Energiewende, gemeinsam

Seit Mai sind größere Balkonkraftwerke mit bis zu 800 Watt Einspeisung erlaubt. Das macht die einfach zu installierenden Anlagen attraktiver. Aber deren eigentliches Potenzial liegt noch ganz woanders.

Illustration: Josephine Warfelmann
Illustration: Josephine Warfelmann
Mirko Heinemann Redaktion

Mit dem Inkrafttreten des Solarpakets I am 16. Mai 2024 wurde die maximal erlaubte Leistung für sogenante Balkonkraftwerke, auch Steckersolargeräte genannt, in Deutschland von 600 auf 800 Watt Strom erhöht. Noch arbeitet der zuständige Verband VDE an den technischen Anwendungsregeln. Sobald diese vorliegen, kann man offiziell und legal ein eigenes Balkonkraftwerk mit 800 Watt Leistung anschließen und betreiben. Hierfür ist der Einsatz eines Elektrikers nicht notwendig. Einfach in die Steckdose stecken – fertig.

Zulässig ist eine installierte PV-Leistung aller Module von höchstens 2000 Watt, die per Wechselrichter gedrosselt wird. Damit kann der erlaubte Wert von 800 Watt auch an ungünstigen Plätzen oder bei bewölktem Himmel erreicht werden. Für ein optimal nach Süden ausgerichtetes System mit 2000-Watt-Solarpaneelen und 800-Watt-Wechselrichter in Deutschland kann man laut dem Portal Ecoflow mit Erträgen von 1.600 bis 1.800 Kilowattstunden pro Jahr rechnen. Bei einem Preis von 35 Cent je Kilowattstunde für Haushaltsstrom vom Versorger lassen sich somit theoretisch bis zu 540 Euro pro Jahr sparen. Bei 2.000 Watt Maximalleistung für die Module werden in der Praxis zwei bis vier typische Solarmodule mit 350 bis 470 Watt Ausgangsleistung installiert. Wer eine Mini-Solaranlage kaufen will, sollte möglichst viel des erzeugten Stroms dann verbrauchen können, wenn die Sonneneinstrahlung stark ist: also tagsüber. Moderne Haushaltsgeräte machen es per Zeitschaltung möglich. Wasch- oder Spülmaschine lassen sich etwa automatisch mittags starten. Den Solarstrom immer dann komplett zu verbrauchen, wenn er entsteht, sei jedoch praktisch kaum machbar, so der ADAC. Denn der Solarstrom wird nicht gespeichert. Überschüssiger Strom geht ins Netz, und er wird auch nicht vergütet. Wenn kein Strom erzeugt wird, nachts oder an dunklen Tagen im Winter, läuft alles über den Stromversorger.

Anders wäre das, wenn der Strom gespeichert werden könnte. Solche Lösungen bieten Unternehmen bereits an, mit innovativen, steckbaren Energiespeichern. Einspeisewächter sitzen zwischen Solarmodul und Wechselrichter und registrieren über einen Stromsensor den Stromverbrauch des Haushalts. Auf Basis dieser Daten regeln die Einspeisewächter die Menge des ins Netz oder wahlweise in den Akkuspeicher eingespeisten Stroms. Ob sich ein Balkonkraftwerk rechnet, hängt vor allem von der Anbringung ab. Optimal ist dabei ein Winkel zum Horizont von 30 bis 40 Grad und eine Ausrichtung nach Süden. Wenn Schatten auf die Module fällt oder ihre Neigung nicht ideal ist, senkt das die Stromausbeute. Solarpanels mit Glasabdeckung dürfen übrigens nicht in über vier Metern Höhe außen befestigt werden, sondern nur leichte Kunststoffmodule, die etwas teurer sind. Deshalb vorab die Bauvorschriften prüfen. Solarpanels sind nach dem Anbringen fast wartungsfrei. Nur eine Reinigung ist mindestens einmal im Jahr sinnvoll, weil sie Witterungs- und Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Das Balkonkraftwerk erzeugt sonst nicht so viel Energie, wie es könnte. Gepflegte Module bringen es auf eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren, auf Wechselrichter geben Hersteller 10 bis 15 Jahre Garantie.

Wer so eine Mini-Solaranlage installieren will, muss sie nur bei der Bundesnetzagentur anmelden. Zur Registrierung im Marktstammdatenregister muss man lediglich fünf Angaben machen. Vorübergehend sind auch die älteren Ferraris-Zähler zulässig, die bei einer Einspeisung von Solarstrom ins öffentliche Netz rückwärtslaufen können – so lange, bis sie der Messstellenbetreiber gegen einen digitalen Zweirichtungszähler oder Smart Meter austauscht. Falls der Einbau eines digitalen Stromzählers notwendig wird, darf der Netzbetreiber auch höhere Betriebsgebühren verlangen als beim alten Ferraris-Zähler – bis zu 20 Euro pro Jahr. Das ist dann relativ viel, wenn der Stromverbrauch eigentlich niedrig ist – die Crux für Menschen, die Steckersolaranlagen in ihrer Ferienwohnung oder Laube anbringen möchten.

Wer als Mieter so ein Balkonkraftwerk außen am Balkongeländer oder an der Fassade anbringen möchte, sollte wissen: Ohne triftige Gründe darf der Vermieter das nicht ablehnen. Dennoch wäre eine Versicherung ratsam. Eine Hausratversicherung reicht in der Regel aus, um gegen Sturm, Hagel, Feuer und Überspannungsschäden durch Blitzschläge versichert zu sein. In aktuellen Musterbedingungen für Hausratversicherungen sind sie bereits enthalten, wer einen älteren Vertrag hat, sollte seine Versicherung informieren. Eine Haftpflichtversicherung schützt vor möglichen Schäden, sollte ein Solarpaneel Schäden beim Nachbar verursachen, etwa, weil es sich von seiner Befestigung gelöst hat.

Solaranlagen sind seit 2023 von der Mehrwertsteuer befreit. Aufgrund des gestiegenen Wettbewerbs am Markt und der gesunkenen Herstellungskosten gibt es Mini-Solaranlagen schon ab wenigen Hundert Euro. Zudem zahlen viele Städte und Gemeinden einen Zuschuss zur Balkonsolaranlage. In einzelnen Bundesländern gibt es auch staatliche Förderprogramme. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern beträgt der Zuschuss 500 Euro. Und in Freiburg etwa werden Balkonsolargeräte mit 150 Euro für Mieter:innen bezuschusst. Wer über einen Freiburg-Pass verfügt, weil er oder sie bedürftig ist, profitiert von einer erhöhten Förderung von 300 Euro.

Ein weiterer Vorteil dieser Energiewende im Kleinen: Balkonsolar bringt Menschen zusammen. So haben sich vielerorts Klimainitiativen gegründet, die Möglichkeiten für jede und jeden Einzelne:n ausloten, CO2 zu vermeiden und die Energiewende voranzutreiben. In Ober-Ramstadt etwa haben sich Mitglieder zusammengetan und eine gemeinsame Sammelbestellung für Balkonkraftwerke aufgegeben. So haben sie nicht nur einen günstigen Preis erzielt, sondern helfen sich demnächst gegenseitig bei der Installation.

Nächster Artikel