Der Umweltaktivist Raphael Fellmer, Gründer eines Lebensmittelret‑ ter‑Supermarkts in Berlin, ist jah‑ relang mit Zug und Fähre nach Mallorca gereist – in die Heimat seiner Schwieger‑ eltern. Dieses Jahr nahm er bewusst das Flugzeug – und steht dazu. „Vor kurzem ist die Mutter eines alten Freundes unerwartet verstorben.“, begründet er seine Entscheidung auf Instagram. „Das hat mir noch deutlicher gemacht, wie wichtig es ist, sich bewusst Zeit zu nehmen – für die Familie, für Menschen, die mir am Herzen liegen und auch für mich selbst. Deshalb wollte ich dieses Mal nicht drei Tage mit unseren Kindern in Zügen und Bahnhöfen unterwegs sein.“
Fellmers Entscheidung ist ein Beispiel für ein größeres Spannungsfeld: Nach‑ haltigkeit bleibt ein hohes Ideal, doch das Leben gestaltet sich oft komplexer. Laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) wünschen sich fast die Hälfte aller Menschen ökologische und verträg‑ liche Urlaubsreisen. Dennoch wird so viel geflogen wie nie zuvor.
WARUM IN DIE FERNE SCHWEIFEN?
Ein Anfang liegt oft vor der eigenen Haustür. Ob Wandern im Bayerischen Wald, Radfahren entlang der Ostseeküste, ein Wochenende auf einem Biohof in der Eifel oder eine Städtetour durch das Ruhrgebiet: Wer in Deutschland bleibt, gewinnt nicht nur Zeit durch eine schnelle Anreise, sondern auch jede Menge Erholung in schönster Natur oder Kulturlandschaft.
Muss es doch einmal die Fernreise sein, so lässt sie sich mit bewusster Planung nachhaltig gestalten. Besser einmal richtig, anstatt drei mal kurz. So machen vier Wochen Costa Rica anstatt eines Kurztrips nach Venedig bereits einen Unterschied.
Genauso kann es ratsam sein, die klimaschädlichen Emissionen zumindest zu kompensieren. Beim CO2‑Ausgleich wird berechnet, wie viel Ausstoß eine Reise verursacht, und ein entspre‑ chender Beitrag an zertifizierte Klimaschutz‑ projekte gezahlt – für Aufforstung, erneuerbare Energien oder Bildungsarbeit. Anbieter wie Atmosfair, myclimate oder ClimatePartner sorgen für Transparenz. Natürlich ist eine Kompensation kein Freifahrtschein, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Sie kann aber ein verantwortungsvoller Schritt sein, nachdem alles getan wurde, um Emissionen zu vermeiden oder zu reduzieren.
WIRTSCHAFT VOR ORT UNTERSTÜTZEN
Auch abseits des Fliegens gibt es viele Hebel für ein nachhaltigeres Reiseerlebnis: Wer bei Einheimischen übernachtet, lokale Märkte besucht und kleine Betriebe unterstützt, stärkt die regionale Wirtschaft und erlebt das Reiseziel authentischer. Im Hotel lassen sich Handtücher mehrfach benutzen, Klimaanlagen sparsam einsetzen – auf Souvenirs aus Tropenholz oder Selfies mit Wildtieren verzichten. Oft sind es kleine Entscheidungen, die gar keine Einbußen bedeuten.
Nachhaltiges Reisen bedeutet also die bewusste Entscheidung für mehr Tiefe statt Tempo und mehr Verantwortung statt Routine. Selbst wenn ein Flug unvermeidlich ist, können wir durch kluge Entscheidungen und den Willen, es beim nächsten Mal besser zu machen, Teil der Lösung sein.