Der digitale Traveller

Digitale Kommunikationsmittel sind auf Geschäftsreisen unverzichtbar geworden. Doch wie soll man sich im Dschungel der Apps zurechtfinden?
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Illustration: Amarins de Jong
Jürgen W. Heidtmann Redaktion

Wohl kaum ein anderes Accessoire hat das Reisen derart verändert wie das Smartphone: „Die Erwartungen an das kleine Gerät in der Hand des Reisenden sind enorm gestiegen“, erklärte Rainer Schäfer, Country Director Germany & Austria bei Sabre Travel Network, auf der diesjährigen Reisemesse ITB Berlin. Der Geschäftsreisende von heute wolle alles mobil erledigen können, alles „On the Go“, so der Travel Manager. Immer mehr mobile Apps, Tracking-Software und Wearables seien verfügbar. Und müssen auch für den effizienten Gebrauch im Geschäftsbetrieb erschlossen werden. 

 

Noch vor zehn Jahren hatten die meisten Reisenden ihre Flugtickets und Reisedokumente in ausgedruckter Form bei sich. Heute verlassen sich immer mehr Business Traveller auf Reisemanagement-Apps, die alle Dokumente in digitaler Form auf dem Smartphone oder Tablet bündeln. Die User werden über Änderungen, Verspätungen oder Ausfälle via E-Mail benachrichtigt und können aus angebotenen Alternativen wählen. Sie sehen alle relevanten Informationen, etwa die Sitznummer oder Umgebungskarten von Flughafen und Hotel übersichtlich in einer Anwendung. 

 

Auch die Analyse des Reiseverhaltens und die Berücksichtigung der individuellen Vorlieben unter Einhaltung der Unternehmensrichtlinien bieten zahlreiche praktische Vorteile. So sind moderne Apps in der Lage, aus gesammelten Reisedaten mit der Zeit personalisierte, den Richtlinien des Unternehmens und den Ansprüchen des Reisenden entsprechende Empfehlungen zu erstellen, etwa für Hotel, Fluggesellschaft, Sitznummer oder Reisezeit. Der Trend zu Big Data, zur Analyse von Reisedaten, wird die Business-Travel-Branche nachhaltig beeinflussen.

 

„Die Zukunft ist digital und mobil. Die Technologien sind zu hilfreich und praktisch, um auf sie zu verzichten“, erklärt der Präsident des Deutschen ReiseVerbands DRV, Norbert Fiebig. Alljährlich lässt der Verband die Studie „Chefsache Business Travel“ durchführen. Auch sie zeigt, dass Geschäftsreisende vor allem die Vorteile der mobilen Datenkommunikation sehen. 86 Prozent aller befragten Geschäftsreisenden waren sich 2015 einig, dass sie durch Smartphones und Apps unterwegs besser und schneller informiert sind. 79 Prozent nannten als Vorteil der Digitalisierung, dass sie sich mit Hilfe mobiler Geräte vor Ort besser orientieren können. 75 Prozent profitieren nach eigenen Angaben davon, alle Reiseinformationen ständig griffbereit zu haben. 

 

Dass das Reisen dank Smartphones und Apps komfortabler geworden ist, finden 73 Prozent. 68 Prozent stimmen zu, dass sie dadurch schneller auf unvorhergesehene Änderungen im Reiseplan, etwa durch Ausfälle von Flügen oder Bahnverbindungen, reagieren können. Aber auch wenn jeweils eine klare Mehrheit diese Vorteile schätzt, erkennen viele Geschäftsreisende auch Schattenseiten. Mehr als jeder zweite hegt größere Zweifel, ob seine vertraulichen Daten auf dem Tablet oder Smartphone auch sicher sind. 44 Prozent setzt das Bewusstsein, permanent erreichbar zu sein, unter zusätzlichen Stress. Bei 40 Prozent löst die moderne Technologie sogar das Gefühl aus, auf Reisen überwacht zu werden.

 

Für Unternehmen ist die Wirtschaftspionage ein ernst zu nehmendes Risiko, das betont der Digitalverband Bitkom. Die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik im Ausland unterliege besonderen Risiken. „Ein Hotelzimmer und ein möglicherweise dort befindlicher Safe sind keine sicheren Aufbewahrungsorte“, so der Verband. Daher sollte gelten, dass nur wirklich notwendige Daten und Unterlagen auf Geschäftsreisen mitgenommen werden. Nach Rückkehr sind elektronische Geräte einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, so die Empfehlung der Bitkom-Experten.  

 

Den Spagat zwischen Sicherheit und Komfort müssen seriöse Unternehmen mit Verständnis für die Bedürfnisse ihrer Reisenden leisten. Sie tragen zu einem reibungslosen Ablauf von Geschäftsreisen bei, wenn sie ihren Mitarbeitern Smartphones oder Tablets zur Verfügung stellen, die das Reisen in vielerlei Hinsicht vereinfachen. Zur Nutzung von Mobilgeräten und Apps sollten sie allerdings in ihren Reiserichtlinien klare Vorgaben machen, um Wildwuchs zu verhindern und die Sicherheit von Unternehmens- und Kundendaten nicht zu gefährden, erklärt der DRV. 

 

Professionelle Geschäftsreisebüros beraten bei der Erstellung solcher Richtlinien und helfen Unternehmen dabei, eventuell vorhandene Berührungsängste der Mitarbeiter mit digitalen Services abzubauen. Beispielsweise empfehlen die Experten Apps, die Geschäftsreisende bedenkenlos herunterladen und nutzen können. „Unser Job wird zunehmend zu dem eines Technologieberaters“, resümiert Carsten Schäffer, Senior Direktor Central Europe and Nordics bei Sabre, auf der ITB Berlin. „Acht von zehn Travel Managern haben mit der Entwicklung neuer Technologielösungen rund um das Reisen zu tun.“

 

Für die Anbieter von Travel Management-Lösungen bedeutet dies, dass sich ihr Selbstverständnis derzeit stark wandelt. „Der Travel Manager trifft auf einen Markt, der immer komplexer wird und sich immer schneller verändert“, sagt Schäffer. Die Reaktionszeiten seien enorm gestiegen. Die Generation der Digital Natives wolle eine Antwort auf jede Anfrage, und zwar sofort. Dazu komme eine immer stärker diversifizierte Preisgestaltung: Weil sie mit immer mehr externen Partnern zusammenarbeiten, müssen Travel Manager immer komplexer planen. Preise verändern sich in Minutenschnelle. Die Erwartungen der Unternehmer, Einsparungen zu erzielen, sind groß. 

 

Der Vorteil der hohen Anforderungen: Mehr als 50 Prozent der Travel Manager sind in die strategische Planung des zu betreuenden Unternehmens involviert. Auch hier spielen moderne digitale Tools eine wichtige Rolle. „Wer es schafft, technisch auf der Höhe zu sein, der wird auch im Unternehmen näher an die Kernentscheidungen heranrücken“, so Schäffer. Sein Fazit: Digitale Kompetenz ist der Schlüssel zum Travel Management der Zukunft.

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