Mut im Mittelstand

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten Weichen für die Zukunft zu stellen, ist nicht einfach. Dennoch zeigt der Mittelstand Resilienz, Innovationskraft und wird mit gezielten Förderungen belohnt.

Illustration: Daria Domnikova
Illustration: Daria Domnikova
Julia Thiem Redaktion

Mittel IST MEGA“ kann man in Baden-Württemberg dieser Tage von riesigen, knallgelben Plakaten lesen. Mit dieser im Mai gestarteten Kampagne will man im Ländle auf die Verdienste jener Unternehmen aufmerksam machen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. „Gerade in Zeiten globaler Veränderungen ist die Rolle des Mittelstandes als Arbeitgeber, Ausbilder und Innovationstreiber zentral“, betont die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut während der Auftaktveranstaltung zur neuen Kampagne. „Der Slogan ‚mittel IST MEGA‘ bringt auf den Punkt, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Start-ups, Familienbetriebe, Ausbildende, Erfinder, Unterstützerinnen und Macher aus dem Mittelstand täglich Großes leisten.“
 

NEUE AUFBRUCHSTIMMUNG


Dabei hatten es die kleinen und mittleren Betriebe in Deutschland in den letzten Monaten nicht leicht. Die Multikrisen in Kombination mit dem politischen Stillstand nach dem Ampelaus haben Spuren hinterlassen. Umso deutlicher wird da die neue Aufbruchstimmung, die sich aktuell breit macht. Das Mittelstandsbarometer der Förderbank KfW und des Ifo-Instituts zeigt im Mai zum dritten Mal in Folge eine deutlich verbesserte Stimmung – und zwar um 2,5 Zähler auf minus 14,7 Punkte. Das sei zwar nach wie vor ein negativer Wert, der damit unter dem langjährigen Durchschnitt liege, dennoch sieht man bei der KfW „die Trendwende zum Besseren mit der erneuten Aufwärtsbewegung vollzogen“.
 

»Der Mittelstand lässt sich von der Dauerkrise nicht lähmen.«

Ulrich Zahner, Allgeier Inovar


Dass es zu dieser Trendwende kommen konnte, könnte daran liegen, dass der Mittelstand die Krise genutzt hat, um sich strategisch und nachhaltig neu aufzustellen. Das zumindest legt eine Umfrage nahe, die der Software-Anbieter Allgeier Inovar zusammen mit dem Marktforscher Innofact im April dieses Jahres durchgeführt hat. Demnach mussten im vergangenen Jahr zwar drei von vier Unternehmen aktiv gegen wirtschaftliche Risiken steuern, um Umsatzrückgänge oder Lieferengpässe zu vermeiden, gleichzeitig hat der Mittelstand diesen wirtschaftlichen Druck jedoch genutzt, um die eigene Widerstandsfähigkeit zu stärken. Kostenreduktion stand dabei mit 43 Prozent ganz oben auf der Maßnahmenliste, allerdings wurden auch Prozesse und Lieferketten optimiert (41 Prozent) und in Digitalisierung und Künstliche Intelligenz investiert (40 Prozent) – ein mutiger Schritt in wirtschaftlich angespannten Zeiten. „Der Mittelstand lässt sich von der Dauerkrise nicht lähmen – im Gegenteil. Viele Unternehmen nutzen die Situation, um gezielt in Effizienz, Digitalisierung und Widerstandskraft zu investieren. Das zeigt nicht nur Weitblick, sondern auch echten Gestaltungswillen“, lobt Ulrich Zahner, Geschäftsführer von Allgeier Inovar. 

Etwas differenzierter sieht man den Digitalisierungstrend hingegen bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Auch dort hat man über 5.000 Unternehmen aus verschiedenen Branchen befragt, wo die Digitalisierung klar fortschreitet. Sie werde jedoch aus den falschen Gründen vorangetrieben – nämlich weniger als Innovationsmotor, sondern vielmehr als Hilfestellung für tagesaktuelle Herausforderungen. „Die Digitalisierung in Deutschland verläuft zu langsam. Wir lassen zu viele Möglichkeiten liegen und es fehlen innovative Technologien", sagt Volker Treier, Mitglied der DIHK-Hauptgeschäftsführung, anlässlich der Vorstellung der Studie am 11. März. „Um bei diesem Thema endlich besser zu werden, müssen die Rahmenbedingungen für Unternehmen dringend angepasst werden."
 

»Deutschland handelt.«

Dr. Matthias Heider, AIF


DIHK-Chef Treier sieht hier vor allem auch die Bundesregierung in der Pflicht, die beispielsweise den Netzausbau sowohl mit Blick auf Glasfaser als auch auf moderne Mobilfunknetze schneller vorantreiben müsse. Das zeigen auch die Ergebnisse von Allgeier Inovar. Der Mittelstand wünscht sich einen Ausbau der digitalen Infrastruktur (47 Prozent), mehr Tempo bei der Digitalisierung in Behörden, Bildung und Gesundheit (50 Prozent), vor allem aber einen Bürokratieabbau (61 Prozent). 
 

Illustration: Daria Domnikova
Illustration: Daria Domnikova

Zu besseren Rahmenbedingungen in puncto Innovation gehört für Dr. Matthias Heider zudem auch die industrielle Gemeinschaftsforschung von deutschen Unternehmen und Forschungsinstituten. Und für die fordert der Geschäftsführer der AIF – Allianz für Industrie und Forschung eine Milliarde Euro Förderung von der neuen Bundesregierung. „Die industrielle Gemeinschaftsforschung ist ein entscheidender Treiber für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität in Deutschland. Angesichts stagnierender Innovationsleistungen in der Wirtschaft ist es dringend erforderlich, die Rahmenbedingungen jetzt zu verbessern”, erklärt Heider, denn davon hätten alle etwas: „Die angewandte Industrieforschung, die aus den direkten Bedarfen der Unternehmen entwickelt wird, kann über die Gemeinschaftsforschung schnell und unkompliziert umgesetzt werden, neue Arbeitsplätze generieren und als gesteigerte Steuereinnahmen zurückfließen – wenn die Politik es will.“

Und die will – wenn auch zunächst im kleineren Rahmen. Anlässlich des Innovationstags Mittelstand 2025 Anfang Juni in Berlin verkündete das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine überplanmäßige Förderung von bis zu 272 Millionen Euro, um eben jene Industrieforschungsprogramme zu unterstützen. Für Heider ein gutes Zeichen, dass die Handbremse gelöst wurde und es weiter gehen kann, weil „Deutschland handelt“. Womit wir zurück im Ländle wären – oder zumindest auf regionaler Ebene. Denn der kommt laut Stifterverband eine besondere Bedeutung zu. „Die Innovationsförderung in Deutschland braucht einen Perspektivwechsel: weg von Einzelförderung, hin zu strategischen regionalen Interventionen mit nachhaltiger Wirkung. Denn Innovation entsteht dort, wo Akteure gemeinsam handeln“, sagt Marte Sybil Kessler, Leiterin des Handlungsfelds Kollaborative Forschung und Innovation beim Stifterverband. Deshalb hat man dort gemeinsam mit der gemeinnützigen UnternehmerTUM GmbH das „Innovation Ecosystem Framework“ entwickelt, ein Werkzeugkasten, mit dem sich Zusammenarbeit in Regionen gezielt orchestrieren lässt – damit „Mittel“ auch in Zukunft noch „mega“ ist.
 

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