. Dafür ist Wasserstoff für viele Anwendungen praktischer: Die gleiche Menge an Energie nimmt in Form von Wasserstoff weniger Raum ein und
ist leichter, außerdem lässt sich Wasserstoff in Fahrzeugtanks füllen wie heute schon Benzin oder Diesel.

In der Tat verbinden sich mit Wasserstoff große Hoffnungen auf eine klimaneutrale Umstellung von Industrie und Verkehr. Zwar gilt es im Pkw-Bereich als gesetzt, dass sich das Fahren mit Strom aus dem Akku durchsetzen wird. Je schwerer das Transportmittel und je größer die zurückgelegten Distanzen, desto mehr kippt die Waage in Richtung des kompakt zu lagernden und leichteren Wasserstoffs. Doch je leichter, kleiner und billiger Batteriespeicher werden, desto größer wird die Zahl der Anwendungsfälle werden, in denen sie das Mittel der Wahl sind.

Auch bei vielen Herstellern sieht man das so – man fährt zweigleisig. Mercedes oder Scania entwickeln schwere Lkw zum Beispiel sowohl mit Akkus wie auch mit Brennstoffzelle. Der Flugzeugbauer Airbus forscht ebenfalls in beide Richtungen, auch wenn ein Einsatz in der Praxis hier noch lange dauern dürfte. Und während auf dem Rhein das Erprobungs-Frachtschiff „H2 Barge 2“ Lasten zwischen Duisburg und Rotterdam transportiert, lässt die chinesische Reederei Cosco bereits ein Containerschiff mit Batterieantrieb elektrisch über den Jangtsekiang fahren – am Ziel werden die leeren Akkus per Kran getauscht.

Tragisch wäre es übrigens nicht, wenn Batteriespeicher dem Wasserstoff in mehr Bereichen als gedacht den Rang ablaufen würden. Denn letzter wird, wenn er klimaneutral erzeugt wird, auf absehbare Zeit ein knappes Gut bleiben. Und in der Industrie soll er in Zukunft auch als Prozesschemikalie verwendet werden oder dazu, um Erdgasfeuerungen zu ersetzen. Würden weniger Lkw damit fahren (müssen), würde das sogar helfen.

Bleiben noch die Themen HVO und E-Fuels. Ersteres ist ein Stoff aus biologischen Abfallstoffen, der als Ersatz für Diesel verwendet werden kann. Zweiteres steht für synthetische Treibstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin, die unter Einsatz von klimaneutral erzeugtem Strom aus Wasserstoff produziert werden.

Großer Vorteil von beiden ist, dass sie sich in bereits existierenden Verbrennungsmotoren verfeuern lassen und diese klimafreundlicher machen würden. Vor allem für die Bereiche Flugverkehr und Schifffahrt ist das reizvoll. Allerdings rechnen Experten nicht damit, dass die beiden Stoffe es weit aus diesen Anwendungsbereichen heraus schaffen werden.

Denn für einen Einsatz von HVO an breiter Front mangelt es schlicht an der nötigen Menge an Biomüll (schon jetzt gibt es starke Indizien, dass der Stoff stattdessen oft aus Palmöl produziert wird, das wiederum von Plantagen auf abgeholztem Regenwaldboden stammt). Und was E-Fuels angeht, schlägt der noch einmal geringere Wirkungsgrad gegenüber Fahren mit Batteriestrom und mit Wasserstoff auf die strukturellen Kosten. Bisher werden die synthetischen Treibstoffe – nicht zuletzt deswegen – noch nicht in großem Maßstab produziert. Der VW-Konzern engagiert sich über seine Tochtermarke Porsche im Bereich E-Fuels. Trotzdem sollen bei der Kernmarke Volkswagen im Jahr 2030 laut Planung 70 Prozent aller in Europa verkauften Pkw per Akku und Elektromotor angetrieben werden. In den USA und China sollen es mehr als die Hälfte sein. Um dieses Ziel zu erreichen, hat man jüngst ein neues, kleineres Modell angekündigt – einen elektrischen Wagen fürs Volk. Der VW ID.1 soll 2027 kommen und für rund 20.000 Euro zu haben sein.

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