Mehr Resilienz

Die Aneinanderreihung zahlreicher Krisen belastet den deutschen Mittelstand finanziell. Auch deshalb wollen immer weniger Menschen Unternehmer sein.

Illustration: Laura Neuhäuser
Illustration: Laura Neuhäuser
Julia Thiem Redaktion

Es steht nicht gut um das deutsche Unternehmertum, wenn jeder zweite Familienunternehmer hier kein Unternehmen mehr aufbauen würde. Doch genau das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Verbands der Familienunternehmer. Die insbesondere für KMU hohe Steuerlast, steigende Energiepreise, fehlende Fachkräfte und immer neue Lohnforderungen belasten das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, weshalb auch andere Verbände mittlerweile Alarm schlagen. So kritisiert der Deutsche Mittelstands-Bund beispielsweise die aktuellen Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums für einen Industriestrompreis. Der geschäftsführende Vorstand Marc S. Tenbieg glaubt sogar, dass der Mittelstand bald indirekt die Stromrechnung seiner Auftraggeber bezahlen könnte, weil er ohnehin schon ein Vielfaches für Strom im Vergleich zu den industriellen Großabnehmern zahlen würde: „Wettbewerbsverzerrung kann und darf nicht der Anspruch einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft sein.“

Und auch die Lohnentwicklungen bewertet ein Großteil des Mittelstands mittlerweile kritisch, zeigt eine Studie der DZ Bank. Rund 79 Prozent der kleinen und mittleren Betriebe rechnen als Folge der hohen Inflation mit steigenden Lohnkosten. Die aktuelle Streikfreude vieler Gewerkschaften untermauert die Befürchtungen. Sollte sich das bewahrheiten, sei das eine denkbar ungünstige Konstellation, glauben auch die Studienmacher: „Unternehmen werden versuchen, die gestiegenen Lohnkosten an ihre Kunden weiterzureichen. Damit könnte eine Preis-Lohn-Spirale drohen, wodurch Unternehmen und Verbraucher noch länger mit erhöhten Inflationsraten konfrontiert wären.“

Was es in Zeiten solch multipler Herausforderungen braucht, sei Resilienz, heißt es im Mittelstandskompass des Instituts der deutschen Wirtschaft und der Steuerberatungsgesellschaft ETL. Und genau hier gäbe es deutlich Luft nach oben: Nur jeder fünfte Mittelständler würde sich als resilient klassifizieren. Das läge vor allem auch daran, dass gerade in ruhigeren Zeiten so wichtige Themen wie IT-Sicherheit, Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit vernachlässigt werden, sagen die Studienverantwortlichen. Resilient werden Unternehmen jedoch immer nur in Vorbereitung auf die nächste Krise. Und dass die irgendwann kommt, kann man wohl zuverlässig vorhersagen.

Für KMU gibt es deshalb akute Handlungsfelder, die bespielt werden wollen, damit Unternehmertum und Gründungen die deutsche Wettbewerbsfähigkeit auf internationalem Parkett auch weiterhin garantieren. Das heißt beispielsweise auch, dass sich viele Mittelständler im Idealfall schon heute mit einem weiteren wichtigen Thema auseinandersetzen müssen, dass andernfalls zu einer handfesten Krise werden könnte: der Nachfolge. Denn weil die Bedingungen derzeit alles andere als einladend sind, fehlt es an mutigen Männern und Frauen, die sich künftig der Verantwortung des Unternehmertums stellen wollen. Zahlen der KfW belegen, dass der Mangel an Nachfolgern bei KMU schon heute deutlich zu spüren ist, in den kommenden Jahren aber zu einer regelrechten Nachfolgelücke weiterwachsen könnte: 190.000 Betriebe planen, bis 2026 ohne Nachfolgeregelung aus dem Markt auszutreten. Und eine deutsche Wirtschaft ohne den Mittelstand lässt die Herausforderungen von heute fast schon lapidar wirken.

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